Herbert Leuninger ARCHIV ASYL

Presserklärungen 1994

1988 - 1989 - 1990 - 1991 - 1992 - 1993 - 1994 - 1995

30. Dezember 1994.

Vereinbarung mit Fluggesellschaft:
PRO ASYL warnt vor "menschenrechtswidriger Kumpanei".

23. Dezember 1994.

"Christus als Illegaler"
Weihnachtsbotschaft: Appell für eine neue Flüchtlingspolitik.

22. Dezember 1994.

Abschiebehäftlinge haben mehr Mitmenschlichkeit als Berliner Innensenator
PRO ASYL unterstützt Forderung von Mithäftlingen, minderjährige Abschiebehäftlinge sofort zu entlassen.

10. Dezember 1994.

PRO ASYL beklagt "nur noch kosmetischen Menschenrechtsschutz".

26. November 1994. 8

HARMONIE AUF TIEFEM NIVEAU
EU-Konferenz der Justiz- und Innenminister  
weitere Einschnitte im Asylrecht, 8

18. Oktober 1994. 8

Kriegsdienstverweigerungs- und Flüchtlingshilfeorganisationen fordern:
 Keine Abschiebungen - Schutz für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. 8

13. Oktober 1994. 10

Nigerianer haben keine Chance
PRO ASYL kritisiert unfaire Anhörungen von Flüchtlingen am Frankfurter Flughafen. 10

10. Oktober 1994. 10

Zum Abschiebefall Kola Bankole:
Ärzteorganisationen und PRO ASYL stellen Fragen an die Staatsanwaltschaft 10

10. Oktober 1994. 17

100.000 Unterschriften gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit 17

5. Oktober 1994. 18

PRO ASYL begrüßt den Hessischen Vorstoß für eine Asylaltfallregelung. 18

30. September 1994. 18

Sofort Zurückschiebung von unbegleiteten minderjährigen Kindern stoppen! 18

29. September 1994. 19

Tag des Flüchtlings 1994:
PRO ASYL fordert neues Asylrecht
Grenzschützer haben den Auftrag, die Grenze zu schützen. 
Über das Schicksal von Flüchtlingen haben Flüchtlingsschützer zu entscheiden. 19

23. September 1994. 21

Staatsgrenze am Krankenbett?
PRO ASYL befürchtet weitere "Out of Area-Einsätze" des BGS im Inland. 21

20. September 1994. 22

Zum Anschlag  in Herford: 22

20. September 1994. 23

Zum Internationalen Tag des Kindes: 
PRO ASYL prangert Kinderfeindlichkeit des Bundesinnenministeriums an. 23

2. September 1994. 24

Nigerianer nach Beruhigungsspritze verstorben 
tödliche Abschiebung.. 24

1. September 1994. 24

55. Jahrestag der Entfesselung des 2. Weltkrieges: 
Mahnung und Verpflichtung für die Gegenwart. 24

 

31. August 1994. 25

PRO ASYL: Einheitlicher Standard für Flüchtlinge in Europa nötig

 

25. August 1994. 25

SPRECHER-WECHSEL BEI PRO ASYL. 25

16. August 1994. 25

BGS-Bericht OSTEUROPA -
HINTERHOF  DEUTSCHER  ASYLPOLITIK
. 25

16. August 1994. 26

Menschenwürde in der Abschiebehaft
ABSCHIEBEHÄFTLINGEN STEHT TASCHENGELD ZU
Berliner Gericht sieht persönlichen Bedarf nicht gedeckt. 26

3. August 1994. 26

unbegleitete Flüchtlingskinder
ABSCHIEBESCHUTZ NOTWENDIG
Kanther mißachtet Kindeswohl 26

20. Juli 1994. 27

Politiker sollen ein Zeichen zum 20. Juli setzen:
Schutz für Deserteure aus verbrecherischen Kriegen. 27

11. Juli 1994. 28

PRO ASYL verteidigt Kirchenasyl
Kirchenasyl mit Schutz von Nazi-Kollaborateur zu vergleichen absurd und demokratiefeindlich  28

28.Juni 1994. 29

Ein Jahr neues Asylrecht
FLÜCHTLINGE WEITGEHEND RECHTLOS
Gesetzesänderungen verlangt 29

14. Juni 1994. 35

Menschenrechtslage auf Kuba nach wie vor ernst BOTSCHAFTSFLÜCHTLINGE AUFNEHMEN.. 35

4. Mai 1994. 36

Folter bei abgeschobenen Kurden bestätigt
ABSCHIEBESTOPP FÜR KURDEN
Deutsche Botschaft unglaubwürdig. 36

2. Mai 1994. 36

Abschiebehaftanstalten in Nordrhein-Westfalen
FLÜCHTLINGE WIE VERBRECHER BEHANDELT
Abschiebestopp für Algerier gefordert 36

12. April 1994. 38

Die Zusammenarbeit der Geheimdienste 
DATENSCHUTZ UND ABSCHIEBUNG
Die informationelle Gefährdung. 38

01. April 1994. 39

Abschiebung von Kurden aus Bayern
KEINE ABSCHIEBUNG IN DIE TÜRKEI
Einhaltung der Menschen -und Minderheitenrechte  39

01. April 1994. 40

Beitrag für die Berliner Zeitung
Hat die Kurdenpolitik versagt?. 40

30. März 1994. 41

Spezialgefängnisse für Kurden?
ABSCHIEBESTOPP FÜR DIE GESAMTE TÜRKEI
Verhandlungen bestätigen schwere Menschenrechtsverletzungen. 41

23. März 1994. 42

SOLIDARITÄTSADRESSE AN KURDEN-VEREIN
gewaltfreier Kampf unterstützt 42

21. März 1994. 43

Informationsveranstaltung am 25.3.1994 in Berlin
BASSO-TRIBUNAL zum Asylrecht in Europa. 43

20. März 1994. 45

21. März - Antirassismustag der Vereinten Nationen
ROMA ALS OPFER VON RASSISMUS
prominenter Roma-Vertreter betroffen  45

07. März 1994. 46

NRW-Abschiebung über Rumänien
ABSCHIEBESTOPP FÜR MINDERHEITEN UND DESERTEURE AUS REST-JUGOSLAWIEN   46

