Presserklärungen 1994
30. Dezember 1994.
Vereinbarung mit
Fluggesellschaft:
PRO ASYL warnt vor "menschenrechtswidriger
Kumpanei".
23. Dezember 1994.
"Christus
als Illegaler"
Weihnachtsbotschaft: Appell für eine neue
Flüchtlingspolitik.
22. Dezember 1994.
Abschiebehäftlinge
haben mehr Mitmenschlichkeit als Berliner
Innensenator
PRO ASYL unterstützt Forderung von Mithäftlingen,
minderjährige Abschiebehäftlinge sofort
zu entlassen.
10. Dezember 1994.
PRO ASYL beklagt "nur noch
kosmetischen Menschenrechtsschutz".
26. November 1994.
8
HARMONIE AUF TIEFEM
NIVEAU
EU-Konferenz der Justiz- und Innenminister
weitere Einschnitte im Asylrecht, 8
18. Oktober 1994.
8
Kriegsdienstverweigerungs-
und Flüchtlingshilfeorganisationen fordern:
Keine Abschiebungen - Schutz für Flüchtlinge
aus dem ehemaligen Jugoslawien.
8
13. Oktober 1994.
10
Nigerianer haben
keine Chance
PRO ASYL kritisiert unfaire Anhörungen
von Flüchtlingen am Frankfurter Flughafen.
10
10. Oktober 1994.
10
Zum Abschiebefall
Kola Bankole:
Ärzteorganisationen und PRO ASYL stellen
Fragen an die Staatsanwaltschaft 10
10. Oktober 1994.
17
100.000 Unterschriften gegen
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
17
5. Oktober 1994.
18
PRO ASYL begrüßt den Hessischen
Vorstoß für eine Asylaltfallregelung.
18
30. September 1994.
18
Sofort Zurückschiebung von
unbegleiteten minderjährigen Kindern stoppen!
18
29. September 1994.
19
Tag des Flüchtlings
1994:
PRO ASYL fordert neues Asylrecht
Grenzschützer haben den Auftrag, die Grenze
zu schützen.
Über das Schicksal von Flüchtlingen haben
Flüchtlingsschützer zu entscheiden.
19
23. September 1994.
21
Staatsgrenze am
Krankenbett?
PRO ASYL befürchtet weitere "Out of
Area-Einsätze" des BGS im Inland. 21
20. September 1994.
22
Zum Anschlag in Herford:
22
20. September 1994.
23
Zum Internationalen
Tag des Kindes:
PRO ASYL prangert Kinderfeindlichkeit des
Bundesinnenministeriums an. 23
2. September 1994.
24
Nigerianer nach
Beruhigungsspritze verstorben
tödliche Abschiebung..
24
1. September 1994.
24
55. Jahrestag der
Entfesselung des 2. Weltkrieges:
Mahnung und Verpflichtung für die Gegenwart.
24
31. August 1994.
25
PRO ASYL: Einheitlicher Standard für Flüchtlinge
in Europa nötig
25. August 1994.
25
SPRECHER-WECHSEL BEI PRO ASYL.
25
16. August
1994.
25
BGS-Bericht OSTEUROPA
-
HINTERHOF DEUTSCHER ASYLPOLITIK.
25
16. August 1994.
26
Menschenwürde in
der Abschiebehaft
ABSCHIEBEHÄFTLINGEN STEHT TASCHENGELD ZU
Berliner Gericht sieht persönlichen
Bedarf nicht gedeckt.
26
3. August 1994.
26
unbegleitete Flüchtlingskinder
ABSCHIEBESCHUTZ NOTWENDIG
Kanther mißachtet Kindeswohl
26
20. Juli 1994.
27
Politiker sollen
ein Zeichen zum 20. Juli setzen:
Schutz für Deserteure aus verbrecherischen
Kriegen.
27
11. Juli 1994.
28
PRO ASYL verteidigt
Kirchenasyl
Kirchenasyl mit Schutz von Nazi-Kollaborateur
zu vergleichen absurd und demokratiefeindlich 28
28.Juni 1994.
29
Ein Jahr neues
Asylrecht
FLÜCHTLINGE WEITGEHEND RECHTLOS
Gesetzesänderungen verlangt 29
14. Juni 1994.
35
Menschenrechtslage auf Kuba nach wie
vor ernst BOTSCHAFTSFLÜCHTLINGE AUFNEHMEN..
35
4. Mai 1994.
36
Folter bei abgeschobenen
Kurden bestätigt
ABSCHIEBESTOPP FÜR KURDEN
Deutsche Botschaft unglaubwürdig. 36
2. Mai 1994.
36
Abschiebehaftanstalten
in Nordrhein-Westfalen
FLÜCHTLINGE WIE VERBRECHER BEHANDELT
Abschiebestopp für Algerier gefordert
36
12. April 1994.
38
Die Zusammenarbeit
der Geheimdienste
DATENSCHUTZ UND ABSCHIEBUNG
Die informationelle Gefährdung.
38
01. April 1994.
39
Abschiebung von
Kurden aus Bayern
KEINE ABSCHIEBUNG IN DIE TÜRKEI
Einhaltung der Menschen -und Minderheitenrechte 39
01. April 1994.
40
Beitrag für die
Berliner Zeitung
Hat die Kurdenpolitik versagt?.
40
30. März 1994.
41
Spezialgefängnisse
für Kurden?
ABSCHIEBESTOPP FÜR DIE GESAMTE TÜRKEI
Verhandlungen bestätigen schwere Menschenrechtsverletzungen.
41
23. März 1994.
42
SOLIDARITÄTSADRESSE
AN KURDEN-VEREIN
gewaltfreier Kampf unterstützt
42
21. März 1994.
43
Informationsveranstaltung
am 25.3.1994 in Berlin
BASSO-TRIBUNAL zum Asylrecht in Europa. 43
20. März 1994.
45
21. März - Antirassismustag
der Vereinten Nationen
ROMA ALS OPFER VON RASSISMUS
prominenter Roma-Vertreter betroffen 45
07. März 1994.
46
NRW-Abschiebung
über Rumänien
ABSCHIEBESTOPP FÜR MINDERHEITEN UND DESERTEURE
AUS REST-JUGOSLAWIEN 46
16. Februar 1994.
47
Niedersachsens
Grüne verzichten auf Fernsehwerbung
ZWEI SENDEPLÄTZE PRO ASYL ÜBERLASSEN
Spot gegen Abschiebung 47
13. Februar 1995.
48
PRO ASYL fordert
Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit
Kroatien
Sicherheit von Flüchtlingen nicht gewährleistet
48
7.Februar 1994.
49
Abschiebestopp
für Kroatien und Rest-Jugoslawien REKRUTIERUNGSEMBARGO
VERHÄNGEN!
Zwangsrekrutierung von abgeschobenen Männern
befürchtet
49
24. Januar 1994.
50
Abschiebung nach
Äthiopien
PING-PONG MIT FAMILIE BEFÜRCHTET
Lufthansa hatte Transport verweigert 50
19. Januar 1994.
52
Abschiebung kroatischer
Flüchtlinge
GEGEN GENERELLE ABSCHIEBUNGEN
Lagerunterbringung befürchtet 52
18. Januar 1994.
52
Kinkel in der Türkei
FLUCHT NACH DEUTSCHLAND THEMATISIEREN
Abschiebestopp für Kurden, Christen und
Jeziden. 52
07. Januar 1994.
53
Angolaner im Berliner
Kirchenasyl
DIEPGEN SOLL ABSCHIEBUNG VERHINDERN
gesetzliche Möglichkeit gegeben.
53
30. Dezember 1994
Die
Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL hat die Vereinbarung des Bundesgrenzschutzes
mit der Fluggesellschaft "Ghana Airways" bezüglich der Rückführung ghanaischer und nigerianischer Flüchtlinge scharf kritisiert.
Wie der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft, Heiko
Kauffmann, am Freitag der Presse mitteilte, liegt PRO ASYL ein Schreiben der
Grenzschutzdirektion Koblenz vor, nach dem die "Ghana Airways" auf Anforderung die
ansonsten vom Bundesgrenzschutz zu stellende Sicherheitsbegleitung rückzuführender Personen auf ihren Flügen
nach Accra und Lagos übernehme.
Die zuständige Ausländerbehörde
habe dem Abschiebeersuchen Angaben u.a. über
"Personalien des Schüblings, Größe und Gewicht
des Schüblings, Grund für Erfordernis der
Sicherheitsbegleitung und weitere Besonderheiten" mitzuteilen. Dieser
Brief lasse erahnen, daß bei einer solchen Praxis
jegliche Kontrolle über eine menschenwürdige Behandlung und jeder
demokratischer Einblick in die Abschiebepraxis verloren gehe.
Gerade nach dem Todesfall des Nigerianers Kola Bankole infolge der vom BGS veranlaßten
Maßnahmen erwecke diese Vereinbarung - so Kauffmann - den Anschein einer "Flucht aus der menschenrechtlichen
Verantwortung Deutschlands für Flüchtlinge".
Die Menschenrechtssituation Nigerias verbiete derzeit
überhaupt Abschiebungen nach Lagos. Die Vereinbarung mit der "Ghana Airways" nannte
Kauffmann "eine neue Dimension bundesdeutscher Abschottungs- und
Abschiebepolitik, die im Ergebnis zu einer menschenrechtswidrigen Kumpanei
zwischen den Behörden eines möglichen Verfolgerstaates und eines demokratischen
Zufluchtslandes führen kann." Kauffmann forderte die Innenminister von
Bund und Ländern auf, diese Vereinbarung "zu kassieren". Es dürfe in
keinem Fall um die effizienteste und geräuschloseste Form einer Verwahrung und
"Verschubung" von Menschen gehen. Bund und Länder trügen die Verantwortung für Leben, Sicherheit und
die humane Behandlung von Flüchtlingen. Dieser Verantwortung könne sich
die BRD auch im Neuen Jahr nicht durch die
Hintertür entziehen.
23. Dezember 1994
"Christus wäre in
Deutschland als 'Illegaler' zur Welt gekommen; die Heilige Familie wäre von
Abschiebung bedroht." Mit diesen Worten kennzeichnete der Sprecher von PRO ASYL, Heiko Kauffmann, die wachsende Kluft zwischen dem Kern der christlichen
Weihnachtsbotschaft und der Politik gegenüber Flüchtlingen und
Minderheiten in Deutschland.
Die
Weihnachtsgeschichte sei ein Appell, politisches, soziales und moralisches
Handeln in Übereinstimmung zu bringen.
Die gegenwärtigen
Politikstrategien gegenüber Flüchtlingen und gesellschaftlichen Randgruppen zielten jedoch darauf ab, Schutz und Zuflucht suchenden
Menschen Hilfe zu verweigern und sie vom "goldenen
Westen" fernzuhalten. Dieser verdanke aber seinen Reichtum der Not der
Armen in aller Welt und produziere durch seine Verschwendungssucht und Waffenexporte selbst immer mehr Fluchtgründe.
Es sei ein Akt der
politischen Verrohung, so Kauffmann weiter, daß immer
mehr Menschen durch eine von christlichen Politikern zu
verantwortende Praxis zu "Illegalen" gemacht würden.
Selbst unbegleitete Flüchtlingskinder seien von medizinischer Versorgung,
Schulunterricht und sozialen Diensten ausgeschlossen. Viele kämen sogar in Abschiebehaft.
"Ein Leben in Würde
- wie es das Grundgesetz garantiert - kann nur gelebt werden, wenn Würdelosigkeit, Unbarmherzigkeit und zunehmende Verrohung nicht weiter
staatlich toleriert werden", sagte Kauffmann.
Viele Bürgerinnen und Bürger hätten dies erkannt und sich an Aktionen wie
"Gewissen läßt sich nicht einfach abschieben" beteiligt. Kauffmann rief dazu auf,
auch im neuen Jahr mit Zivilcourage und konkreten
Aktionen gegen Abschiebungen, Inhaftierungen und die unwürdige
Behandlung von Menschen gemeinsam Zeichen der Hoffnung und Solidarität zu setzen.
"Die Weihnachtsbotschaft `Friede auf Erden' ist keine trügerische
Idylle für drei Tage, sondern ein dauerhaftes Handlungskonzept
für die Schaffung humaner Lebensverhältnisse für alle
Menschen!", so Heiko Kauffmann abschließend.
22. Dezember 1994
In einem
mutigen Appell haben sich erwachsene Mithäftlinge in der Berliner Haftanstalt Kruppstraße 15 an die zuständigen Behörden gewandt, um für jugendliche
Mitgefangene die Entlassung zu erwirken. Die Jugendlichen
sind bereits seit mehreren Monaten in Haft. Die äußerst
inhumane Situation der Jugendlichen nahmen die erwachsenen
Mithäftlinge zum Anlaß, die Verantwortlichen
schriftlich "um Erbarmen" für sie zu bitten.
"Dieser Akt der Solidarität offenbart die Grausamkeiten
unseres Abschiebesystems. Das Engagement der Mithäftlinge beschämt uns alle,
die wir es zulassen, daß Menschen in derart unwürdige Situationen kommen", so Volker Maria
Hügel, stellvertretender Sprecher von PRO ASYL.
PRO ASYL fordert die zuständigen
Behörden auf, unverzüglich für die Jugendlichen eine
angemessene Betreuung außerhalb der Haftanstalt zu gewährleisten und
weitere Inhaftierungen von Jugendlichen zu unterlassen.
10. Dezember 1994
Leisetreterei gegenüber
Staaten mit schweren Menschenrechtsverletzungen und einen innenpolitisch nur
noch "kosmetischen Menschenrechtsschutz" für Flüchtlinge beklagt die
Flüchtlingsorganisation PRO ASYL in einer Stellungnahme zum Tag der Menschenrechte.