16. Februar 1994. 47

Niedersachsens Grüne verzichten auf Fernsehwerbung
ZWEI SENDEPLÄTZE PRO ASYL ÜBERLASSEN
Spot gegen Abschiebung  47

13. Februar 1995. 48

PRO ASYL fordert Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Kroatien 
Sicherheit von Flüchtlingen nicht gewährleistet 48

7.Februar 1994. 49

Abschiebestopp für Kroatien und Rest-Jugoslawien REKRUTIERUNGSEMBARGO VERHÄNGEN!
Zwangsrekrutierung von abgeschobenen Männern befürchtet 49

24. Januar 1994. 50

Abschiebung nach Äthiopien
PING-PONG MIT FAMILIE BEFÜRCHTET
Lufthansa hatte Transport verweigert 50

19. Januar 1994. 52

Abschiebung kroatischer Flüchtlinge
GEGEN GENERELLE ABSCHIEBUNGEN
Lagerunterbringung befürchtet 52

18. Januar 1994. 52

Kinkel in der Türkei
FLUCHT NACH DEUTSCHLAND THEMATISIEREN
Abschiebestopp für Kurden, Christen und Jeziden. 52

07. Januar 1994. 53

Angolaner im Berliner Kirchenasyl
DIEPGEN SOLL ABSCHIEBUNG VERHINDERN 
gesetzliche Möglichkeit gegeben. 53


30. Dezember 1994

Vereinbarung mit Fluggesellschaft:
PRO ASYL warnt vor "menschenrechtswidriger Kumpanei"

Die Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL hat die Vereinbarung des Bundesgrenzschutzes mit der Fluggesellschaft "Ghana Airways" bezüglich der Rückführung ghanaischer und nigerianischer Flüchtlinge scharf kritisiert.

Wie der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft, Heiko Kauffmann, am Freitag der Presse mitteilte, liegt PRO ASYL ein Schreiben der Grenzschutzdirektion Koblenz vor, nach dem die "Ghana Airways" auf Anforderung die ansonsten vom Bundesgrenzschutz zu stellende Sicherheitsbegleitung rückzuführender Personen auf ihren Flügen nach Accra und Lagos übernehme.

Die zuständige Ausländerbehörde habe dem Abschiebeersuchen Angaben u.a. über "Personalien des Schüblings, Größe und Gewicht des Schüblings, Grund für Erfordernis der Sicherheitsbegleitung und weitere Besonderheiten" mitzuteilen. Dieser Brief lasse erahnen, daß bei einer solchen Praxis jegliche Kontrolle über eine menschenwürdige Behandlung und jeder demokratischer Einblick in die Abschiebepraxis verloren gehe.

Gerade nach dem Todesfall des Nigerianers Kola Bankole infolge der vom BGS veranlaßten Maßnahmen erwecke diese Vereinbarung - so Kauffmann - den Anschein einer "Flucht aus der menschenrechtlichen Verantwortung Deutschlands für Flüchtlinge".

Die Menschenrechtssituation Nigerias verbiete derzeit überhaupt Abschiebungen nach Lagos. Die Vereinbarung mit der "Ghana Airways" nannte Kauffmann "eine neue Dimension bundesdeutscher Abschottungs- und Abschiebepolitik, die im Ergebnis zu einer menschenrechtswidrigen Kumpanei zwischen den Behörden eines möglichen Verfolgerstaates und eines demokratischen Zufluchtslandes führen kann." Kauffmann forderte die Innenminister von Bund und Ländern auf, diese Vereinbarung "zu kassieren". Es dürfe in keinem Fall um die effizienteste und geräuschloseste Form einer Verwahrung und "Verschubung" von Menschen gehen. Bund und Länder trügen die Verantwortung für Leben, Sicherheit und die humane Behandlung von Flüchtlingen. Dieser Verantwortung könne sich die BRD auch im Neuen Jahr nicht durch die Hintertür entziehen.


23. Dezember 1994

"Christus als Illegaler"
Weihnachtsbotschaft: Appell für eine neue Flüchtlingspolitik

"Christus wäre in Deutschland als 'Illegaler' zur Welt gekommen; die Heilige Familie wäre von Abschiebung bedroht." Mit diesen Worten kennzeichnete der Sprecher von PRO ASYL, Heiko Kauffmann, die wachsende Kluft zwischen dem Kern der christlichen Weihnachtsbotschaft und der Politik gegenüber Flüchtlingen und Minderheiten in Deutschland.

Die Weihnachtsgeschichte sei ein Appell, politisches, soziales und moralisches Handeln in Übereinstimmung zu bringen.

Die gegenwärtigen Politikstrategien gegenüber Flüchtlingen und gesellschaftlichen Randgruppen zielten jedoch darauf ab, Schutz und Zuflucht suchenden Menschen Hilfe zu verweigern und sie vom "goldenen Westen" fernzuhalten. Dieser verdanke aber seinen Reichtum der Not der Armen in aller Welt und produziere durch seine Verschwendungssucht und Waffenexporte selbst immer mehr Fluchtgründe.

Es sei ein Akt der politischen Verrohung, so Kauffmann weiter, daß immer mehr Menschen durch eine von christlichen Politikern zu verantwortende Praxis zu "Illegalen" gemacht würden. Selbst unbegleitete Flüchtlingskinder seien von medizinischer Versorgung, Schulunterricht und sozialen Diensten ausgeschlossen. Viele kämen sogar in Abschiebehaft.

"Ein Leben in Würde - wie es das Grundgesetz garantiert - kann nur gelebt werden, wenn Würdelosigkeit, Unbarmherzigkeit und zunehmende Verrohung nicht weiter staatlich toleriert werden", sagte Kauffmann.

Viele Bürgerinnen und Bürger hätten dies erkannt und sich an Aktionen wie "Gewissen läßt sich nicht einfach abschieben" beteiligt. Kauffmann rief dazu auf, auch im neuen Jahr mit Zivilcourage und konkreten Aktionen gegen Abschiebungen, Inhaftierungen und die unwürdige Behandlung von Menschen gemeinsam Zeichen der Hoffnung und Solidarität zu setzen.

"Die Weihnachtsbotschaft  `Friede auf Erden' ist keine trügerische Idylle für drei Tage, sondern ein dauerhaftes Handlungskonzept für die Schaffung humaner Lebensverhältnisse für alle Menschen!", so Heiko Kauffmann abschließend.