PRO.ASYL - Sprecher
Heiko Kauffmann warnte vor einer "Minimalisierung der Menschenrechte und des Flüchtlingsschutzes" in der BRD. Viele
Lageberichte des Auswärtigen Amtes legten die Vermutung
"einer absichtsvollen Verharmlosung der Menschenrechtssituation
in vielen Herkunftsländern" nahe, die zur Nichtanerkennung vieler
bedrohter Flüchtlinge führe. PRO ASYL fordert Außenminister Kinkel auf, die
deutschen Vertretungen in aller Welt anzuweisen, die Lageberichte auf der
Grundlage der anerkannten Menschenrechtsnormen und
völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik und
nicht nach der politischen Opportunität der Regierungskoalition abzufassen.
Es sei politische
Heuchelei, den Krieg in Ex-Jugoslawien zwar als "völkerrechtswidrig"
anzuprangern, aber denjenigen Zuflucht und Hilfe zu versagen, die ihm
entfliehen. Auch der UNHCR hat wiederholt gefordert,
Abschiebungsschutz auch für Flüchtlinge zu gewähren, die zum Zeitpunkt ihrer
Flucht gezwungen waren oder bei ihrer Rückkehr gezwungen wären,
an völkerrechtswidrigen Handlungen teilzunehmen und bei denen insofern eine potentielle Strafe für Desertion oder für Nichtbefolgung der
Einberufung als Verfolgung angesehen werden muß.
Kauffmann forderte zugleich Bund und Länder auf, endlich ihre
humanitäre Blockadepolitik gegenüber Kriegsdienstverweigerern und
Deserteuren aus dem ehemaligen Jugoslawien, gegenüber
Kosovo-Albanern, Kurden aus der Türkei, Flüchtlingen aus
Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten, (z. B. Armenien, Angola und andere) aufzugeben und für diese Gruppen bundesweite Abschiebestopps zu
erlassen.
Weitere Gefährdungen und Verletzungen der
Menschenrechte gegenüber Flüchtlingen in der Bundesrepublik
sieht PRO ASYL in der organisierten Unmenschlichkeit deutscher
Abschiebehaftanstalten, in dem die Flüchtlinge entmündigenden
Asylbewerberleistungsgesetz und einer bis zur Unkenntlichkeit eines
rechtstaatlichen Verfahrens entstellten Anhörungs-
und Aberkennnungspraxis
gegenüber zufluchtsuchenden Menschen.
26. November 1994
Drastische
Einschnitte in das internationale
Flüchtlingsrecht stehen auf der Tagesordnung - einer EU-Konferenz, zu
der sich neben Bundesinnenminister Manfred Kanther die zuständigen Justiz- und Innenminister am 30.11.
und 7.12 treffen. In einem Schreiben an den Ministerrat der Europäischen Union sieht die
Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL ihre Befürchtungen
bestätigt, daß das deutsche Asylrecht Maßstab einer
europäischen Harmonisierung auf
unterstem Niveau werden könnte. PRO ASYL hofft, daß
die anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft die humanitäre
Dürftigkeit der deutschen Präsidentschaft erkennen
und ihr an dieser Stelle die Zustimmung versagen.
Nach Informationen von PRO ASYL
- soll Flüchtlings-, Menschenrechts- und
Wohlfahrtsorganisationen der Zugang zum Verfahren verwehrt werden, wenn sich nach behördlicher Auffassung dadurch des Verfahren verzögern
könnte. Hiervon soll sogar das UN-Hochkommissariart
für Flüchtlinge (UNHCR) ) betroffen sein. Dagegen verpflichtet die
Genfer Flüchtlingskonvention nach Art
35 die Regierungen dazu, in vollem Umfang mit dem UNHCR zu kooperieren;
-
soll die Möglichkeit für Flüchtlinge
Rechtsmittel einzulegen, eingeschränkt werden. Wird ein
Asylantrag auch nach Widerspruch als "offensichtlich unbegründet" eingestuft, soll der Flüchtling das Recht verlieren,
dagegen vor Gericht zu gehen;
-
muß bei einer Abschiebung in einen sogenannten
sicheren Drittstaat nicht mehr feststehen, daß der Asylbewerber dort Zugang zu einem Verfahren hat. Damit droht die von der Genfer Flüchtlingskonvention
untersagte Abschiebung in den Verfolgerstaat.
Zwar sollen diese und weitere Vereinbarungen zunächst
rechtlich nicht bindend sein. Sie bedeuten jedoch eine
weitere Aushöhlung der Genfer Flüchtlingskonvention.
Das Europäische Parlament hat wiederholt
gefordert, daß Europa nicht zur Festung gegen Flüchtlinge ausgebaut werden darf. Die oben genannten Absichten dienen
nach Ansicht von PRO ASYL allein diesem Zweck.
18. Oktober 1994
Nach der Aufhebung des Embargos gegenüber Restjugoslawien wird von
verschiedenen westeuropäischen Ländern die
Massenabschiebung von Deserteuren, Kriegsdienstverweigerern und Angehörigen von Minderheiten, darunter Kosovo-Albanern,
geplant. Dagegen fordern Vertreterinnen und Vertreter von
25 Kriegsdienstverweigerungs- und Flüchtlingshilfeorganisationen aus der Schweiz, Österreich und der Bundesrepublik
Deutschland, Teilnehmende einer Fachtagung,
die am Wochenende in Kassel stattfand, den weiteren aufenthaltsrechtlichen Schutz für diese Personengruppen, weil sich an der
Unterdrückungspolitik gegenüber Minderheiten nichts
geändert hat und Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern die
erneute Rekrutierung droht.
Als gemeinsames
Grundübel in der Flüchtlingspolitik vieler westeuropäischer Staaten wurde von
den Teilnehmenden die inhumane Praxis kritisiert, denjenigen Flüchtlingen, die
trotz einer radikalen Abschottungspolitik westeuropäische Staaten
noch erreicht haben, ungeachtet der Fortdauer der Krise
nur zeitweiligen Schutz zu geben. Im Abschlußdokument
der Tagung heißt es: "Ihr prekärer
ausländerrechtlicher Status setzt die Flüchtlinge vielfältigen Formen
behördlicher Willkür aus. Angesichts ihrer schwierigen psychosozialen Situation
muß dies den Flüchtlingen den Eindruck vermitteln, daß sie im Grunde unerwünscht sind." Den
Betroffenen werde so jede Art von Lebensplanung unmöglich gemacht.
Weiter wird in der
gemeinsamen Abschlußresolution festgestellt, "daß der durch die westeuropäischen Behörden
ausgeübte Zwang, sich durch die Beantragung eines bestimmten Passes ethnisch zu definieren, um überhaupt in den Genuß
einer Aufenthaltsmöglichkeit kommen zu können, den
nationalistischen Irrsinn, dem viele Flüchtlinge sich gerade entziehen wollten, geradezu bestätigt".
Die Teilnehmenden vereinbarten eine engere
Zusammenarbeit und die gemeinsame Unterstützung von
phantasievollen Aktionen, um Abschiebungen zu verhindern und Flüchtlinge zu schützen. Dazu gehören etwa das inzwischen in mehreren hundert Fällen
gewährte Kirchenasyl, die Aktivitäten der
Deserteursorganisationen, im Einzelfall von Rekrutierung bedrohte Menschen aus den Kriegsgebieten herauszuholen und das offensive Bekenntnis
vieler europäischer Städte und Gemeinden, Deserteuren Schutz zu bieten und sie
auch gegen Regierungsweisung nicht abzuschieben.
13. Oktober 1994
Nigerianische Flüchtlinge, die am Frankfurter Flughafen einen
Asylantrag stellen, erhalten keine faire Chance, ihr Anliegen zu Gehör zu
bringen. Anstelle einer vernünftigen Sachverhaltsaufklärung findet fast immer
nur eine schematische Glaubwürdigkeitsprüfung statt. Das ganze Verfahren ist
daraufhin angelegt, nigerianische Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet ablehnen zu
können.
Diese drastischen Vorwürfe erhebt die Flüchtlingsorganisation
PRO ASYL auf der Grundlage einer von ihr in Auftrag gegebenen
Untersuchung zur Befragungs- und Entscheidungspraxis des Bundesamtes bei Flüchtlingen aus Nigeria, die PRO ASYL heute in
Frankfurt vorstellt. Untersucht wurden mehr als 20
Anhörungsprotokolle und Entscheidungen des Bundesamtes. An mehreren Einzelfällen wird die problematische Befragungspraxis der Entscheider näher dargestellt.
"Flüchtlinge aus Nigeria werden behandelt, als kämen sie
aus einem Land, das auf der Liste der sicheren
Herkunftsstaaten steht. Was auch immer sie erzählen, es wird nicht ernst genommen", so kommentiert PRO ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann die
Untersuchung. Immer noch sei es so, daß
die permanenten Verstöße gegen rechtstaatliche Verfahrensgrundsätze von der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichtes Frankfurt regelmäßig
abgesegnet würden.
Mit der tatsächlichen Situation in Nigeria lasse sich nicht erklären, daß die Quote derer, die am Rhein-Main-Flughafen
zur Durchführung eines regulären Asylverfahrens einreisen dürften, im Falle Nigerias nur 13,5 % betrage (zum Vergleich: Einreisequote gesamt 86,5
% im Vergleichszeitraum vom 01.01.94 bis 15.06.94). Denn
extralegale Hinrichtungen, Inhaftierungen von Regimegegnern
ohne Anklage und unfaire Prozesse vor Sondertribunalen gehörten zum Alltag in Nigeria, insbesondere seit der Annullierung der
Wahlen durch die Militärregierung im Jahre 1993.
10. Oktober 1994
Zum
Fall des am 30.08.1994 auf dem Rhein-Main-Flughafen bei seiner Abschiebung Tode gekommenen
Nigerianers Kola Bankole geben die
Ärzteorganisationen
-
IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die
Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.,
-
Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und die
-
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL
folgende
Erklärung ab:
Nach
nunmehr fünf Wochen liegen der Öffentlichkeit immer noch nicht die Ergebnisse des endgültigen Obduktionsberichtes vor. Mit ihrer selektiven
und unverständlichen Informationspolitik hat es die Frankfurter
Staatsanwaltschaft selbst zu verantworten, daß das Mißtrauen gegenüber ihrer Ermittlungstätigkeit wächst.
Es
ist nicht nachvollziehbar, wieso die Staatsanwaltschaft zwei Tage nach dem Tod des Herrn Bankole und am Ende einer
unverständlichen Nachrichtensperre mit der Begründung,
es gelte "unterschiedlichen Gerüchten entgegenzutreten", lediglich
einen Teilbefund vom Zustand des Herzens
veröffentlicht und dann schweigt - bis zur Veröffentlichung des
offenen Briefes von Frankfurter Ärzten an die Kollegen der Flughafenklinik, in dem "als Todesursache ein
Ersticken durch Knebelung" für möglich gehalten wird. Plötzlich sieht sich die Staatsanwaltschaft in der Lage,
das bis dahin unbekannte Faktum bekanntzugeben, daß bei der
Abschiebung dem Flüchtling ein sogenannter Beißschutz angelegt worden war.
Auch in dieser Presseerklärung
der Staatsanwaltschaft vom 5. Oktober 1994 bleibt unerwähnt, inwieweit und von wem Bankoles Atmung
und Herzschlag nach der Beruhigungsmittelverabreichung gegen
14.00 Uhr bis zur Alarmierung des Notarztes gegen 14.20 Uhr überwacht wurden.
Erklärungsbedürftig bleibt, warum dieser dann um 14.25 Uhr
"nur noch den Tod feststellen" konnte und keine
Wiederbelebungsversuche über eine halbe Stunde hinweg fortführte oder begann,
falls der begleitende Arzt diese bis zum Eintreffen des
Notarztes versäumt hatte.
Die unterzeichnenden
Organisationen fordern die Staatsanwaltschaft Frankfurt auf, nunmehr unverzüglich ein endgültiges Obduktionsergebnis vorzulegen. Sie
stellen der Staatsanwaltschaft im folgenden 18 Fragen, die sich entweder auf
der Basis des ersten Obduktionsberichtes, der durch die Staatsanwaltschaft zu veranlassenden
Sicherstellungen oder erster Vernehmungen, die bereits
erfolgt sein müßten, beantworten lassen.
- Frage 5: Falls ja, warum äußerte sich die
Staatsanwaltschaft Frankfurt zwar kurz nach Bekanntwerden des Todesfalles
zum Herzbefund, der ein überkritisches Herzgewicht
ergeben und einen natürlichen Tod nahegelegt
haben soll "um unterschiedlichen Gerüchten
entgegenzutreten", nicht aber zu der Frage, welche Medikamente in welcher Dosierung verwendet worden
sind?
- Frage 6: Warum wird erstmals nach fünf Wochen und nur aufgrund des
Anstosses durch den offenen Brief der
Ärzteorganisationen die Verwendung eines sogenannten
"Beißschutzes" zugegeben, ohne daß auf
Nachfrage von Journalisten weitere Angaben zu dessen Aussehen und Funktion
gemacht werden? Ist dieser "Beißschutz" von der
Staatsanwaltschaft sichergestellt worden?
-
- Frage 7: Kann durch einen solchen "Beißschutz" die
Atmung beeinträchtigt werden?
Frage 8: Hat der
vorläufige Obduktionsbefund ggf. Hinweise auf Verstopfung der Luftröhre oder
andere Ursachen einer Erstickung gegeben? Sind erstickungstypische
petechiale Blutungen festgestellt worden?
- Frage 9: Sind über den
"Beißschutz" hinaus weitere Maßnahmen zur Anwendung gekommen, um
möglicherweise ein lautes Schreien zu verhindern, wie etwa Knebel oder Mundpflaster? Ist ein Gummikeil zur
Vermeidung von Zungenbissen verwendet worden?
- Frage 10: Sind die Arztkoffer durch die
Staatsanwaltschaft sichergestellt worden?
- Frage 11: Hatten der begleitende Arzt und der hinzugerufene Notarzt die für die Beatmung und Notfallbehandlung akuter
Herz-Kreislaufstörungen notwendigen
Gerätschaften (Beatmungsbeutel mit Atemmaske oder
Intubationsbesteck und Guedeltubus, EKG und Defibrillator)? Hatte der begleitende Arzt Herrn Bankole von 14.00 Uhr bis zur Todesfeststellung in ständiger Beobachtung?
- Frage 12: Haben Beatmungs- oder
Reanimationsversuche stattgefunden? Von wann bis wann? Wann
trat Bewußtlosigkeit ein, wann Herz- und
Atemstillstand, wie war der EKG-Befund?
- Frage 13: Haben die Ermittlungen bislang Ergebnisse gebracht,
die geeignet sind zu beurteilen, ob durch
die kombinierte Anwendung einer Betäubungsspritze und eines technischen Hilfsmittels, zumindest aber
eines sogenannten "Beißschutzes", zusätzliche Risiken entstanden sind, die bei
der jeweils einzelnen Verwendung
eines dieser Mittel nicht entstanden wären?
- Frage 14: Für den Fall, daß keine Anhaltspunkte
für eine Einengung der Atemwege durch Außeneinwirkung
festgestellt werden konnten: Wurde ein Guedeltubus zum Freihalten der Luftwege während des
Abschiebungsvollzuges und der Betäubungsmedikation eingeführt, um bei einem
eventuellen Eintreten von Bewußtlosigkeit
ein Ersticken zu vermeiden oder sofort beatmen zu können?
-
Frage 15: Wenn nein: Wäre eine solche übliche
Vorsichtsmaßnahme bei Anlegen des sogenannten
"Beißschutzes" überhaupt möglich gewesen?
-
Frage 16: Liegen, ggf. als Ergebnis der ersten Obduktion,
ärztliche Erkenntnisse vor, die geeignet
sein könnten, Behauptungen von Zeugen, Herr B. sei bei einem wenige Tage zurückliegenden vorherigen
Abschiebeversuch schwer geschlagen
worden, zu bestätigen oder zu widerlegen (z.B. Feststellung alter Blutergüsse)?
- Frage 17: Gibt der vorläufige Obduktionsbefund Aufschlüsse
über ggf. vorliegende frische Blutergüsse?
- Frage 18: Liegen der Staatsanwaltschaft schriftliche
Arztberichte des Begleitarztes und des Notarztes
vor? In welchem Zeitablauf wurden Beatmung, Herzmassage oder Defibrillation durchgeführt?
Nach Auffassung der unterzeichnenden Organisationen kann die
Staatsanwaltschaft Frankfurt für ihre restriktive und
selektive Informationspolitik nicht mehr das Argument in Anspruch nehmen, sie handele im Interesse des Opfers und werde weitere Ermittlungen nicht
gefährden. Sie hat selbst Teilbefunde veröffentlicht, die geeignet sein könnten, eine bestimmte Version des Ablaufes
der Ereignisse nahezulegen. Der Frankfurter
Staatsanwaltschaft muß daran gelegen sein, den
Skandal der gewaltsamen Abschiebung
nicht vollends zu einem Skandal der Ermittlungsbehörden werden zu lassen.
gez. Prof. Dr. Ulrich Gottstein
Vorstand der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.
gez. Claus Metz
IPPNW, Regionalgruppe
Frankfurt/Main
gez. Dr. Winfried
Beck
Vorsitzender des
Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte
gez. Heiko Kauffmann
Sprecher der Bundesweiten
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL
10. Oktober 1994
Einhunderttausend Menschen haben den Aufruf "Nein zu
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus" unterzeichnet. Zahlreiche prominente
Persönlichkeiten wie zum Beispiel der verstorbene Vorsitzende
des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Heinz-Werner Meyer, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, der
Präsident des Deutschen Fußballbundes, Egidius Braun
und die Hamburger Bischöfin, Maria Jepsen haben diesen Aufruf
unterzeichnet. Sie appellieren an die Bürgerinnen und Bürger:
"Machen Sie von
Ihrem Wahlrecht Gebrauch! Geben Sie Ihre Stimme keinen Politikern und keiner politischen Partei, die mit Angst vor Fremden Stimmen zu gewinnen
versuchen."
Die
Unterschriftenaktion fand vor allem bei Veranstaltungen zur Woche der
ausländischen Mitbürger eine breite Unterstützung. Für
die Initiatoren, die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, die Abteilung ausländische Arbeitnehmer des Bundesvorstandes des Deutschen
Gewerkschaftsbundes und den Interkulturellen Beauftragten der Evangelischen
Kirche in Hessen und Nassau, wies Jürgen Micksch darauf hin:
Erfreulich sei, daß die "Angst vor Überfremdung" nicht - wie von der CDU/CSU angekündigt - das beherrschende Thema des Wahlkampfes wurde. Tausende
haben sich mit ihrer Unterschrift, durch Veranstaltungen und
Gespräche mit Politikern aktiv gegen Fremdenfeindlichkeit und
Rassismus eingesetzt. Zusammen mit dem Engagement zahlreicher Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hatte dies seine politische Wirkung:
Rechtsextreme Parteien haben bei den Wahlen zum
Bundestag keine Chance. Allerdings war das Engagement des
alten Bundestages zur Überwindung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus unzureichend. Es komme nun darauf an, daß der
künftige Bundestag ein umfangreiches Aktionsprogramm gegen
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus verabschiede und damit das Engagement der Bürgerinnen und Bürger unterstütze.
Von den 662 Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben 116 den Aufruf
"Nein zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus"
unterzeichnet. Die Mehrzahl der Abgeordneten kommt von der SPD (88 von 239).
Von den 319 Abgeordneten der CDU/CSU haben 6, darunter die Bundestagespräsidentin, Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth und Dr. Heiner Geißler, den Aufruf unterzeichnet. Von den 8
Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen haben 3, von den 17 der PDS 4, von den 79 Abgeordneten der FDP 7 den Aufruf unterschrieben.
5. Oktober 1994
"Der neue Hessische Innenminister Bökel
hat in seiner kurzen Amtszeit viel Mut bewiesen, heiße Eisen anzupacken",
so bewertet Heiko Kauffmann, Sprecher - der bundesweiten
Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, den hessischen Vorstoß der Asylaltfallregelung im
Bundesrat. Erfreulich sei insbesondere, daß
Innenminister Gerhard Bökel
bei seinem Regelungsvorschlag nicht nur an eine schematische Altfallregelung
für Personen mit extrem langem Aufenthalt gedacht habe, sondern sich dafür einsetze,
daß Asylbewerber aus Ländern mit hohen
Anerkennungsquoten sowie türkische Kurden und Tamilen aus
Sri Lanka unter bestimmten Voraussetzungen ein dauerhaftes
Aufenthaltsrecht erhalten könnten. Hierdurch könnte für
einen Teil dieser Personengruppen die Gefahr der Abschiebung in Folter und Bürgerkrieg vermieden werden.
Gleichzeitig mahnt PRO ASYL den Erlaß
bundesweiter Abschiebestopps nach § 54 Ausländergesetz an.
Die nächste Innenministerkonferenz im November dürfe sich nicht erneut auf mangelnde Einstimmigkeit zurückziehen. Es müßten dort Abschiebestopps für
Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten zustande kommen. Darunter fallen insbesondere Kurden aus der Türkei, Albaner aus dem Kosovo,
Angolaner, Sudanesen, Togolesen sowie Flüchtlinge aus Afghanistan,
Liberia und Zaire.
"Eine Altfallregelung darf nicht mit Abschiebestoppregelungen
verrechnet werden", erklärt PRO ASYL - Sprecher Kauffmann.
Während eine Altfallregelung zu großen Teilen den Interessen
der Bundesrepublik entgegenkomme, nämlich die Verwaltungsgerichte
zu entlasten, gehe es bei dem Erlaß von
Abschieberegelungen unmittelbar um die Verwirklichung
von Menschenrechten.
30. September 1994
"Gewissen läßt sich nicht einfach abschieben." Unter diesem
Motto finden am heutigen bundesweiten Tag des Flüchtlings mehr als 400
Veranstaltungen statt. Kirchenasyl und die immer rigorosere Abschiebungs- und
Zurückweisungspolitik stehen im Zentrum vieler Veranstaltungen. PRO ASYL dankt
den Tausenden von
Menschen, die sich in
diesen Tagen für Flüchtlinge engagieren, bei Begegnungsveranstaltungen
teilnehmen und sich für bessere Rechte von Flüchtlingen einsetzen.
Dieses Engagement in
breiten Teilen der Bevölkerung läßt bisher den Bundesgrenzschutz und den Bundesinnenminister kalt. Skrupellos schob der
Bundesgrenzschutz mit Billigung des Bundesinnenministeriums gestern drei kurdische Kinder zurück. Sie waren unbegleitet auf dem Flughafen Rhein-Main
angekommen. Ihr Vater hat in Deutschland bereits einen Asylantrag gestellt und
hält sich in Bremen auf. Der Vater der Kinder hat einen Rechtsanwalt
beauftragt, den Kindern die Einreise zu erstreiten.
PRO ASYL wird sich sowohl an den Rechtsanwaltskosten als auch an den etwaigen
Flugkosten, um die Kinder erneut nach Deutschland fliegen zu lassen, finanziell
beteiligen.
PRO ASYL sind bisher
mindestens acht ähnliche Fälle aus den letzten Wochen bekannt. PRO ASYL wirft
dem Bundesinnenminister vor, wissentlich das Haager
Minderjährigenschutzabkommen zu verletzen und sich aus dem internationalen
Recht auszuklinken. Den Bundesinnenminister fordert PRO ASYL auf, zu Recht und
Gesetz zurückzukehren. Es sei ein Skandal ersten Ranges, daß
Bundesinnenminister Dr. Kanther den Gesetzesbruch seines Bundesgrenzschutzes
dulde, erklärte Volker Maria Hügel, stellvertretender Sprecher von PRO ASYL.
29. September 1994
Die Novellierung des Asylrechts fordert PRO ASYL vom künftigen
Bundestag und der neuen Bundesregierung. Hierzu hat PRO ASYL
Vorschläge erarbeitet, die zum Tag des Flüchtlings am 30. September 1994 rund 12.000 Initiativgruppen und Mitgliedern des
Fördervereins PRO ASYL e. V. zugesandt wurden.
Die Hauptforderung ist, daß die Bundesrepublik
Deutschland wieder das internationale Flüchtlingsrecht
uneingeschränkt anwendet. Dem widerspricht es, wenn Grenzschützer Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen, ohne daß
sie Gelegenheit hatten, ihre Asylgründe vorzutragen und zu
begründen, warum sie in dem angeblich sicheren Drittstaat nicht sicher sind.
PRO ASYL fordert, die Drittstaatenregelung außer Kraft zu setzen. Die Mindeststandards
der Genfer Flüchtlingskonvention müssen auch in Deutschland
Anwendung finden:
Dem Ausländer/der Ausländerin ist die Einreise aus einem
Drittstaat zu gestatten,
-
wenn begründete Zweifel bestehen, daß der
Flüchtling im Drittstaat Zugang zu einem an den Mindestgarantien der
Genfer Flüchtlingskonvention gemessenen Asylverfahren hat oder
-
wenn sich ein Mitglied der Kernfamilie bereits mit einem Aufenthaltsstatus
oder geduldet in der Bundesrepublik aufhält.
-
Vor einer Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in einen sicheren
Drittstaat hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge unabhängig von der Frage der politischen Verfolgung
zunächst zu prüfen, ob dem Ausländer/der Ausländerin außerhalb der
Bundesrepublik Menschenrechtsverletzungen drohen.
Diesen Forderungen widerspricht übrigens
nicht, daß der Bundestag mit 2/3-Mehrheit das Grundgesetz geändert hat. Denn durch eine einfachgesetzliche Regelung kann
dem einzelnen eine großzügigere Rechtsposition
eingeräumt werden, als grundsetzlich festgelegt.
Einleuchtendes Beispiel: Die Versammlungsfreiheit ist in Artikel 8 a GG als
Deutschenrecht ausgestaltet: Nur die Deutschen dürfen
sich unter freiem Himmel versammeln. Durch das Versammlungsgesetz
wird dieses Recht dagegen jedermann eingeräumt.
PRO ASYL fordert des
weiteren:
Hinweis: Ein ausführliches Thesenpapier mit Mindestforderungen an ein neues
Asylrecht senden wir auf Wunsch gerne zu.
23. September 1994
Gegen den Anfang
September aus dem Gebäude C 183 im Transitbereich des Frankfurter Flughafens entkommenen nigerianischen Asylsuchenden Wale B.
wird keine Abschiebehaft verhängt. Das ist das Ergebnis
einer Anhörung im Rahmen des Freiheitsentziehungsgesetzes, die
am Mittwoch unmittelbar am Krankenbett des Betroffenen stattfand. Der Beschluß des Amtsgerichtes Frankfurt/Main wurde erst heute im Wortlaut bekannt. Die Anordnung der Sicherungshaft gegen den schwerverletzt in einer Frankfurter
Unfallklinik liegenden Flüchtling sei nicht verhältnismäßig. Es
bestehe Suizidgefahr.
Der BGS hatte
beantragt, den Betroffenen zur Sicherung seiner Zurückschiebung für drei Monate in Haft zu nehmen. Dies hätte möglicherweise auch den Transfer
in ein Krankenhaus des Justizvollzuges bedeutet.
Der BGS hatte vertreten, daß er in einem 30
km-Radius um den Flughafen Frankfurt herum gemäß § 2
Bundesgrenzschutzgesetz für die Beseitigung von Störungen und die Abwehr von Gefahren zuständig sei. Dies bedeutet, daß
Menschen, die nach Auffassung des BGS als noch nicht eingereist gelten, im
Krankheitsfall bis in die Kliniken hinein zu bewachen wären. Der Beschluss des
Amtsgerichtes Frankfurt/Main setzt sich mit diesem Rechts- und
Selbstverständnis des BGS allerdings nicht auseinander.
"Wir sind
erleichtert, daß ein schwerverletzter
Mensch nicht noch zusätzlich in Haft genommen wird", so der Kommentar des
PRO ASYL - Sprechers Heiko Kauffmann. Es sei
jedoch eine schreckliche Vorstellung, daß sich
Klinikchefs und Ärzte im Einzugsbereich internationaler Flughäfen auf die
Anwesenheit von BGS-Beamten an Flüchtlingskrankenbetten einzustellen hätten,
wenn sich die Rechtsauffassung des BGS
durchsetze.