22. Dezember 1994

Abschiebehäftlinge haben mehr Mitmenschlichkeit als Berliner Innensenator
PRO ASYL unterstützt Forderung von Mithäftlingen, minderjährige Abschiebehäftlinge sofort zu entlassen

In einem mutigen Appell haben sich erwachsene Mithäftlinge in der Berliner Haftanstalt Kruppstraße 15 an die zuständigen Behörden gewandt, um für jugendliche Mitgefangene die Entlassung zu erwirken. Die Jugendlichen sind bereits seit mehreren Monaten in Haft. Die äußerst inhumane Situation der Jugendlichen nahmen die erwachsenen Mithäftlinge zum Anlaß, die Verantwortlichen schriftlich "um Erbarmen" für sie zu bitten.

"Dieser Akt der Solidarität offenbart die Grausamkeiten unseres Abschiebesystems. Das Engagement der Mithäftlinge beschämt uns alle, die wir es zulassen, daß Menschen in derart unwürdige Situationen kommen", so Volker Maria Hügel, stellvertretender Sprecher von PRO ASYL.

PRO ASYL fordert die zuständigen Behörden auf, unverzüglich für die Jugendlichen eine angemessene Betreuung außerhalb der Haftanstalt zu gewährleisten und weitere Inhaftierungen von Jugendlichen zu unterlassen.


10. Dezember 1994

PRO ASYL beklagt "nur noch kosmetischen Menschenrechtsschutz"

Leisetreterei gegenüber Staaten mit schweren Menschenrechtsverletzungen und einen innenpolitisch nur noch "kosmetischen Menschenrechtsschutz" für Flüchtlinge beklagt die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL in einer Stellungnahme zum Tag der Menschenrechte.

PRO.ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann warnte vor einer "Minimalisierung der Menschenrechte und des Flüchtlingsschutzes" in der BRD. Viele Lageberichte des Auswärtigen Amtes legten die Vermutung "einer absichtsvollen Verharmlosung der Menschenrechtssituation in vielen Herkunftsländern" nahe, die zur Nichtanerkennung vieler bedrohter Flüchtlinge führe. PRO ASYL fordert Außenminister Kinkel auf, die deutschen Vertretungen in aller Welt anzuweisen, die Lageberichte auf der Grundlage der anerkannten Menschenrechtsnormen und völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik und nicht nach der politischen Opportunität der Regierungskoalition abzufassen.

Es sei politische Heuchelei, den Krieg in Ex-Jugoslawien zwar als "völkerrechtswidrig" anzuprangern, aber denjenigen Zuflucht und Hilfe zu versagen, die ihm entfliehen. Auch der UNHCR hat wiederholt gefordert, Abschiebungsschutz auch für Flüchtlinge zu gewähren, die zum Zeitpunkt ihrer Flucht gezwungen waren oder bei ihrer Rückkehr gezwungen wären, an völkerrechtswidrigen Handlungen teilzunehmen und bei denen insofern eine potentielle Strafe für Desertion oder für Nichtbefolgung der Einberufung als Verfolgung angesehen werden muß.

Kauffmann forderte zugleich Bund und Länder auf, endlich ihre humanitäre Blockadepolitik gegenüber Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus dem ehemaligen Jugoslawien, gegenüber Kosovo-Albanern, Kurden aus der Türkei, Flüchtlingen aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten, (z. B. Armenien, Angola und andere) aufzugeben und für diese Gruppen bundesweite Abschiebestopps zu erlassen.

Weitere Gefährdungen und Verletzungen der Menschenrechte gegenüber Flüchtlingen in der Bundesrepublik sieht PRO ASYL in der organisierten Unmenschlichkeit deutscher Abschiebehaftanstalten, in dem die Flüchtlinge entmündigenden Asylbewerberleistungsgesetz und einer bis zur Unkenntlichkeit eines rechtstaatlichen Verfahrens entstellten Anhörungs- und  Aberkennnungspraxis gegenüber zufluchtsuchenden Menschen.


26. November 1994

HARMONIE AUF TIEFEM NIVEAU
EU-Konferenz der Justiz- und Innenminister
 weitere Einschnitte im Asylrecht,

Drastische Einschnitte in das internationale Flüchtlingsrecht stehen auf der Tagesordnung - einer EU-Konferenz, zu der sich neben Bundesinnenminister Manfred Kanther die zuständigen Justiz- und Innenminister am 30.11. und 7.12  treffen. In einem Schreiben an den Ministerrat der Europäischen Union sieht die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL ihre Befürchtungen bestätigt, daß das deutsche Asylrecht Maßstab einer europäischen Harmonisierung auf unterstem Niveau werden könnte. PRO ASYL hofft, daß die anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft die humanitäre Dürftigkeit der deutschen Präsidentschaft erkennen und ihr an dieser Stelle die Zustimmung versagen.

Nach Informationen von PRO ASYL

  • soll Flüchtlings-, Menschenrechts- und Wohlfahrtsorganisationen der Zugang zum Verfahren verwehrt   werden, wenn sich nach behördlicher  Auffassung dadurch des Verfahren verzögern könnte. Hiervon soll sogar das UN-Hochkommissariart für Flüchtlinge (UNHCR) ) betroffen sein. Dagegen verpflichtet die Genfer Flüchtlingskonvention nach Art 35 die Regierungen dazu, in vollem Umfang mit dem UNHCR zu kooperieren;
  • soll die Möglichkeit für Flüchtlinge Rechtsmittel einzulegen, eingeschränkt werden. Wird ein Asylantrag auch nach Widerspruch als "offensichtlich unbegründet" eingestuft, soll der Flüchtling das Recht verlieren, dagegen vor Gericht zu gehen;
  • muß bei einer Abschiebung in einen sogenannten sicheren Drittstaat  nicht mehr feststehen, daß der Asylbewerber dort Zugang zu einem Verfahren hat. Damit droht die von der Genfer Flüchtlingskonvention untersagte Abschiebung in den Verfolgerstaat.

Zwar sollen diese und weitere Vereinbarungen zunächst rechtlich nicht bindend sein. Sie bedeuten jedoch eine weitere Aushöhlung der Genfer Flüchtlingskonvention. Das Europäische Parlament hat wiederholt gefordert, daß Europa nicht zur Festung gegen Flüchtlinge ausgebaut werden darf. Die oben genannten Absichten dienen nach Ansicht von PRO ASYL allein diesem Zweck.