Gleichzeitig macht PRO
ASYL darauf aufmerksam, daß dies keineswegs der erste
Versuch des BGS gewesen sei, die deutsche Außengrenze an ein
Krankenbett im Hinterland zu verlegen. Bereits im
Oktober 1993 war die somalische Asylsuchende Khadija Awale vom
Frankfurter Flughafen in die Uniklinik Frankfurt gebracht und dort rund um die
Uhr von BGS-Beamten bewacht worden.
"Out of Area-Einsätze des Grenzschutzes" nennt dies Kauffmann. "Der zunehmenden Militarisierung bei der Überwachung der deutschen Außengrenzen folgt nun konsequenterweise die Militarisierung des Hinterlandes durch die Omnipräsenz des BGS."
20. September 1994
Abscheu und Entsetzen
äußerten die PRO ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann und Volker Maria Hügel in einer Stellungnahme zum Mord- und Brandanschlag in Herford.
"Solange sich
Rechtsradikale und Rassisten durch eine unbarmherzige Asylpolitik bestätigt
sehen könnten, wird es keine Sicherheit für hier lebende Flüchtlinge und Migrantenfamilien geben. Wir brauchen keine
Lippenbekenntnisse und ritualisierten Entsetzensbekundungen wie nach Hünxe,
Mölln, Rostock und Solingen", so Kauffmann und Hügel. Die Barbarei des
Rassismus lasse sich nur stoppen durch ein aktives und unzweideutiges Engagement für Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte sowie gegen jede Form eines völkischen Nationalismus.
Am 30. September 1994 findet bundesweit
unter dem Motto "Gewissen läßt sich nicht einfach abschieben" der Tag des Flüchtlings statt. PRO ASYL ruft
alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, Flüchtlingen ihre Solidarität zu
bekunden. "Jetzt müssen Tausende auf die Straße gehen. Laßt
Flüchtlinge in ihrer Angst, daß sie die nächsten
sind, nicht allein", fordern Heiko Kauffmann und Volker Maria Hügel.
20. September 1994
Über die kontinuierliche Verschlechterung der Situation von
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen seit der
Asylrechtsänderung 1993 ist PRO ASYL tief besorgt. Wie der Sprecher von PRO ASYL, Heiko Kauffmann, erklärte, ist der Erlaß
des Bundesministeriums des Innern (BMI), das im
novellierten Asylrecht vorgesehene beschleunigte Flughafenverfahren künftig auch konsequent auf Minderjährige anzuwenden,
"Ausdruck einer institutionellen Kinderfeindlichkeit". Der Erlaß verstoße gegen die Kinderkonvention der Vereinten
Nationen. Diese verpflichte auch die
Bundesrepublik Deutschland dazu, minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen die Einreise und den Aufenthalt zu gewähren.
Das Flughafenverfahren sieht besondere Schutzmaßnahmen, die
dem Kindeswohl Rechnung tragen, etwa die Einschaltung von Jugendbehörden oder
Betreuungsorganisationen, nicht vor.
Statt ihrer Verpflichtung
nachzukommen, die innerstaatlichen Gesetze mit den Bestimmungen der UN-Konvention in Einklang zu bringen, nirrlmt
die Bundesrepublik die Mißachtung geltenden nationalen und internationalen Rechts in Kauf.
PRO ASYL fordert den klaren und eindeutigen Handlungsauftrag
vom Gesetzgeber ein, den völkerrechtlichen
Geboten zum Minderjährigenschutz endlich gerecht zu werden.
Als Leitlinien nennt PRO ASYL.
- Kindeswohl und Jugendwohl geht vor Ausländer- und Asylrecht;
- Gleichstellung
von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ih
kinder- und jugendrechtlicher Hinsicht;
- keine
Anwendung der Drittstaaten- und Flughafenregelung für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge;
-
Aufenthalts- und Bleiberecht für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, auch außerhalb des Asylverfahrens (nach
§ 32 AusIG); insbesondere die Erteilung einer
Aufenthaltsbefugnis für die Zeit des Clearingverfahrens
(6 Monate);
- eine großzügige Altfallregelung für die bereits in der Bundesrepublik
lebenden Kinder und
- Jugendlichen, die bis zum Stichtag, 30. Juni 1993, in die BRD
eingereist sind;
- absolutes Verbot der Inhaftierung von Minderjährigen zur
Sicherung der Abschiebung (nach § 57 Abs. 2 AuslG).
PRO ASYL unterstützt die hessische Ministerin, Iris Blaul, in ihrem
Anliegen, minderjährige Flüchtlinge weiterhin aus dem
Flughafenverfahren herauszuhalten. PRO ASYL fordert die Bundesländer auf, bis
zu einer gemeinsamen Umsetzung der UN-Konvention von der Abschiebung
unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge abzusehen.
2. September 1994
PRO ASYL fordert die rückhaltlose Aufklärung
der Todesumstände, des in Folge einer medizinischen Zwangsbehandlung am 1. 9. auf dem Rollfeld des Frankfurter Rhein-Main Flughafen verstorbenen nigerianischen
Flüchtlings, dessen Namen wir nicht kennen. Die Fesselung, die
zwangsweise Ruhigstellung und das
rigorose und gnadenlose Vorgehen
gegen Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen und sich nichts haben zu schulden kommen lassen, wirft ein grelles
Licht auf die organisierte Unmenschlichkeit der deutschen Abschiebepraxis,
PRO ASYL fordert die sofortige Beendigung der inhumanen Abschiebehaft und Abschiebepraxis.
1. September 1994
Anläßlich des 55. Jahrestages der Entfesselung des 2. Weltkrieges durch
Hitler-Deutschland ruft die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO
ASYL Bevölkerung und Politik auf, sich verstärkt für
Flüchtlinge und Minderheiten einzusetzen.
Wie PRO ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann am 1. September 1994
in Frankfurt erklärte, sei die Erinnerung und
das Gedenken an die Opfer dieses Krieges die wichtigste Mahnung und Verpflichtung für die Gegenwart. Es gelte, dem schleichenden
Gift des Rassismus, des Antisemitismus und des
Nationalismus in jeder Form energischer und entschiedener zu widerstehen.
Mit über 50 Millionen Toten,
Millionen von Verwundeten, der Verfolgung, Unterdrückung und Vernichtung anderer Völker, Kulturen, religiöser, ethnischer und
politischer Minderheiten und in seiner Folge der
millionenfachen Flucht von entwurzelten und vertriebenen Menschen war der 2. Weltkrieg der mörderischste Krieg in der Geschichte der Menschheit.
Wer
Demokratie heute nur für deutsche Bürgerinnen und Bürger fordere, mit dem
Schreckgespenst der "Überfremdung" in den Wahlkampf ziehe und
Deutschland oder Europa vor Flüchtlingen - die
Zuflucht vor Krieg, Terror, Unterdrückung, Hunger und Chaos suchten - abschotte, habe die Lehren der deutschen Vergangenheit nicht
begriffen oder biedere sich bewußt beim
rechtsextremen Wählerpotential an.
Die
Wurzeln des Rassismus - so Heiko Kauffmann weiter - ließen sich nur durch soziale und wirtschaftliche Reformen, durch Lebensperspektiven für alle
Menschen, durch den Ausbau und die
Erweiterung von Demokratie und Bürgerbeteiligung und durch eine klare Friedenspolitik beseitigen. Nicht völkisches Gedankengut oder
Großmachtträume dürften in den Mittelpunkt des Handelns gestellt werden,
sondern die Würde jedes Menschen und die Verwirklichung seiner Grund- und
Menschenrechte.
Dies
gelte es heute, gerade 1994, für Flüchtlinge, Einwanderer/innen und
Minderheiten zu bewahren und zu
erkämpfen! PRO ASYL ruft die Bundesbürgerinnen und -bürger zur Beteiligung auf an der Woche der ausländischen
Mitbürger/Interkulturellen Woche vom 25. September bis 1. Oktober 1994 unter
dem Motto "Frieden gestalten - Ja zu
einem Miteinander ohne Gewalt" und
zum Tag des Flüchtlings am 30. September 1994, der unter dem Leitmotiv steht
"Gewissen läßt sich nicht einfach
abschieben!"
31. August 1994
Pro Asyl: Einheitlicher Standard für Flüchtlinge in Europa nötig
Frankfurt/Main (dpa) - Eine einheitliche Behandlung von Flüchtlingen in ganz Europa hat die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl gefordert. "Wir möchten mit dazu beitragen, daß in Europa ein einheitlicher Standard auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gleichmäßig auf alle Flüchtlinge angewendet wird", sagte Pro-Asyl-Sprecher Herbert Leuninger der dpa in Frankfurt. Der 62jährige gibt sein Amt nach acht Jahren Sprechertätigkeit auf, um an diesem Donnerstag (1. September) die neue Aufgabe des Europa-Referenten von Pro Asyl zu übernehmen.
Als Europa-Referent wolle er sich nicht nur um die Asylproblematik innerhalb der Europäischen Union kümmern, kündigte Leuninger an. Vor allem mit den jungen osteuropäischen Demokratien und den dortigen Flüchtlingsinitiativen solle der Kontakt ausgebaut werden.
Als "schweren Rückschlag" für die Arbeit der Asyl-Initiativen in Deutschland bezeichnete Leuninger das Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes am 1. Juli 1993. "Ich habe das persönlich als eine politische Katastrophe empfunden." Der Pro-Asyl-Sprecher lobte in diesem Zusammenhang die verschiedenen Hilfsorganisationen in Deutschland: "Trotz dieses Schocks haben sie die Arbeit sehr schnell und engagiert wieder aufgenommen." Er fürchte jedoch, daß mit dem neuen Gesetz "das Ende der Entwicklung noch nicht erreicht" sei.
Auch wenn das Asylgesetz kaum wieder rückgängig gemacht werden könne, strebe Pro Asyl seine Novellierung an, sagte Leuninger. Statt der Sachleistungen solle es wieder "normale Leistungen für alle Flüchtlinge" geben. Außerdem sollten Abschiebstopps für bestimmte Gruppen "realistischer gehandhabt", die Fristen für Einsprüche verlängert und die Anhörung neu ankommender Flüchtlinge verbessert werden. Leuninger kritisierte auch die häufig monatelange Abschiebehaft abgelehnter Bewerber: "Das kann so nicht sein."
In den acht Jahren seiner Sprecher-Tätigkeit habe Pro Asyl "als Gruppierung, die gegen den Strom
zu schwimmen hatte, eine gute Akzeptanz", meinte Leuninger. "Wenn wir die nicht gehabt hätten,
sähe es in Sachen Asyl heute wohl noch schlechter aus, als es sich ohnehin aus unserer Sicht
darstellt." Leuningers Funktion als Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft übernehmen
bis zum Jahreswechsel kommissarisch der Pro-Asyl-Mitgründer
Heiko Kauffmann (Düsseldorf) und
Volker M. Hügel vom Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen (Münster).
25. August 1994
Herbert
Leuninger, seit 8.9. 1986 Sprecher der
Arbeitsgemeinschaft PRO ASYLübernimmt
zum 1.September die neue Aufgabe eines Europa-Referenten der Organisation.
Bis zur endgültigen Regelung seiner Nachfolge werden als kommissarische
Sprecher die beiden Mitglieder der Sprecher-Gruppe tätig:
Heiko Kauffmann
Tel.: 02132-76123 Fax: 02132-76123 und
Volker M. Hügel.
Tel.: 0251-511184 Fax: 0251-46206
Leuninger wird sich für die europäische Vernetzung in der
Asyl-Arbeit und eine stärkere Zusammenarbeit mit europäischen Einrichtungen
einsetzen.
16.
August
1994
Osteuropa ist zum Hinterhof der deutschen Asylpolitik
geworfen. Dies erklärte die Arbeitsgemeinschaft für
Flüchtlinge PRO ASYL zu dem von
Bundesinnenminister Manfred Kanther vorgelegten BGS-Bericht.
Die Flucht unzähliger Menschen aus den Kriegs- und
Krisengebieten der Welt nach Westeuropa oder
Skandinavien scheitere immer häufiger an den Grenzen. Die Grenzsicherungen würden auch ohne Todesstreifen und
Schießbefehle fast unüberwindlich. Eine reguläre Einreise sei für Flüchtlinge rechtlich ausgeschlossen. Dies führe dazu, daß sich mittlerweile hunderttausende
Flüchtlinge in den Ländern Osteuropas ohne ausreichende Versorgung und Asylschutz aufhielten. So gesehen hat die Bundesrepublik nicht zur
Lösung sondern zur Verschärfung des Flüchtlingsproblems
beigetragen.
16. August 1994
Ausländer
in Abschiebehaft haben grundsätzlich einen Anspruch auf Geld- und
Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das entschied - wie jetzt bekannt wurde - die achte Kammer des Verwaltungsgerichts
Berlin (AZ VG 8 A 285,94). In dem Beschluss wurde das Land Berlin verpflichtet,
einem Abschiebehäftling während der Abschiebehaft ein monatliches Taschengeld
in Höhe von 80,-- DM zu gewähren.
Das Gericht betrachtet es als
einen wesentlichen Nachteil, wenn ein Ausländer in Abschiebehaft für länger als
eine Woche auf die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse des täglichen
Lebens verzichten muss. Hierfür sieht das Gesetz ein Taschengeld vor. Die Richter orientieren sich an dem Grundziel des Bundessozialhilfegesetzes, wonach
jedem Menschen die Führung eines Lebens ermöglicht werden soll,
das der Würde des Menschen entspricht.
Da der Polizeipräsident von Berlin jedenfalls zur Zeit keine
Leistungen erbringe, die die persönlichen Bedürfnisse des
täglichen Lebens abdeckten, sei der volle vom Gesetz vorgesehene Betrag von 80,- DM zu gewähren.