18. Oktober 1994

Kriegsdienstverweigerungs- und Flüchtlingshilfeorganisationen fordern:
 Keine Abschiebungen - Schutz für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien

Nach der Aufhebung des Embargos gegenüber Restjugoslawien wird von verschiedenen westeuropäischen Ländern die Massenabschiebung von Deserteuren, Kriegsdienstverweigerern und Angehörigen von Minderheiten, darunter Kosovo-Albanern, geplant. Dagegen fordern Vertreterinnen und Vertreter von 25 Kriegsdienstverweigerungs- und Flüchtlingshilfeorganisationen aus der Schweiz, Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, Teilnehmende einer Fachtagung, die am Wochenende in Kassel stattfand, den weiteren aufenthaltsrechtlichen Schutz für diese Personengruppen, weil sich an der Unterdrückungspolitik gegenüber Minderheiten nichts geändert hat und Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern die erneute Rekrutierung droht.

Als gemeinsames Grundübel in der Flüchtlingspolitik vieler westeuropäischer Staaten wurde von den Teilnehmenden die inhumane Praxis kritisiert, denjenigen Flüchtlingen, die trotz einer radikalen Abschottungspolitik westeuropäische Staaten noch erreicht haben, ungeachtet der Fortdauer der Krise nur zeitweiligen Schutz zu geben. Im Abschlußdokument der Tagung heißt es: "Ihr prekärer ausländerrechtlicher Status setzt die Flüchtlinge vielfältigen Formen behördlicher Willkür aus. Angesichts ihrer schwierigen psychosozialen Situation muß dies den Flüchtlingen den Eindruck vermitteln, daß sie im Grunde unerwünscht sind." Den Betroffenen werde so jede Art von Lebensplanung unmöglich gemacht.

Weiter wird in der gemeinsamen Abschlußresolution festgestellt, "daß der durch die westeuropäischen Behörden ausgeübte Zwang, sich durch die Beantragung eines bestimmten Passes ethnisch zu definieren, um überhaupt in den Genuß einer Aufenthaltsmöglichkeit kommen zu können, den nationalistischen Irrsinn, dem viele Flüchtlinge sich gerade entziehen wollten, geradezu bestätigt".

Die Teilnehmenden vereinbarten eine engere Zusammenarbeit und die gemeinsame Unterstützung von phantasievollen Aktionen, um Abschiebungen zu verhindern und Flüchtlinge zu schützen. Dazu gehören etwa das inzwischen in mehreren hundert Fällen gewährte Kirchenasyl, die Aktivitäten der Deserteursorganisationen, im Einzelfall von Rekrutierung bedrohte Menschen aus den Kriegsgebieten herauszuholen und das offensive Bekenntnis vieler europäischer Städte und Gemeinden, Deserteuren Schutz zu bieten und sie auch gegen Regierungsweisung nicht abzuschieben.



13. Oktober 1994

Nigerianer haben keine Chance
PRO ASYL kritisiert unfaire Anhörungen von Flüchtlingen am Frankfurter Flughafen

Nigerianische Flüchtlinge, die am Frankfurter Flughafen einen Asylantrag stellen, erhalten keine faire Chance, ihr Anliegen zu Gehör zu bringen. Anstelle einer vernünftigen Sachverhaltsaufklärung findet fast immer nur eine schematische Glaubwürdigkeitsprüfung statt. Das ganze Verfahren ist daraufhin angelegt, nigerianische Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet ablehnen zu können.

Diese drastischen Vorwürfe erhebt die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL auf der Grundlage einer von ihr in Auftrag gegebenen Untersuchung zur Befragungs- und Entscheidungspraxis des Bundesamtes bei Flüchtlingen aus Nigeria, die PRO ASYL heute in Frankfurt vorstellt. Untersucht wurden mehr als 20 Anhörungsprotokolle und Entscheidungen des Bundesamtes. An mehreren Einzelfällen wird die problematische Befragungspraxis der Entscheider näher dargestellt.

"Flüchtlinge aus Nigeria werden behandelt, als kämen sie aus einem Land, das auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten steht. Was auch immer sie erzählen, es wird nicht ernst genommen", so kommentiert PRO ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann die Untersuchung. Immer noch sei es so, daß die permanenten Verstöße gegen rechtstaatliche Verfahrensgrundsätze von der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichtes Frankfurt regelmäßig abgesegnet würden.

Mit der tatsächlichen Situation in Nigeria lasse sich nicht erklären, daß die Quote derer, die am Rhein-Main-Flughafen zur Durchführung eines regulären Asylverfahrens einreisen dürften, im Falle Nigerias nur 13,5 % betrage (zum Vergleich: Einreisequote gesamt 86,5 % im Vergleichszeitraum vom 01.01.94 bis 15.06.94). Denn extralegale Hinrichtungen, Inhaftierungen von Regimegegnern ohne Anklage und unfaire Prozesse vor Sondertribunalen gehörten zum Alltag in Nigeria, insbesondere seit der Annullierung der Wahlen durch die Militärregierung im Jahre 1993.


10. Oktober 1994

Zum Abschiebefall Kola Bankole:
Ärzteorganisationen und PRO ASYL stellen Fragen an die Staatsanwaltschaft

Zum Fall des am 30.08.1994 auf dem Rhein-Main-Flughafen bei seiner Abschiebung Tode gekommenen Nigerianers Kola Bankole geben die Ärzteorganisationen

  • IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.,
  • Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und die
  • Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL

folgende Erklärung ab:

Nach nunmehr fünf Wochen liegen der Öffentlichkeit immer noch nicht die Ergebnisse des endgültigen Obduktionsberichtes vor. Mit ihrer selektiven und unverständlichen Informationspolitik hat es die Frankfurter Staatsanwaltschaft selbst zu verantworten, daß das Mißtrauen gegenüber ihrer Ermittlungstätigkeit wächst.

Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Staatsanwaltschaft zwei Tage nach dem Tod des Herrn Bankole und am Ende einer unverständlichen Nachrichtensperre mit der Begründung, es gelte "unterschiedlichen Gerüchten entgegenzutreten", lediglich einen Teilbefund vom Zustand des Herzens veröffentlicht und dann schweigt - bis zur Veröffentlichung des offenen Briefes von Frankfurter Ärzten an die Kollegen der Flughafenklinik, in dem "als Todesursache ein Ersticken durch Knebelung" für möglich gehalten wird. Plötzlich sieht sich die Staatsanwaltschaft in der Lage, das bis dahin unbekannte Faktum bekanntzugeben, daß bei der Abschiebung dem Flüchtling ein sogenannter Beißschutz angelegt worden war.

Auch in dieser Presseerklärung der Staatsanwaltschaft vom 5. Oktober 1994 bleibt unerwähnt, inwieweit und von wem Bankoles Atmung und Herzschlag nach der Beruhigungsmittelverabreichung gegen 14.00 Uhr bis zur Alarmierung des Notarztes gegen 14.20 Uhr überwacht wurden. Erklärungsbedürftig bleibt, warum dieser dann um 14.25 Uhr "nur noch den Tod feststellen" konnte und keine Wiederbelebungsversuche über eine halbe Stunde hinweg fortführte oder begann, falls der begleitende Arzt diese bis zum Eintreffen des Notarztes versäumt hatte.


Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Staatsanwaltschaft Frankfurt auf, nunmehr unverzüglich ein endgültiges Obduktionsergebnis vorzulegen. Sie stellen der Staatsanwaltschaft im folgenden 18 Fragen, die sich entweder auf der Basis des ersten Obduktionsberichtes, der durch die Staatsanwaltschaft zu veranlassenden Sicherstellungen oder erster Vernehmungen, die bereits erfolgt sein müßten, beantworten lassen.

  • Frage 1: Warum liegt das Ergebnis der in der Presseerklärung der Staatsanwalt vom 01.09. und 05.10.1994 angesprochenen feingeweblichen Untersuchung des Herzens durch die Gerichtsmedizin noch immer nicht vor?
  • Frage 2: Warum liegt das in den selben Presseerklärungen angesprochene Gutachten über Art und Menge der gespritzten Beruhigungsmittel noch immer nicht vor (übliche Untersuchungsdauer: 1 Tag)?
  • Frage 3: Sind die leergespritzten Ampullen durch den Arzt aufgehoben und sachgerecht nach Menge und Injektionszeit dokumentiert worden?
  • Frage 4: Sind die leeren Ampullen und die medizinische Dokumentation durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt worden?
  • Frage 5: Falls ja, warum äußerte sich die Staatsanwaltschaft Frankfurt zwar kurz nach Bekanntwerden des Todesfalles zum Herzbefund, der ein überkritisches Herzgewicht ergeben und einen natürlichen Tod nahegelegt haben soll "um unterschiedlichen Gerüchten entgegenzutreten", nicht aber zu der Frage, welche Medikamente in welcher Dosierung verwendet worden sind?
  • Frage 6: Warum wird erstmals nach fünf Wochen und nur aufgrund des Anstosses durch den offenen Brief der Ärzteorganisationen die Verwendung eines sogenannten "Beißschutzes" zugegeben, ohne daß auf Nachfrage von Journalisten weitere Angaben zu dessen Aussehen und Funktion gemacht werden? Ist dieser "Beißschutz" von der Staatsanwaltschaft sichergestellt worden?  
  •                                  -

  • Frage 7: Kann durch einen solchen "Beißschutz" die Atmung beeinträchtigt werden?
  • Frage 8: Hat der vorläufige Obduktionsbefund ggf. Hinweise auf Verstopfung der Luftröhre oder andere Ursachen einer Erstickung gegeben? Sind erstickungstypische petechiale Blutungen festgestellt worden?

  • Frage 9: Sind über den "Beißschutz" hinaus weitere Maßnahmen zur Anwendung gekommen, um möglicherweise ein lautes Schreien zu verhindern, wie etwa Knebel oder Mundpflaster? Ist ein Gummikeil zur Vermeidung von Zungenbissen verwendet worden?
  • Frage 10: Sind die Arztkoffer durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt worden?

  • Frage 11: Hatten der begleitende Arzt und der hinzugerufene Notarzt die für die Beatmung und Notfallbehandlung akuter Herz-Kreislaufstörungen notwendigen Gerätschaften (Beatmungsbeutel mit Atemmaske oder Intubationsbesteck und Guedeltubus, EKG und Defibrillator)? Hatte der begleitende Arzt Herrn Bankole von 14.00 Uhr bis zur Todesfeststellung in ständiger Beobachtung?

  • Frage 12: Haben Beatmungs- oder Reanimationsversuche stattgefunden? Von wann bis wann? Wann trat Bewußtlosigkeit ein, wann Herz- und Atemstillstand, wie war der EKG-Befund?

  • Frage 13: Haben die Ermittlungen bislang Ergebnisse gebracht, die geeignet sind zu beurteilen, ob durch die kombinierte Anwendung einer Betäubungsspritze und eines technischen Hilfsmittels, zumindest aber eines sogenannten "Beißschutzes", zusätzliche Risiken entstanden sind, die bei der jeweils einzelnen Verwendung eines dieser Mittel nicht entstanden wären?

  • Frage 14: Für den Fall, daß keine Anhaltspunkte  für eine Einengung der Atemwege durch Außeneinwirkung festgestellt werden konnten: Wurde ein Guedeltubus zum Freihalten der Luftwege während des Abschiebungsvollzuges und der Betäubungsmedikation eingeführt, um bei einem eventuellen Eintreten von Bewußtlosigkeit ein Ersticken zu vermeiden oder sofort beatmen zu können?

  • Frage 15: Wenn nein: Wäre eine solche übliche Vorsichtsmaßnahme bei Anlegen des sogenannten "Beißschutzes" überhaupt möglich gewesen?

  • Frage 16: Liegen, ggf. als Ergebnis der ersten Obduktion, ärztliche Erkenntnisse vor, die geeignet sein könnten, Behauptungen von Zeugen, Herr B. sei bei einem wenige Tage zurückliegenden vorherigen Abschiebeversuch schwer geschlagen worden, zu bestätigen oder zu widerlegen (z.B. Feststellung alter Blutergüsse)?

  • Frage 17: Gibt der vorläufige Obduktionsbefund Aufschlüsse über ggf. vorliegende frische Blutergüsse?