PRO ASYL sieht sich in
seiner Forderung bestätigt, daß in Abschiebehaft
genommene Flüchtlinge einen Anspruch auf finanzielle Mittel
haben, um Kontakte mit der Außenwelt, mit Anwälten, .Angehörigen
und Initiativen aufnehmen zu können, daß sie aber auch die Möglichkeit haben müssen, ein paar
Zigaretten, Briefmarken oder Zeitungen zu kaufen.
PRO ASYL bedauert es, daß die Behörden durch die Gerichte gezwungen werden müssen, rechtsstaatlich zu handeln. Die Organisation erwartet, daß der unanfechtbare Berliner Beschluß zu entsprechenden Konsequenzen in allen anderen Bundesländern führt. Dies könnte auch zu einer gewissen Entspannung in den Abschiebehaftanstalten führen, in denen abgelehnte Asylbewerber gegen eine nmenschliche Behandlung protestiert
haben.
3. August 1994
Als Mißachtung von Kindeswohl und
UN-Kinderkonvention betrachtet PRO ASYL die Kritik von
Bundesinnenminister Manfred Kanther am hessischen Abschiebestopp für elternlose Flüchtlingskinder.
Mit der Ratifizierung der Kinder
Konvention im Jahre 1992 ist die Bundesrepublik trotz eines Vorbehalts verpflichtet
"geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt oder nach Maßgabe der
anzuwendenden Regeln und Verfahren des Völkerrechts oder des
innerstaatlichen Rechts als Flüchtling angesehen wird, angemessenen Schutz
und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung der Rechte erhält, die in diesem Übereinkommen
oder in anderen internationalen Übereinkünften ... festgelegt sind" (Artikel 22).
Des weiteren verpflichtet das Übereinkommen die
Vertragsstaaten dazu, den Kindern, deren Eltern oder
sonstige Familienangehörige nicht ausfindig gemacht werden können, denselben
Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem Grund dauernd oder vorübergehend aus seiner familiären Umgebung
herausgelöst wird.
Auch nach innerdeutschem Recht geht das Wohl eines Kindes
allen ordnungs- oder ausländerpolitischen Überlegungen vor.
Deswegen ist es absurd, daß Kanther seinem hessischen Kollegen Gerhard Bökel den Bruch des
Asylkompromisses vorhält, während er die Mißachtung geltenden nationalen und
internationalen Rechts in Kauf nimmt. Eine Abschiebung, die das Wohl des Kindes nicht berücksichtigt, ist rechtswidrig.
Angesichts des Flüchtlingselends von Bosnien bis
Ruanda, das vor allem Kinder betrifft, betrachtet PRO ASYL Kanthers Sorge um vermehrte Fluchthilfe bei
einem Abschiebeschutz für Kinder als abwegig.
PRO ASYL begrüßt die hessische Entscheidung, daß
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
nicht mehr abgeschoben werden, wenn ihre Betreuung im Heimatland nicht gesichert ist. Diese Entscheidung sollte auch für ältere Jugendliche gelten, die
als Minderjährige eingereist sind und
keine vertretbare Rückkehrchance
haben.
20. Juli 1994
PRO ASYL, die bundesweite
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, ruft dazu auf, aus dem 20. Juli 1944 Lehren für die Gegenwart zu ziehen. "Wer
den Widerstand gegen Terror und Gewalt
nur als historisch betrachte, betreibe eine Vergangenheitsbewältigung des
Verdrängens und Vergessens", erklärte Heiko Kauffmann, stellvertretender
Sprecher von PRO ASYL. Das Vermächtnis des 20.
Juli und die Lehren für die Gegenwart bestehe im unerschrockenen Eintreten für Menschenrechte und politisch Verfolgte, in
Zivilcourage und aufrechtem Gang gegen Machtmissbrauch und Willkür.
PRO
ASYL fordert, die Verweigerung der Teilnahme an einem international
verurteilten Krieg als Asylgrund anzusehen, wie
es die parlamentarische Versammlung des Europarates am 10. Juni gefordert hat.
Gerade in Deserteure und Wehrdienstverweigerer müsse man die Hoffnung für einen künftigen Frieden setzen. Immer noch werde
es von Politik und Rechtsprechung zur
innerstaatlichen Angelegenheit auch verbrecherischer Regime erklärt, wenn diese
Menschen gegen ihr Gewissen zum Kriegsdienst heranzögen und -
'>im Falle Restjugoslawiens - in
völkerrechtswidrigen Kriegen einsetzten.
PRO ASYL unterstützt den
Münchner Oberbürgermeister Dr. Christian Ude in seiner Weigerung, trotz Anweisung durch die bayerische
Staatsregierung Deserteure und Kriegsdienstverweigerer in das ehemalige
Jugoslawien abzuschieben.
"Desertion und
Kriegsdienstverweigerung sind damals wie heute ebenso legitime Mittel des
Widerstandes gegen verbrecherische Regime wie der Tyrannenmord", so PRO ASYLSprecher Heiko Kauffmann. "Sie verdienen den
Schutz unseres Asylrechts."
11. Juli 1994
Die Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL verurteilt
entschieden den Vergleich, den NRW Landespolizeipfarrer Martin Krolzig in der jüngsten Ausgabe der Polizeigewerkschaftszeitung Deutsche Polizei (7/94) gezogen hat. Krolzig setzt den kirchlichen Schutz eines zum Tode verurteilten Nazi-Kollaborateurs mit dem Kirchenasyl gleich. In
beiden Fällen stelle sich die Kirche gegen das Gesetz.
"Und genau da irrt Krolzig,
denn die Grund- und Menschenrechte bilden die Grenze für staatliche Rechtsanwendung, nicht die möglicherweise strittige Auslegung
einfacher Gesetze", so PRO ASYL in einer ersten
Stellungnahme. Es ist falsch zu sagen, es handele sich hierbei um zweierlei Recht - hier die Asyl- und Ausländergesetze und dort die Kirchen, die gegen die aus
diesen Gesetzen resultierenden Zwangsmaßnahmen Kirchenasyl gewähren; vielmehr geht es darum, nach vorangegangener sorgfältiger
Prüfung, den Grund- und Menschenrechten Geltung zu verschaffen, wenn
durch die befürchteten Abschiebungen eben diese Grund- und
Menschenrechte verletzt zu werden drohen. Hier muß die Kirche sich auf die Seite der
Bedrängten stellen.
"Kirchenasyl ist angesichts der
rigorosen Abschiebungspolitik in der Bundesrepublik eine der wenigen
rechtstaatlichen "Notbremsen". Beim Schutz von Verfolgten vor
Abschiebung handelt es sich nicht darum, Verbrecher ihrer Strafverfolgung zu
entziehen, sondern es geht um Menschen, deren einziges "Verbrechen"
darin besteht, kein Asyl oder keinen Abschiebungsschutz
erhalten zu haben. Dies in die Nähe von
aktiver Strafvereitelung zu rücken, bedeutet die Gewissensentscheidung von Gemeindemitgliedern in über 200 Kirchengemeinden in Deutschland zu
desavouieren." (so abschließend Volker Maria Hügel)
28.Juni 1994
Das neue Asylrecht hat den Flüchtling weitgehend rechtlos gemacht. Er kann
nur noch "illegal" die Grenze überschreiten und nur durch
"illegales" Verschweigen seines Fluchtweges ein Asylverfahren
erreichen. In diesem Verfahren ist er völlig überfordert. Er wird nur noch
mangelhaft auf seine Fluchtgründe hin angehört: Der Rechtsschutz wird durch
kaum einzuhaltende Fristen für Anwälte und Gerichte ausgehebelt. Am Ende stehen
entweder eine übereilte Abschiebung, die Abschiebehaft oder der Versuch, sich
dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Diese Personengruppe dürfte inzwischen
bis zu einem Drittel der abgelehnten Asylbewerber ausmachen.
Das neue Asylrecht hat die Zahl der "legalen" Flüchtlinge
vermindert, um die der "illegalen" zu erhöhen. Die Fluchtursachen und
die Fluchtbewegungen haben sich nicht verändert.
Es nützt dem inneren Frieden nicht dieser Entwicklung
tatenlos zuzusehen oder ihr durch die
Militarisierung einer tief gestaffelten Grenzabwehr bzw. durch Kriminalisierung
von Flüchtlingen zu begegnen. "Illegalität" darf nicht der
Flüchtlingsstatus der Zukunft sein. Daher
fordert PRO ASYL rechtliche
Änderungen. Sie können durch den einfachen Gesetzgeber unterhalb einer Grundgesetzänderung erfolgen. In Europa wäre
es das Signal für eine Harmonisierung
des Asylrechts auf dem Niveau der Genfer Flüchtlingskonvention.
Die Forderungen sollen im Rahmen einer
demnächst beginnenden Kampagne an die Parteien und an die Bundestagskandidatenlinnen herangetragen
werden. Sie beziehen sich hauptsächlich auf
das Asylverfahrensgesetz und beschränken sich auf einige Bereiche. Wir halten sie für vereinbar mit dem veränderten Grundgesetz:
1. Die Drittstaatenregelung
Dem Ausländer ist die Einreise aus einem Drittstaat zu gestatten,
- wenn
begründete Zweifel bestehen, daß der Flüchtling im
Drittstaat Zugang zu einem an den
Mindestgarantien der Genfer Flüchtlingskonvention gemessenen Asylverfahren hat oder
- wenn sich ein Mitglied der Kernfamilie
bereits mit einem Aufenthaltsstatus oder geduldet in der
Bundesrepublik aufhält.
- Diese Änderung geht davon aus, daß das
Bundesverfassungsgericht die ausnahmslose Geltung der
Drittstaatenregelung in Frage stellen dürfte.
Vor einer Abschiebung in
einen sicheren Drittstaat hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zunächst zu prüfen, ob dem Ausländer außerhalb der Bundesrepublik Menschenrechtsverletzungen drohen.
-
Diese Forderung ergibt sich aus der
Ankündigung des Bundesverfassungsgerichtes im sogenannten Griechenlandfall, die Frage entsprechend prüfen
zu wollen.
2. Die Anhörung
Der Ausländer darf frühestens am 7. Tag nach seiner förmlichen
Antragstellung angehört werden
Ihm ist bei der Antragstellung
ein Merkblatt in der gewünschten Sprache auszuhändigen, auf
dem detailliert auf die Notwendigkeit eines umfassenden und substantiierten
Vortrags bei der Anhörung hingewiesen wird.
Dem Asylbewerber ist
Gelegenheit zu schriftlicher Antragsbegründung zu geben, die von Amts wegen zu übersetzen und bei der Anhörung zu verwerten ist.
-
Das Herzstück des Asylverfahrens ist die Anhörung. Deswegen muß bei seiner Gestaltung das größte Gewicht auf
sorgfältige und möglichst erschöpfende, am Grundrecht auf Asyl und am
Menschenrechtsschutz orientierte Aufklärung, gelegt werden.
- 1993 hat das Bundesamt über Asylanträge
von 513.561 Personen entschieden. Soweit diese
Entscheidungen (ca. 320.000) neu eingereiste Asylbewerber betrafen, wurden die Flüchtlinge
spätestens am 4.Tag nach Antragstellung angehört.
-
Die Anhörungsprotokolle und die Asylbescheide lassen das Urteil zu, daß in ungezählten Fällen die Antragsteller
nicht ausreichend befragt wurden. Bei vielen Protokollen wird deutlich, daß voreingenommen und zu Lasten der Antragsteller gefragt und entschieden wurde. So wird z.B. bei Kurden aus der Türkei, wenn
sie Folterungen angeben, weder nach Einzelheiten noch nach Folterspuren am Körper gefragt. Werden Aussagen bezweifelt, unterbleibt die Nachfrage nach Zeugen. Sind Zeugen benannt, werden sie so gut wie nie gehört.
-
Im übrigen entsprechen die Forderungen
den Verfahrens-Kriterien im einschlägigen Handbuch des
UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR).
3. Die Fristen
Die Ausreisefrist hat in jedem Fall
mindestens einen Monat zu betragen und darf nicht mit der Rechtsmittelfrist
zusammenfallen.
- Fallen beide Fristen zusammen, wird das Grundrecht auf
effektiven Rechtsschutz von Gesetzes wegen vereitelt.
Die Frist für einen Stopantrag ist
von einer auf mindestens zwei Wochen zu verlängern.
Ersatzlos sind alle den Richtern für ihre Entscheidung
gesetzten Fristen zu streichen.
- Sie sind ein Eingriff in die
Unabhängigkeit der Justiz. Viele Gerichte überschreiten die gesetzten Fristen um Wochen und Monate.
-
Mangelhafte Vorbereitung auf die Anhörung
und eine unzulängliche Anhörung führen zu fehlerhaften
Bescheiden, vor allem wo "offensichtlich unbegründete" Anträge abgelehnt werden. Dies betrifft 47% aller Sachentscheidungen des Bundesamtes in 1993. Darunter sind Anträge von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina, Afghanistan und der Türkei (Kurdistan). In diesen Fällen
beträgt die Klagefrist eine Woche, die für den Antrag auf
vorläufigen Rechtsschutz ebenfalls eine Woche und die Frist für
die Begründung eine Woche.
-
Ein qualifizierter Anwalt kann - von Ausnahmen abgesehen einem Flüchtling innerhalb dieses Zeitraums keinen Termin
für eine gründliche Befragung mit einem Dolmetscher geben.
Ein effektiver Rechtsschutz ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich.
4.
Die Flughafenregelung
Sie ist ersatzlos zu
streichen.
- Die hier dem Bundesgrenzschutz, dem
Bundesamt, dem Flüchtling, seinem Anwalt und den Richtern
gesetzten Fristen, aber auch der besondere Internierungsstress bei den Asylbewerbern sprechen gegen ein korrektes Verfahren.
5.
Das Asylbewerberleistungsgesetz
Dieses Gesetz
ist ersatzlos abzuschaffen.
- Sein Abschreckungseffekt ist mehr als
bedenklich und zweifelhaft. Die Umstellung der gekürzten Sozialhilfe auf
Sachkosten führt zu einer verminderten Versorgung der Flüchtlinge
und zu einer Erhöhung des behördlichen Aufwands. Außerdem ist die
unterschiedliche Behandlung von Flüchtlingen in den Einrichtungen mit großen Schwierigkeiten verbunden. Flugs streben die Innenminister an, das Gesetz auf alle Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge
auszudehnen.