  • Frage 18: Liegen der Staatsanwaltschaft schriftliche Arztberichte des Begleitarztes und des Notarztes vor? In welchem Zeitablauf wurden Beatmung, Herzmassage oder Defibrillation durchgeführt?

Nach Auffassung der unterzeichnenden Organisationen kann die Staatsanwaltschaft Frankfurt für ihre restriktive und selektive Informationspolitik nicht mehr das Argument in Anspruch nehmen, sie handele im Interesse des Opfers und werde weitere Ermittlungen nicht gefährden. Sie hat selbst Teilbefunde veröffentlicht, die geeignet sein könnten, eine bestimmte Version des Ablaufes der Ereignisse nahezulegen. Der Frankfurter Staatsanwaltschaft muß daran gelegen sein, den Skandal der gewaltsamen Abschiebung nicht vollends zu einem Skandal der Ermittlungsbehörden werden zu lassen.


gez. Prof. Dr. Ulrich Gottstein

Vorstand der IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.

gez. Claus Metz

IPPNW, Regionalgruppe Frankfurt/Main

gez. Dr. Winfried Beck

Vorsitzender des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte

gez. Heiko Kauffmann

Sprecher der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL



10. Oktober 1994

100.000 Unterschriften gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Einhunderttausend Menschen haben den Aufruf "Nein zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus" unterzeichnet. Zahlreiche prominente Persönlichkeiten wie zum Beispiel der verstorbene Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Heinz-Werner Meyer, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Egidius Braun und die Hamburger Bischöfin, Maria Jepsen haben diesen Aufruf unterzeichnet. Sie appellieren an die Bürgerinnen und Bürger:

"Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch! Geben Sie Ihre Stimme keinen Politikern und keiner politischen Partei, die mit Angst vor Fremden Stimmen zu gewinnen versuchen."

Die Unterschriftenaktion fand vor allem bei Veranstaltungen zur Woche der ausländischen Mitbürger eine breite Unterstützung. Für die Initiatoren, die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, die Abteilung ausländische Arbeitnehmer des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes und den Interkulturellen Beauftragten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, wies Jürgen Micksch darauf hin:

Erfreulich sei, daß die "Angst vor Überfremdung" nicht - wie von der CDU/CSU angekündigt - das beherrschende Thema des Wahlkampfes wurde. Tausende haben sich mit ihrer Unterschrift, durch Veranstaltungen und Gespräche mit Politikern aktiv gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus eingesetzt. Zusammen mit dem Engagement zahlreicher Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hatte dies seine politische Wirkung: Rechtsextreme Parteien haben bei den Wahlen zum Bundestag keine Chance. Allerdings war das Engagement des alten Bundestages zur Überwindung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus unzureichend. Es komme nun darauf an, daß der künftige Bundestag ein umfangreiches Aktionsprogramm gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus verabschiede und damit das Engagement der Bürgerinnen und Bürger unterstütze.

Von den 662 Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben 116 den Aufruf "Nein zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus" unterzeichnet. Die Mehrzahl der Abgeordneten kommt von der SPD (88 von 239). Von den 319 Abgeordneten der CDU/CSU haben 6, darunter die Bundestagespräsidentin, Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth und Dr. Heiner Geißler, den Aufruf unterzeichnet. Von den 8 Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen haben 3, von den 17 der PDS 4, von den 79 Abgeordneten der FDP 7 den Aufruf unterschrieben.


5. Oktober 1994

PRO ASYL begrüßt den Hessischen Vorstoß für eine Asylaltfallregelung

"Der neue Hessische Innenminister Bökel hat in seiner kurzen Amtszeit viel Mut bewiesen, heiße Eisen anzupacken", so bewertet Heiko Kauffmann, Sprecher - der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, den hessischen Vorstoß der Asylaltfallregelung im Bundesrat. Erfreulich sei insbesondere, daß Innenminister Gerhard Bökel bei seinem Regelungsvorschlag nicht nur an eine schematische Altfallregelung für Personen mit extrem langem Aufenthalt gedacht habe, sondern sich dafür einsetze, daß Asylbewerber aus Ländern mit hohen Anerkennungsquoten sowie türkische Kurden und Tamilen aus Sri Lanka unter bestimmten Voraussetzungen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten könnten. Hierdurch könnte für einen Teil dieser Personengruppen die Gefahr der Abschiebung in Folter und Bürgerkrieg vermieden werden.

Gleichzeitig mahnt PRO ASYL den Erlaß bundesweiter Abschiebestopps nach § 54 Ausländergesetz an. Die nächste Innenministerkonferenz im November dürfe sich nicht erneut auf mangelnde Einstimmigkeit zurückziehen. Es müßten dort Abschiebestopps für Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten zustande kommen. Darunter fallen insbesondere Kurden aus der Türkei, Albaner aus dem Kosovo, Angolaner, Sudanesen, Togolesen sowie Flüchtlinge aus Afghanistan, Liberia und Zaire.

"Eine Altfallregelung darf nicht mit Abschiebestoppregelungen verrechnet werden", erklärt PRO ASYL - Sprecher Kauffmann. Während eine Altfallregelung zu großen Teilen den Interessen der Bundesrepublik entgegenkomme, nämlich die Verwaltungsgerichte zu entlasten, gehe es bei dem Erlaß von Abschieberegelungen unmittelbar um die Verwirklichung von  Menschenrechten.


30. September 1994

Sofort Zurückschiebung von unbegleiteten minderjährigen Kindern stoppen!

"Gewissen läßt sich nicht einfach abschieben." Unter diesem Motto finden am heutigen bundesweiten Tag des Flüchtlings mehr als 400 Veranstaltungen statt. Kirchenasyl und die immer rigorosere Abschiebungs- und Zurückweisungspolitik stehen im Zentrum vieler Veranstaltungen. PRO ASYL dankt den Tausenden von

Menschen, die sich in diesen Tagen für Flüchtlinge engagieren, bei Begegnungsveranstaltungen teilnehmen und sich für bessere Rechte von Flüchtlingen einsetzen.

Dieses Engagement in breiten Teilen der Bevölkerung läßt bisher den Bundesgrenzschutz und den Bundesinnenminister kalt. Skrupellos schob der Bundesgrenzschutz mit Billigung des Bundesinnenministeriums gestern drei kurdische Kinder zurück. Sie waren unbegleitet auf dem Flughafen Rhein-Main angekommen. Ihr Vater hat in Deutschland bereits einen Asylantrag gestellt und hält sich in Bremen auf. Der Vater der Kinder hat einen Rechtsanwalt beauftragt, den Kindern die Einreise zu erstreiten. PRO ASYL wird sich sowohl an den Rechtsanwaltskosten als auch an den etwaigen Flugkosten, um die Kinder erneut nach Deutschland fliegen zu lassen, finanziell beteiligen.

PRO ASYL sind bisher mindestens acht ähnliche Fälle aus den letzten Wochen bekannt. PRO ASYL wirft dem Bundesinnenminister vor, wissentlich das Haager Minderjährigenschutzabkommen zu verletzen und sich aus dem internationalen Recht auszuklinken. Den Bundesinnenminister fordert PRO ASYL auf, zu Recht und Gesetz zurückzukehren. Es sei ein Skandal ersten Ranges, daß Bundesinnenminister Dr. Kanther den Gesetzesbruch seines Bundesgrenzschutzes dulde, erklärte Volker Maria Hügel, stellvertretender Sprecher von PRO ASYL.


29. September 1994

Tag des Flüchtlings 1994:
PRO ASYL fordert neues Asylrecht
Grenzschützer haben den Auftrag, die Grenze zu schützen.
Über das Schicksal von Flüchtlingen haben Flüchtlingsschützer zu entscheiden.

Die Novellierung des Asylrechts fordert PRO ASYL vom künftigen Bundestag und der neuen Bundesregierung. Hierzu hat PRO ASYL Vorschläge erarbeitet, die zum Tag des Flüchtlings am 30. September 1994 rund 12.000 Initiativgruppen und Mitgliedern des Fördervereins PRO ASYL e. V. zugesandt wurden.

Die Hauptforderung ist, daß die Bundesrepublik Deutschland wieder das internationale Flüchtlingsrecht uneingeschränkt anwendet. Dem widerspricht es, wenn Grenzschützer Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen, ohne daß sie Gelegenheit hatten, ihre Asylgründe vorzutragen und zu begründen, warum sie in dem angeblich sicheren Drittstaat nicht sicher sind.

PRO ASYL fordert, die Drittstaatenregelung außer Kraft zu setzen. Die Mindeststandards der Genfer Flüchtlingskonvention müssen auch in Deutschland Anwendung finden:

Dem Ausländer/der Ausländerin ist die Einreise aus einem Drittstaat zu gestatten,

  • wenn begründete Zweifel bestehen, daß der Flüchtling im Drittstaat Zugang zu einem an den Mindestgarantien der Genfer Flüchtlingskonvention gemessenen Asylverfahren hat oder
  • wenn sich ein Mitglied der Kernfamilie bereits mit einem Aufenthaltsstatus oder geduldet in der Bundesrepublik aufhält.
  • Vor einer Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in einen sicheren Drittstaat hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unabhängig von der Frage der politischen Verfolgung zunächst zu prüfen, ob dem Ausländer/der Ausländerin außerhalb der Bundesrepublik Menschenrechtsverletzungen drohen.

Diesen Forderungen widerspricht übrigens nicht, daß der Bundestag mit 2/3-Mehrheit das Grundgesetz geändert hat. Denn durch eine einfachgesetzliche Regelung kann dem einzelnen eine großzügigere Rechtsposition eingeräumt werden, als grundsetzlich festgelegt. Einleuchtendes Beispiel: Die Versammlungsfreiheit ist in Artikel 8 a GG als Deutschenrecht ausgestaltet: Nur die Deutschen dürfen sich unter freiem Himmel versammeln. Durch das Versammlungsgesetz wird dieses Recht dagegen jedermann eingeräumt.

PRO ASYL fordert des weiteren:

  • die Wiederherstellung der Effektivität des Rechtsschutzes;
  • Sorgfältige und umfassende Anhörungen der Flüchtlinge, bei denen auch zugunsten der Flüchtlinge ermittelt wird;
  • bessere Möglichkeiten für Bundesländer, auch über ein halbes Jahr hinausgehende Abschiebestopps für bedrohte Flüchtlinge zu erlassen;
  • eine Altfallregelung, so daß seit mehreren Jahren dauernde Asylverfahren beendet werden;
  • die Aufhebung der Diskriminierung von Flüchtlingen durch die Streichung des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Hinweis: Ein ausführliches Thesenpapier mit Mindestforderungen an ein neues Asylrecht senden wir auf Wunsch gerne zu.


23. September 1994

Staatsgrenze am Krankenbett?
PRO ASYL befürchtet weitere "Out
of Area-Einsätze" des BGS im Inland

Gegen den Anfang September aus dem Gebäude C 183 im Transitbereich des Frankfurter Flughafens entkommenen nigerianischen Asylsuchenden Wale B. wird keine Abschiebehaft verhängt. Das ist das Ergebnis einer Anhörung im Rahmen des Freiheitsentziehungsgesetzes, die am Mittwoch unmittelbar am Krankenbett des Betroffenen stattfand. Der Beschluß des Amtsgerichtes Frankfurt/Main wurde erst heute im Wortlaut bekannt. Die Anordnung der Sicherungshaft gegen den schwerverletzt in einer Frankfurter Unfallklinik liegenden Flüchtling sei nicht verhältnismäßig. Es bestehe Suizidgefahr.

Der BGS hatte beantragt, den Betroffenen zur Sicherung seiner Zurückschiebung für drei Monate in Haft zu nehmen. Dies hätte möglicherweise auch den Transfer in ein Krankenhaus des Justizvollzuges bedeutet.

Der BGS hatte vertreten, daß er in einem 30 km-Radius um den Flughafen Frankfurt herum gemäß § 2 Bundesgrenzschutzgesetz für die Beseitigung von Störungen und die Abwehr von Gefahren zuständig sei. Dies bedeutet, daß Menschen, die nach Auffassung des BGS als noch nicht eingereist gelten, im Krankheitsfall bis in die Kliniken hinein zu bewachen wären. Der Beschluss des Amtsgerichtes Frankfurt/Main setzt sich mit diesem Rechts- und Selbstverständnis des BGS allerdings nicht auseinander.