Die notwendigen
Änderungen im Ausländergesetz, die auf eine vernünftige Altfallregelung, auf
Abschiebestopps für gefährdete Flüchtlingsgruppen und auf die Möglichkeit humanitärer Einzelfallentscheidungen durch die Ausländerbehörde abheben,
können hier nur angemeldet werden. Entsprechende Forderungen werden
zu einem späteren Zeitpunkt erhoben.
14. Juni 1994
Für die Aufnahme der 21 kubanischen Flüchtlinge, die in die
deutsche Botschaft von Havanna geflüchtet sind, setzt sich die
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL ein.
Die spektakuläre Flucht dieser Menschen ist ebenso ernst zu nehmen wie
seinerzeit die unserer Landsleute in die Botschaften Osteuropas.
Wenn Flüchtlinge Kuba als die Hölle auf Erden bezeichneten,
sei dies ein Hinweis darauf, daß Kuba trotz gewisser wirtschaftlicher Veränderungen immer noch eine Diktatur sei. Die Beurteilung der
Botschaftsflucht durch die kubanischen Behörden als eine offensichtliche Provokation lasse auf schlimme Folgen schließen, sollten
die Flüchtlinge mit vagen Versprechungen zum Verlassen der
Botschaft veranlaßt werden.
In 1993 haben 78 Kubaner einen Asylantrag in der Bundesrepublik gestellt.
Allerdings wurden im gleichen Jahr nur zwei als
asylberechtigt anerkannt. Bei der restriktiven Entscheidungspraxis des Bundesamtes ist dies aber kein Beleg für die wirkliche
Menschenrechtslage auf der Zuckerinsel.
4. Mai 1994
Einen
generellen Abschiebstopp für Kurden aus der Türkei fordert die
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL von der am Donnerstag und Freitag
auf der Insel Usedom tagenden Innenministerkonferenz. Entgegen allen
Beteuerungen von Bundesinnenminister Manfred Kanther und anderen
Länderinnenministern werden abgeschobene Kurden in der Türkei mißhandelt und
gefoltert.Dies habe
sich jetzt durch den morgen erscheinenden Bericht in der Hamburger Zeitung "Die
Woche" bestätigt. Die siebenköpfige kurdische Familie Cetin wurde am
6.4.1994 aus dem Asylbewerberheim Pima-Oberposta in Sachsen in die Türkei
abgeschoben. Trotz gegenteiliger Versicherungen der türkischen Regierung
gegenüber der Bundesregierung wurde der Familienvater nach seiner Ankunft in
Istanbul von türkischen Sicherheitsorganen verhaftet und gefoltert. In einem
Gespräch mit der deutschen Botschaft habe, wie dassächsische
Innenministerium mitteilte, Herr Cetin allerdings seine Vorwürfe widerrufen.Durch die
neuerliche Bestätigung des Foltervorwurfs werden nicht nur diese sondern auch
andere diesbezügliche Aussagen der Botschaft höchst unglaubwürdig. Völlig
verfehlt ist deswegen auch ein Abschiebekonzept der Bundesregierung, das sich
auf Zusagen der türkischen Regierung verlassen will, daß abgeschobene Kurden
nicht gefoltert würden.Nach
Einschätzung von PRO ASYL droht der Familie Cetin in ihrem Versteck jetzt
größte Gefahr. Daher fordert die Organisation von der Bundesregierung, die
Wiedereinreise der Familie zu betreiben und ihr einen sicheren
Aufenthaltsstatus zu geben.
2. Mai 1994
Als
Ausdruck großer Verzweiflung betrachtet PRO ASYL die Vorgänge in den
Hafthäusern Leverkusen-Opladen und Büren bei Paderborn. Flüchtlinge, die nichts
anderes "verbrochen" hätten, als einen Asylantrag zu stellen und
keine Ausweispapiere zu besitzen, fühlten sich als Verbrecher eingesperrt und
behandelt.
Hierzu
erklärt PRO ASYL:
Die
nordrhein-westfälische Landesregierung ist mit der Einrichtung solcher
Anstalten der Vorreiter eines rigorosen Umgangs mit abgelehnten Asylbewerbem.
Zwar sieht das neue Asylrecht die leichtere Inhaftierung von Flüchtlingen vor,
bei denen die Vermutung besteht, daß sie sich einer Abschiebung entziehen
wollen. Dies führt aber dazu, daß der Freiheitsentzug zu schnell und zu häufig
angewendet wird. Unvertretbar wird diese Maßnahme aber dann, wenn sie sich
gerade bei Algeriern über einen Zeitraum von vielen Monaten erstreckt. Hier
kann die Abschiebehaft den Charakter der Freiheitsberaubung annehmen, die
sofort beendet werden muß.
Die
Haftanstatten selbst erfüllen nicht einmal den Mindeststandard, wie er im
normalen Strafvollzug immer noch selbstverständlich ist. So fehlt es an
Sozialdiensten, Dolmetschern und den Möglichkeiten der Hafterleichterung. Auch
verfügen die Flüchtlinge über kein Geld für Telefon oder für ein paar
Zigaretten. Es ist ihnen daher kaum möglich, mit Familienangehörigen oder
sozialen Diensten Kontakt zu halten. Besonders bedenklich ist es aber für PRO
ASYL, daß es den Flüchtlingen praktisch verwehrt ist, durch Anwälte ihre Rechte
zu verteidigen. Zur Bewachung werden schwarze Sheriffs eingesetzt, die für diese
Aufgabe keinerlei Voraussetzungen haben.
PRO ASYL
verweist auf die besondere Angst der algerischen Flüchtlinge, in ihre Heimat
abgeschoben zu werden und fordert daher auch für diese Personengruppe einengenerellen
Abschiebestopp. Der Bundesgrenzschutz gibt bei einer Abschiebung abgelehnter
Asylbewerber deren Daten gezielt an die algerischen Sicherheitsbehörden weiter
.
12. April 1994
Die
bisherige Zusammenarbeit der deutschen und türkischen Geheimdienste und die
Übereinkunft von Schengen stellen eine besondere Gefährdung für alle Kurden
der, die politisch aktiv geworden sind und denen die Abschiebung in die Türkei
droht,
- Seit 1979 gibt es eine
Tabu-Liste zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Bundesrepublik und die
Türkei verpflichten sich zum Nachrichtenaustausch über die in der
listengenannten Personen und Gruppen. Zu diesen Gruppen gehört u.a. die
PKK. Das niedersächsische Innenministerium bestätigt 1984, daß der NATO-Partner
Türkei aus der Bundesrepublik mit Informationen über Oppositionelle
versorgt wird. Dies geschieht im Rahmen des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.
- Der bundesdeutsche
Verfassungsschutz beobachtet seit Jahren die politischen Aktivitäten
türkischer und kurdischer ,Gruppen. Als Beleg für die
Verfassungsfeindlichkeit wird regelmäßig die Kritik an der türkischen
Regierung angesehen. Als weiterer Beweis gilt die Unterstützung türkischer
Oppositionsgruppen.
- Der türkische Geheimdienst
kann ziemlich ungeniert in der Bundesrepublik operieren. Im September 1987
berichtet eine türkische Zeitung, daß 465 türkische Lehrkräfte vor ihrer
Entsendung ins Ausland einen Monat lang vom türkischen Geheimdienst (MIT)
für die Beobachtung "separatistischer" und "oppositioneller“
Organisationen ausgebildet wurden.
- Im Zusammenhang mit dem
PKK-Verbot berichtet die türkische Zeitung "Hürriyet" am
28.11.1993, daß drei BKA-Beamte Informationen über die PKK-Vereine vom
türkischen Sicherheitsdienst angefordert hätten. Die "Verantwortlichen"
hätten der deutschen Polizei zwei Ordner mit Material über die Tätigkeit
der Organisation in Deutschland überreicht. Interessent an dieser
Mitteilung dürfte vor allem sein, daß sich die Bundesrepublik
offensichtlich bei ihren politischen Entscheidungen auch solcher Daten
bedient, die u.U. auf datenrechtlich illegale Weise beschafft wurden.
- Das von Schengen vorgesehene
Informationssystem (SIS) darf auch dazu genutzt werden, Daten an
"Stellen außerhalb des Hoheitsgebietes der Vertrragspartner“ zu
übermitteln. Damit ist SIS eine potentielle Datenbasis für die Polizei,
das Militär und die Geheimdienste von Verfolgerländern, natürlich auch der
Türkei.
- Wie ein Informationsaustausch
aussieht, ist einem Schreiben der Bundesgrenzschutzdirektion Koblenz an
die Grenzchuizbehörden vom 28.10.1993 zu entnehmen. Darin geht es um
Abschiebungen nach Algerien:
-
Die Anträge an das algerische Generalkonsulat auf Ausste(Iung von Passersatzpapieren
erhalten nach gegenseitiger Absprache künftig den ausdrücklichen Zusatz
"Asylbewerber". (Damit wird deutlich gemacht, daß es sich um Menschen
handelt, die gegen die Regierung sind)
-
Die Grenzschutzdirektion gibt vor der anstehenden Abschiebung dem
Generalkonsulat die Flugdaten bekannt. Wörtlich heißt es dann: "Das
Generalkonsulait übermittelt die Flugdaten auch nach Algerien, um sicherzustellen, daß der
algerische Staatsangehörige auch den algerischen Sicherheitsbehörden zugeführt
wird."
01. April 1994
Zu den
bevorstehenden Abschiebungen von Kurden aus Bayern erklärten Angelika B e e r,
Mitglied im Bundesvorstand der Grünen und PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger:
Bayerns
Innenminister Günther Beckstein mache sich zum Spießgesellen türkischer
Folterknechte, wenn er Kurden in das politisch aufgewühlte Land am Bosporus
ausweise.
Bündnis
90/Grünen und PRO ASYL fordern einen generellen Ausweisungsschutz für Kurden,
bis in der Türkei die Menschen- und Minderheitenrechte voll respektiert werden.
Dies zu beurteilen sei allerdings eine internationale und nicht eine bayerische
Aufgabe, erklärte PRO ASYL-Sprecher Leuninger.
'Wer die
Augen vor Folter, Mord und Vertreibung gegenüber dem kurdischen Volk in der
Türkei verschließt und - wie Beckstein - das Schicksal und die Not der bei uns
lebenden Kurdlnnen missbraucht, um weiterhin ausländerfeindliche Stimmung zu
schüren, hat sein Amt verfehlt, erklärte Angelika Beer, die gerade aus der
Türkei zurückgekehrt ist.
01. April 1994
Nach den
Autobahnblockaden und Selbstverbrennungen der Kurden gaben sich Bund und Länder
erstaunt. Mit der Gewalt, die damit verbunden war, hatten sie nicht gerechnet.
Dabei war Bonn gewarnt. Menschenrechtsorganisationen hatten vertraulich auf
eine absehbare Eskalation zum Newroz-Fest hingewiesen. Diese Warnungen wurden
in den Wind geschlagen. Auch die Vorschläge, vor diesem Termin ein deutliches
Signal der Solidarität mit den Kurden in der Südosttürkei und in der
Bundesrepublik zu setzen. Diese - und nicht nur die gewaltbereite PKK -- waren
tief enttäuscht über den Schmusekurs Bonns mit Ankara, ein Kurs, der mit Waffen
und Rüstungsgütern gespickt ist .
Aber weder
die Türkei noch die Bundesrepublik sind bisher in der Lage mit Minderheiten
menschenrechtlich umzugehen. So ist es mehr als töricht, wenn sich Kohl der
offiziellen Lesart seiner Kollegin Ciller anschließt, es gehe bei den Kurden
nur um die Bekämpfung von Terrorismus. Bonn hat bisher kein wirkliches
Verständnis für Minderheiten an den Tag gelegt. Seit vielen Jahren gibt es in
Deutschland eine kurdische Bevölkerung von nahezu einer halben Million. Diese
wird als solche erst seit dem Verbot der PKK und den Ausschreitungen zur
Kenntnis genommen, Dabei geht es mehrheitlich um Menschen, die im Rahmen der
Anwerbung türkischer Arbeiter nach Deutschland kamen und als höchst friedliche
Menschen ansässig geworden sind. Zehntausende Kurden sind danach vor dem Terror
des türkischen Militärs nach Deutschland geflüchtet. Dort leben ihre
Verwandten, Nachbarn und Landsleute. Politische oder kulturelle
Minderheitenrechte wie etwa Unterricht in der Muttersprache haben diese
allerdings nicht. Dabei körnte die Bundesrepublik zeigen, wie eine Demokratie
ethnische Gruppen respektiert, ohne gleich um den nationalen Bestand zu
fürchten.
Die Kurden
werden sich ihrer Identität immer bewusster. Das zeigt sich in ihren
Heimatländern aber auch in der Bundesrepublik. Diese Entwicklung kann und darf
nicht mit Gewalt unterdrückt werden. Leider tun Kohl und Kanther derzeit alles,
um die Kurden in die Arme der PKK zu treiben. Dabei schlägt der Kurden - raus
-Populismus die tollsten Kapriolen. So gibt es im Haus Kanters die Idee von
einer Art gläserner Gefängnisse. Dort sollen in die Türkei abgeschobene Kurden
untergebracht werden. So sei leichter zu prüfen, ob wirklich auch nicht
gefoltert wird. Es ist fern jeder Realität, Inseln der Rechtsstaatlichkeit in
ein einem Meer von Menschenrechtsverletzungen schaffen zu wollen.
Die Bonner
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger(FDP) hat dieser Tage gezeigt, wie
mit einem Staat umzugehen ist, der die Menschenrechte verletzt. Sie las dem aus
Peking angereisten Kollegen bei einer Tischrede die Leviten. Dem gefror das
traditionelle Lächeln im Gesicht. Durch die Unterdrückung der Opposition in
China werde die seit Jahren gewachsene Basis eines außergewöhnlichen Vertrauens
erheblich gefährdet, sagte die Ministerin. Bonn gebärdete sich an dieser Stelle
so ungewohnt deutlich, weil es der amerikanische Außenminister Warren
Christopher bei seinem China-Besuch Mitte März vorgemacht hatte. Dabei nahm er
die Kritik amerikanischer Wirtschaftsbosse in Kauf.
Man stelle
sich vor, Kohl hätte mit der türkischen Regierungschefin bei ihrem Besuch In
Bonn ähnlich Tacheles geredet und ein Waffenembargo verkündet. Vermutlich wären
sowohl die Demonstrationen wie auch die strafbaren Ausschreitungen
ausgeblieben. Denn in Ankara gäbe es eine höchst verschnupfte Ministerpräsidentin,
die ihre oder der Generäle Kurdenpolitik von Bonn nicht gedeckt sähe.
30. März 1994
Einen
Abschiebestopp für Kurden, der sich auf die gesamte Türkei bezieht, fordert die
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL.
Die
deutsch-türkischen Verhandlungen über die Rücknahme kurdischer Demonstranten,
denen Gewalttaten vorgeworfen werden, sind für PRO ASYL das amtliche Eingeständnis
dafür, daß am Bosporus die Menschenrechte mißachtet werden. Das geplante
Sonderabkommen über die Einhaltung international geltender und von der Türkei
ratifizierter Konventionen sei im Grunde eine massive Anklage des NATO-Partners
vor der Weltöffentlichkeit. Zugegeben werde mit den gegenseitigen Absprachen
auch, daß die Menschenrechtsverletzungen nicht nur für die Südosttürkei sondern
für das ganze Staatsgebiet gelte. Damit wird die Konstruktion eines
sicheren Westteils, in den Kurden
abgeschoben werden könnten, hinfällig.
Die
Einschätzung gelte auch unabhängig von dem dementierten Plan,
Spezialgefängnisse für abgeschobene Kurden in der Türkei einzurichten, die von
deutscher Seite besser überwacht werden könnten. "Inseln der
Rechtsstaatlichkeit in einem Meer von Menschenrechtsverletzungen schaffen zu
wollen, hieße den Bonner Populismus Kapriolen schlagen lassen", erklärte
PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger.
23. März 1994
Mit einer
Solidaritätsadresse hat sich` PRO ASYL an den Bundesverband der Vereine aus
Kurdistan e. V. KOMKAR in Köln gewandt. PRO ASYL arbeitet seit Jahren mit
dieser Organisation, von der es in allen größeren Städten der Bundesrepublik
Vereine gibt, und der Friedensbewegung in der Kurden-Frage zusammen.
Es folgt
der Wortlaut der Adresse:
PRO ASYL
unterstützt wie bisher Ihren gewaltfreien Kampf gegen die Unterdrückung und
Vernichtung des kurdischen Volkes durch die türkische Regierung.
Demonstrationen, die in Gewalt gegen sich und andere umschlagen, werden die
Spirale des Terrors in IhrerHeimat
nicht beenden und die Solidarität nicht fördern. Die Selbstverbrennungen von
kurdischen Menschen sind allerdings Fanale der Verzweiflung. Sie sind Protest
gegen die Komplizenschaft Bonns mit Ankara. Das kurdische Volk muß sich von der
Bundesregierung verraten und verkauft fühlen.
- Wir fordern die Bundesregierung
auf, sich wie ein Rechtsstaat zu verhalten und das bedrohte kurdische Volk
vor den unvorstellbaren Grausamkeiten des türkischen Militärs zu schützen.
Wir erwarten als erstes ein absolutes Waffen-Embargo gegenüber der Türkei
und einen politischen Druck, der bis zur Androhung des Abbruchs der
diplomatischen Beziehungen geht. Außerdem soll die Bundesregierung in
einen konstruktiven Dialog mit allen demokratischen kurdischen
Organisationen eintreten.
- Wir wenden uns gegen eine
Verschärfung der Ausweisungspraxis. Dagegen fordern wir die Regierungen von Bund und Ländern auf, einen
Abschiebestopp für kurdische Flüchtlinge zu erlassen, der solange gelten muß, bis die
Menschenrechte in der ganzen Türkei respektiert werden.
21. März 1994
1.
Europa gehört mit seiner Asylpolitik
auf die Anklagebank:1. Europa hat es unterlassen, die
Genfer Flüchtlingskonvention weiterzuentwickeln
Das
Europäische Parlament hatte in seiner Entschließung zu den Fragen des
Asylrechts vom 12.3.1987 darauf hingewiesen, daß sich die Ursachen für Flucht
seit Abschluss der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 verändert hätten und
die Definition des Flüchtlingsbegriffs daher einem Wandel unterliegen müsse.
Deswegen fordert das Parlamentdie EG auf,
die Initiative zur Ausarbeitung eines Vorschlags einer neuen Definition des
Flüchtlingsbegriffs zu ergreifen. Hierbei wäre es vor allem darum gegangen, die
Kriegs-und Bürgerkriegsflüchtlinge angemessen einzubeziehen.
Dieser
Aufforderung ist die EG bzw. EU nicht nachgekommen.
2. Europa hat sich vom Geist der
Genfer Flüchtlingskonvention abgewendet.
Im Dezember
1991 einigen sich die EG-Staaten in Maastricht durch den "Vertrag über die
politische Union". die Visapolitik gemeinschaftlich zu regeln. Darüber
hinaus legen sie fest, daß das Asylrecht eine Frage von Gemeinschaftsinteresse
sei. Damit sind allerdings nicht Regelungen in Form von Gemeinschaftsrecht,
sondern lediglich zwischenstaatliche
Konventionen intendiert.
Das hat
einen doppelten Grund: Zum einen wird des Europäische Parlament aus der
Rechtssetzung ausgeschlossen, sie bleibt bei einer Konvention den
Ministerriegen und Beamtenstäben vorbehalten. Zum anderen können europäische
Nicht-EG-Staaten vertraglich in Konventionen eingebunden werden. Damit läßt
sich eine „Vorfeldpolitik" betreiben, die die Außengrenzen der
Flüchtlingspolitik vorverlegt.
Zum
Zeitpunkt des Maastricht-Vertrages existieren bereits derartige Konventionen.
Die Dubliner Konvention vom 15. Juni 1990 legt fest, welcher Staat für die
Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sein soll. Zuständig ist der Staat,
der durch Visaerteilung eine Einreise ermöglicht hat, bzw. der Staat, über
dessen Grenze der Flüchtling erstmals in den EG-Raum illegal eingereist ist.
Einen Anspruch auf Asyl regelt sie nicht.
Im
sogenannten Schengener Zusatzabkommen vom 19. Juni 1990 sind Zuständigkeiten,
Kontrollprozeduren und Sanktionen festgelegt. Es geht u.a. darum, eine
gemeinsame Liste visapflichtiger Länder zu führen, auf der mittlerweile über
100 Staaten stehen und Fluggesellschaften und Transportunternehmer zu
bestrafen, die Flüchtlinge ohne ausreichende Reisedokumente befördern. Schengen
ist der erste internationale Vertrag nach dem 2.Weltkrieg, der sich gegen
Flüchtlinge richtet.
Mit diesen
Verträgen wird einerseits das Europäische Parlament umgangen, andererseits sind
gerichtliche Überprüfungen von Entscheidungen auf der Basis der Verträge nicht
vorgesehen. Eine inhaltliche Harmonisierunq
des Asylrechts, obwohl stets zur Begründung angeführt, findet nicht
statt. Harmonisiert wird nur die Abwehr von Flüchtlingen.
3. Europa nimmt den Zusammenbruch
die internationalen Flüchtlingsschutzes,
wie er durch Genf garantiert werden soll, in Kauf.
Das
Instrument der sicheren Drittstaaten und die Rücknahmeübereinkommen mit den
osteuropäischen Staaten führen bei diesen zu ähnlichen Regelungen mit ihren
Nachbarstaaten. Damit werden Kettenabschiebungen möglich.
Das
Ergebnis ist eine großräumige Abschottung von Gibraltar bis hinter den Ural,
vom Nordkap bis zum Peloponnes.
20. März 1994
In
Deutschland lebende Roma erfahren sich nach wie vor als Opfer von Rassismus.
Darauf verwies die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL in einer
Erklärung zum Antirassismustag der Vereinten Nationen am 21. März.
•
So wurde der Vorsitzende der Rom & Sinti Union e.V. Rudko Kawczynski mit
seiner Familie am Freitag in Hamburg vor einem Kaufhaus von einem Mann in
rassistischer Weise angegriffen und beleidigt. Der Täter beschimpfte dessen
Gattin als "Kanake" und "Drecksvolk" und forderte sie auf,
sich aus dem Land zu scheren. Herbeigerufene Polizei habe den Rechtsradikalen
laufen lassen, dafür aber Kawczynski in geradezu feindseliger Weise
festgenommen und unter den Augen "Ausländer raus" - gröhlender
Zuschauer mißhandelt.
•
Einige Tage zuvor hatte es einen Brandanschlag auf das mobile Beratungsbüro der
Roma-Vereinigung gegeben, bei der das Fahrzeug völlig ausbrannte. Kawczynski
hatte sich nach diesem Vorfall bei Innensenator Werner Hackmann über die
unzulänglichen Ermittlungen der Polizei beschwert. Dabei erinnerte er daran,
daß es in den vergangenen Jahren mehrfach Angriffe gegen Mitglieder und
Einrichtungen des Vereins gegeben habe, von denen keiner bisher aufgeklärt
worden sei. Kawczynski sieht einen Zusammenhang zwischen dem nächtlichen
Angriff und seiner kürzlichen Erklärung gegen die von Nordrhein-Westfalen
geplante Abschiebung von Roma nach Serbien und Montenegro.
•
PRO ASYL, das sich auch gegen die zwangsweise Rückführung von Minderheiten und
dabei gerade von Roma nach Rest-Jugoslawien ausgesprochen hatte, hatte sich in
der vergangenen Woche an den Kölner Oberbürgermeister Norbert Burger gewandt
und den Verbleib einer Roma-Familie gefordert. Diese war Ende Januar Opfer
eines Brandanschlages in Köln-Nippes geworden. Jetzt sollte sie und weitere
Angehörige der Familie ausgewiesen werden, obwohl sie aus Bosnien-Herzegowina
geflüchtet waren. Eins der Kinder liegt immer noch mit schweren Verbrennungen im
Krankenhaus, andere Angehörige sind von Brandverletzungen gezeichnet.
PRO ASYL
kritisiert das wirre Knäuel von dumpfem Rassismus, polizeilichem Fehlverhalten
und einer gnadenlosen Abschiebepolitik. Die Arbeitsgemeinschaft erinnert daran,
daß etwa 500.000 Roma und Sinti unter dem Nationalsozialismus umgekommen seien.
Außerdem verwies sie darauf, daß der Präsident des Europäischen Parlamentes die
Bundesregierung gebeten habe, die Abschiebung von Roma zu unterlassen.
07. März 1994
Die
sofortige Einstellung der Vorbereitungen, Flüchtlinge über Rumänien nach
Rest-Jugoslawien abzuschieben, fordert PRO ASYL von den Ländern.
-
Albanern
aus dem Kosovo droht im Falle Ihrer Rückkehr mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in Form der Gruppenverfolgung. Die
Albaner, die in der Provinz Kosovo über 90% der Bevölkerung ausmachen, sind in
ihrer Gesamtheit das Opfer einer Verfolgung durch den serbischen Staat. Dieser
verfolgt in Anknüpfung an die ethnische Abstammung die Mitglieder dieser Gruppe
mit den Mitteln der Einschüchterung, Unterdrückung, Willkür und andauernden
gewaltsamen Repressionen.
- Abschiebeschutz
gebührt allen Angehörigen ethnischer Minderheiten wie Ungarn und Kroaten aus
der Vojvodina und Muslimen aus dem Sandschak. Diese Menschen sind einem ganz
erheblichen menschenrechtswidrigen Vertreibungsdruck ausgesetzt oder werden in
unerträglicher Form von serbischer Seite terrorisiert.
- Für
Roma ist ein Abschiebestopp für das gesamte Gebiet des ehemaligen Jugoslawien
erforderlich. Als immer schon diskriminierte Minderheit sind sie dem ethnischen
Vertreibungsdruck von allen Seiten ausgesetzt.
- Notwendig
sei vor allem auch ein Abschiebestopp für Deserteure, Kriegsdienstverweigerer
und für alle Männer aus Rest-Jugoslawien. Nach wie vor kämpften Armeeeinheiten
aus dem serbisch beherrschten Rest-Jugoslawien in Bosnien. Dies geht einher mit
Zwangsrekrutierungen und einer regelrechten Jagd auf Männer im entsprechenden
Alter. Das gilt vor allem für Angehörige ethnischer Minderheiten, Flüchtlinge
aus Bosnien, Herzegowina und Kroatien, die diesen Krieg ablehnen. In letzter
Zeit wurden ebenfalls Frauen einberufen. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung
gibt es in Rest-Jugoslawien nicht. Nach der neuen Verfassung in
Rest-Jugoslawien existiert die Todesstrafe zwar nicht mehr, nach dem
Militärgesetz droht diese Strafe jedoch weiterhin.
PRO
ASYL fordert von den Innenministern und -senatoren, das UN-Embargo auch als
Rekrutierungsembargo zu respektieren.
16. Februar 1994
Zwei der vier Sendeplätze für
Wahlwerbung zur Landtagswahl in Hannover hat der Landesverband Niedersachsen
Bündnis 90 /DIE GRÜNEN der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL
überlassen. Am 17.Februar und 2. März überträgt der Norddeutsche Rundfunk in
seinem Fernsehprogramm N3 jeweils um 18.35 Uhr einen 45-sekündigen Beitrag von
PRO ASYL gegen Ausgrenzung und Abschiebung von Flüchtlingen.
Mit dieser Entscheidung
reagierten die Grünen auf die Initiative des NDR-Intendanten Jobst Plog, der
die Parteien aufgefordert hatte, zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus auf
kostenlose Parteienwerbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verzichten.
Produziert hat diesen Spot
die internationale Werbe-Agentur Saatchi & Saatchi in Frankfurt. Für PRO
ASYL ist dies der zweite von der gleichen Agentur hergestellte Film-Spot. Ein
erster war im Vorfeld der Asyl-Diskussion kostenlos über verschiedene
Fernseh-Stationen gelaufen. Für diesen Beitrag hat Saatchi & Saatchi im
Januar die Bronze-Medaille eines internationalen Wettbewerbs für Film- und
Fernsehwerbung 1993 und zwar für die Sparte "politische Beiträge"
erhalten. Die von "THE NEW YORK FESTIVALS" verliehenen Preise werden
in der Werbebranche sehr hoch gehandelt. Insgesamt waren für die verschiedenen
Kategorien 4136 Beiträge aus 45 Ländern eingereicht worden.
PRO ASYL konnte sich diese
Spots leisten, weil nur ein Teil der Kosten, die bei der technischen Produktion
entstanden sind, zu erstatten war; auf Honorare hat die Firma gänzlich
verzichtet.
13. Februar 1995
PRO ASYL-Sprecher
Heiko Kauffmann forderte am Montag in Frankfurt die Aussetzung der zweiten
Rückführungsphase für Flüchtlinge aus
Kroatien.Kroatien sei auf die vorgesehene Rückkehr
von über 50.000 Menschen politisch und sozial nur unzureichend vorbereitet.Viele der von dem im April 1994 zwischen der
Bundesrepublik und Kroatien geschlossenen Rückübernahmeabkommen betroffenen
Flüchtlinge kämen aus Städten und Gemeinden, die in den von Serben besetzten
oder in umkämpften und zerstörten Gebieten der Republik Kroatien liegen.
Ebenfalls seien viele Kriegsflüchtlinge aus der Republik Bosnien und
Herzegowina mit kroatischen Pässen betroffen, die derzeit keinerlei Aussicht
auf eine Rückkehr in ihre Heimat hätten und auf nicht absehbare Zeit zu einem
Leben in armseligen Lagern verurteilt wären.
Nach der Aufkündigung des UN-Mandats durch
Kroatien sei zudem eine völlig neue Lage entstanden: Es drohten neue Kämpfe und
kriegerische Auseinandersetzungen.
"Die derzeitige Situation in Kroatien läßt für die große Mehrzahl der Flüchtlinge eine Rückkehr
in Sicherheit und Würde nicht zu", erklärte Heiko Kauffmann. "Die
Bundesregierung und die Innenminister der Länder müssen sich auf diese neue,
vor einem Jahr nicht absehbare Situation einstellen und die Schutzgewährung für
Flüchtlinge aus Kroatien aus humanitären Gründen umgehend verlängern."
7. Februar 1994
Einen Abschiebestopp für
Männer aus Kroatien und Rest-Jugoslawien fordern die Deutsche
Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen( DVG-VK), die
Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, Connection e.V.
und PRO ASYL. In getrennten Schreiben an die Innenminister und -senatoren
verweisen die Organisationen auf die umfassende Mobilisierung und
Zwangsrekrutierung für den nur aIs völkerrechtswidrig zu bezeichnenden Krieg im
ehemaligen Jugoslawien.
• Nach neuesten Informationen
beteiligen sich reguläre Verbände des kroatischen Militärs am Krieg in Bosnien.
In Kroatien wird für den Krieg zwangsrekrutiert, insbesondere bei Männern im
wehrpflichtigen Alter, die in Bosnien geboren wurden, bei Angehörigen
ethnischer Minderheiten und Oppositionellen, die sich nicht an dem weltweit
verurteilten Krieg beteiligen wollen. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung
haben nur diejenigen, die innerhalb von 90 Tagen nach der Erfassung einen
entsprechenden Antrag stellen. Einberufene, Soldaten und Reservisten jedoch nicht.
• Armeeeinheiten aus dem serbisch beherrschten
Rest-Jugoslawien kämpfen in Bosnien. Dies geht einher mit Zwangsrekrutierungen
und iner regelrechten Jagd auf Männer im entsprechenden Alter. Das gilt vor
allem für Angehörige ethnischer Minderheiten, Flüchtlinge aus Bosnien,
Herzegowina und Kroatien, die diesen Krieg ablehnen. In den letzten Tagen
wurden ebenfalls Frauen einberufen. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt
es in Rest-Jugoslawien nicht. Nach der neuen Verfassung in Rest-Jugoslawien
existiert die Todesstrafe zwar nicht mehr, nach dem Militärgesetz droht diese
Strafe jedoch weiterhin.
Herbert L e u n i n g e
r von
PRO ASYL , Ulrich F i n k h von
der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, Franz N a d I e r
von der Deutschen Friedensgesellschaft -Vereinigte
Kriegsdienstgegnerinnen und Rudi F r i e d r i c h von Connection e. V.
erinnern die Minister daran, daß das Europäische Parlament im vergangenen
Oktober Mitgliedsstaaten
eindringlich aufgefordert hat, "geeignete Maßnahmen zur Aufnahme von
Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern vorzusehen, die sich den verschiedenen
Streitkräften, die sich auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien bekämpfen,
entziehen". Die Organisationen fordern die Minister auf, dieser Empfehlung
zu entsprechen und auf diese Weise eine Art Rekrutierungsembargo zu verhängen.
Außerdem fordern sie, diesen Personen den weiteren Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Schließlich erwarten die genannten
Organisationen einen Beschluss, dass weiterhin Flüchtlinge aus den
Krisengebieten von Ex-Jugoslawien und zwar ohne Visumspflicht aufgenommen
werden.
24. Januar 1994
Ein Ping-Pong-Spiel mit bedrohlichem Ausgang befürchtet PRO
ASYL für eine Familie aus Somalia, die über Äthiopien in die Bundesrepublik
geflüchtet ist. Ihr Asylantrag wurde am 13.12.1993 am Frankfurter Flughafen
abgelehnt. Seit dieser Zeit ist die Familie im Flughafen-Gewahrsam.
Verschiedene Versuche des Frankfurter Anwalts Roman Fränkel bis zum
Bundesverfassungsgericht, die Einreise über die Gerichte zu erreichen, schlugen
bislang fehl. Die Ablehnungen berufen sich auf das Asylverfahrensrecht,
nach dem Flüchtlinge, die sich länger als drei Monate in einem anderen Land
aufgehalten haben, dort als vor Verfolgung sicher gelten. Die Familie war am
31.März 1992 aus Somalia nach Äthiopien geflüchtet, fürchtete aber dort um ihre
Sicherheit und ihr Überleben.
- Nicht
gewürdigt haben die Gerichte bisher die Tatsache, daß
die äthiopische Botschaft in Bonn dem Rechtsanwalt der Familie versichert
hatte, Äthiopien, das sich als Transitland für Flüchtlinge betrachtet, würde
die Familie nicht mehr zurücknehmen. Damit käme es, wie bereits in anderen
Fällen, zu dem bedenklichen Hin- und Herschieben von Flüchtlingen zwischen den
Flughäfen.
- Eine
Zurückschiebung der Familie mit zwei Kindern im Alter von fünf und sechs Jahren
am vergangenen Freitag vom Flughafen Frankfurt schlug fehl. Der Flugkapitän der
Lufthansa-Maschine LH 590 nach Addis Abeba lehnte den Transport der Familie ab,
weil er die Reisefähigkeit der in der 27.Woche schwangeren und in Handschellen
vom BGS angeschleiften Frau abgelehnt hatte.
- Die
Reisefähigkeit der Frau, die bereits zwei Früh-, bzw. Fehlgeburten hinter sich
hat, war zuvor in der Uni-Klinik Frankfurt unterschiedlich beurteilt worden.
Während eine Ärztin die werdende Mutter nicht für transportfähig gehalten
hatte, hatte sie ein Oberarzt später als reisefähig eingestuft. Daraufhin war
die Frau vom Bundesgrenzschutz wieder abgeholt und auf dem Flughafengelände bis
zur vorgesehenen Zurückschiebung interniert worden. Jetzt befindet sich die
Frau, seelisch und körperlich fast am Ende, erneut in der Universitätsklinik
und gilt für absehbare Zeit nicht als reisefähig.
Eine
Zurückschiebung des Vaters mit den beiden kleinen Kindern ohne die Mutter ist -
offensichtlich auf Anweisung Bonns - für morgen vorgesehen. Der Anwalt hat
hiergegen einen vierten Eilantrag beim Frankfurter Verwaltungsgericht gestellt.PRO ASYL
protestiert gegen die Behandlung der somalischen Familie. Die Organisation
betrachtet sie als den Versuch, dem zweifelhaften Asylrecht in
unverhältnismäßiger Weise und auf Kosten jeder Humanität Geltung zu verschaffen.
"Der Asylstreit wird auf dem Bauch einer schwangeren Frau
ausgetragen", kommentierte Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL den
ganzen Vorgang.2. Meldung vom TageDas
Verwaltungsgericht Frankfurt hat heute Mittag im Eilverfahren entschieden, daß die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die
Abschiebungsandrohung bei der somalischen Familie O. bis zu vier Wochen nach
der Entbindung der Mutter befristet wird (AZ: 9G 50022/94A und E A
3-3991-93-A). Damit ist die Abschiebung der Familie nach Addis Abeba vorläufig
ausgesetzt. Die Einreise wird gestattet.
19. Januar 1994
Gegen
die generelle Abschiebung von Flüchtlingen nach Kroatien hat sich die Flüchtlingsorganisation
PRO ASYL ausgesprochen. In einem Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk
forderte ihr Sprecher Herbert Leuninger, daß eine
Rückführung von Menschen nicht nur in die von Serben besetzten Gebiete
unterbleiben müßte, sondern auch in alle Orte, die
nicht völlig befriedet seien oder die durch eine nicht auszuschließende neue
kriegerische Auseinandersetzung gefährdet waren.
Es
sollten auch die Kriegsflüchtlinge in der Bundesrepublik bleiben können, für
die bei einer Rückkehr keine normalen Wohnungen zur Verfügung stünden und deren
angemessene Versorgung nicht gesichert sei. Kroatien bezeichnete der PRO ASYL- Sprecher
als das Land, das pro Kopf seiner Bevölkerung weitaus die meisten Kriegsflüchtlinge
aufgenommen habe, selbst aber durch den Krieg wirtschaftlich schwer mitgenommen
sei. PRO ASYL hielte es für nicht tragbar, wenn zur Rückkehr gezwungene
Menschen wieder in Lagern untergebracht würden.
18. Januar 1994
Solange sich die Türkei schwerster
Menschenrechtsverletzungen schuldig macht, muß es in
der Bundesrepublik einen Abschiebestopp für Kurden, Christen und Jeziden aus diesem Land geben. PRO ASYL fordert von
Bundesaußenminister Kinkel, sich eindeutig von der Unterdrückungspolitik der
türkischen Regierung zu distanzieren, die Einhaltung der Menschenrechte zu
fordern und die Flucht Tausender Menschen aus dem Nato-Land als Folge einer
verfehlten Nationalstaats-Politik zu verdeutlichen. PRO ASYL hält es auch für
unabdingbar, daß der Außenminister die deutsche
Botschaft in Ankara anweist. ungeschminkte Berichte über die Lage der
Minderheiten im ganzen Land zu liefern .
Im vergangenen Jahr haben 19.104 Menschen
aus der Türkei einen Asylantrag stellen können. Das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat 1993 über die Asylanträge von 21.451
türkischen Asylbewerbern entschieden. 3.577 wurden anerkannt, 17.874 abgelehnt.
Noch anhängig sind die Verfahren von 24.110 türkischen Staatsangehörigen. Die
Anerkennungsquote von 16,7% ist für bundesdeutsche Verhältnisse relativ hoch
(Die Durchschnittsquote liegt 1993 bei 4,5%). Sie signalisiert eine
menschenrechtlich so brisante Lage, daß auch
Menschen, die nicht als von staatswegen Verfolgte im
strengen Sinne des Wortes anerkannt werden, keinesfalls zwangsweise in ein
solches Krisenland zurückgeschickt werden dürften.
07. Januar 1994
In einem
Schreiben hat die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL den Regierenden Bürgermeister
von Berlin Eberhard Diepgen aufgefordert Angolaner vor der Abschiebung aus
Berlin zu bewahren. Flüchtlinge aus Angola, deren Asylantrag rechtskräftig
abgelehnt wurde, sollen Berlin zwangsweise verlassen. 15 von ihnen werden
derzeit kirchlicherseits versteckt, um
sie davor zu bewahren, in ein Bürgerkriegsgebiet abgeschoben zu werden.
In dem
Schreiben heißt es, niemand hätte Verständnis, wenn Berlin Flüchtlinge aus
Bosnien-Herzegowina in den Krieg abschieben wollte. Obwohl auch sie nicht als
politische Flüchtlinge anerkannt wären, würden sie vom Gesetz vor einer
Abschiebung geschützt, weil ihnen in ihrer Heimat Gefahr für Leib und Leben
droht. "Auch den Flüchtlingen aus
Angola steht dieser Schutz zu. Der Krieg in Angola hat, wie einer
dpa-Meldung vom 4.Januar d.J. zu entnehmen ist, im vergangenen Jahr einer
halben Million Menschen das Leben gekostet. Drei Millionen Menschen befinden
sich auf der Flucht. Damit ist dieser Bürgerkrieg der derzeit schwerste
Konflikt, der den Krieg in Bosnien-Herzegowina in seiner Grausamkeit noch
übertrifft".
Das Land
Berlin ist von der Gesetzeslage her befugt, einen sechsmonatigen
Abschiebeschutz zu gewähren und braucht hierfür nicht das Einvernehmen mit dem
Bundesinnenminister. PRO ASYL befürchtet allerdings, daß sich Innensenator
Heckelmann bisher dieser Maßnahme verweigert, weil es eine Absprache zwischen
den Innenministern und -senatoren gibt, keine isolierten Landesregelungen zu
treffen. " Einesolche
Absprache ist, wo es um Leib und Leben von Menschen geht, sicher nicht haltbar
und keinesfalls bindend", schreibt PRO ASYL.
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