"Wir sind erleichtert, daß ein schwerverletzter Mensch nicht noch zusätzlich in Haft genommen wird", so der Kommentar des PRO ASYL - Sprechers Heiko Kauffmann. Es sei jedoch eine schreckliche Vorstellung, daß sich Klinikchefs und Ärzte im Einzugsbereich internationaler Flughäfen auf die Anwesenheit von BGS-Beamten an Flüchtlingskrankenbetten einzustellen hätten, wenn sich die Rechtsauffassung des BGS durchsetze.

Gleichzeitig macht PRO ASYL darauf aufmerksam, daß dies keineswegs der erste Versuch des BGS gewesen sei, die deutsche Außengrenze an ein Krankenbett im Hinterland zu verlegen. Bereits im Oktober 1993 war die somalische Asylsuchende Khadija Awale vom Frankfurter Flughafen in die Uniklinik Frankfurt gebracht und dort rund um die Uhr von BGS-Beamten bewacht worden.

"Out of Area-Einsätze des Grenzschutzes" nennt dies Kauffmann. "Der zunehmenden Militarisierung bei der Überwachung der deutschen Außengrenzen folgt nun konsequenterweise die Militarisierung des Hinterlandes durch die Omnipräsenz des BGS."


20. September 1994

Zum Anschlag  in Herford:

Abscheu und Entsetzen äußerten die PRO ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann und Volker Maria Hügel in einer Stellungnahme zum Mord- und Brandanschlag in Herford.

"Solange sich Rechtsradikale und Rassisten durch eine unbarmherzige Asylpolitik bestätigt sehen könnten, wird es keine Sicherheit für hier lebende Flüchtlinge und Migrantenfamilien geben. Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse und ritualisierten Entsetzensbekundungen wie nach Hünxe, Mölln, Rostock und Solingen", so Kauffmann und Hügel. Die Barbarei des Rassismus lasse sich nur stoppen durch ein aktives und unzweideutiges Engagement für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sowie gegen jede Form eines völkischen Nationalismus.

Am 30. September 1994 findet bundesweit unter dem Motto "Gewissen läßt sich nicht einfach abschieben" der Tag des Flüchtlings statt. PRO ASYL ruft alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, Flüchtlingen ihre Solidarität zu bekunden. "Jetzt müssen Tausende auf die Straße gehen. Laßt Flüchtlinge in ihrer Angst, daß sie die nächsten sind, nicht allein", fordern Heiko Kauffmann und Volker Maria Hügel.


20. September 1994

Zum Internationalen Tag des Kindes:
 PRO ASYL prangert Kinderfeindlichkeit des Bundesinnenministeriums an

Über die kontinuierliche Verschlechterung der Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen seit der Asylrechtsänderung 1993 ist PRO ASYL tief besorgt. Wie der Sprecher von PRO ASYL, Heiko Kauffmann, erklärte, ist der Erlaß des Bundesministeriums des Innern (BMI), das im novellierten Asylrecht vorgesehene beschleunigte Flughafenverfahren künftig auch konsequent auf Minderjährige anzuwenden, "Ausdruck einer institutionellen Kinderfeindlichkeit". Der Erlaß verstoße gegen die Kinderkonvention der Vereinten Nationen. Diese verpflichte auch die Bundesrepublik Deutschland dazu, minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen die Einreise und den Aufenthalt zu gewähren.

Das Flughafenverfahren sieht besondere Schutzmaßnahmen, die dem Kindeswohl Rechnung tragen, etwa die Einschaltung von Jugendbehörden oder Betreuungsorganisationen, nicht vor.

Statt ihrer Verpflichtung nachzukommen, die innerstaatlichen Gesetze mit den Bestimmungen der UN-Konvention in Einklang zu bringen, nirrlmt die Bundesrepublik die Mißachtung geltenden nationalen und internationalen Rechts in Kauf.

PRO ASYL fordert den klaren und eindeutigen Handlungsauftrag vom Gesetzgeber ein, den völkerrechtlichen Geboten zum Minderjährigenschutz endlich gerecht zu werden.

Als Leitlinien nennt PRO ASYL.

  • Kindeswohl und Jugendwohl geht vor Ausländer- und Asylrecht;
  • Gleichstellung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ih kinder- und jugendrechtlicher Hinsicht;
  • keine Anwendung der Drittstaaten- und Flughafenregelung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge;
  • Aufenthalts- und Bleiberecht für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, auch außerhalb des Asylverfahrens (nach § 32 AusIG); insbesondere die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für die Zeit des Clearingverfahrens (6 Monate);

  • eine großzügige Altfallregelung für die bereits in der Bundesrepublik lebenden Kinder und
  • Jugendlichen, die bis zum Stichtag, 30. Juni 1993, in die BRD eingereist sind;
  • absolutes Verbot der Inhaftierung von Minderjährigen zur Sicherung der Abschiebung (nach § 57 Abs. 2 AuslG).

PRO ASYL unterstützt die hessische Ministerin, Iris Blaul, in ihrem Anliegen, minderjährige Flüchtlinge weiterhin aus dem Flughafenverfahren herauszuhalten. PRO ASYL fordert die Bundesländer auf, bis zu einer gemeinsamen Umsetzung der UN-Konvention von der Abschiebung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge abzusehen.


2. September 1994

Nigerianer nach Beruhigungsspritze verstorben
 tödliche Abschiebung

PRO ASYL fordert die rückhaltlose Aufklärung der Todesumstände, des in Folge einer medizinischen Zwangsbehandlung am 1. 9. auf dem Rollfeld des Frankfurter Rhein-Main Flughafen verstorbenen  nigerianischen Flüchtlings, dessen Namen wir nicht kennen. Die Fesselung, die zwangsweise Ruhigstellung und das rigorose und gnadenlose Vorgehen gegen Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen und sich nichts haben zu schulden kommen lassen, wirft ein grelles Licht auf die organisierte Unmenschlichkeit der deutschen Abschiebepraxis,

PRO ASYL  fordert die sofortige Beendigung der inhumanen Abschiebehaft und Abschiebepraxis.


1. September 1994

5. Jahrestag der Entfesselung des 2. Weltkrieges:
Mahnung und Verpflichtung für die Gegenwart

Anläßlich des 55. Jahrestages der Entfesselung des 2. Weltkrieges durch Hitler-Deutschland ruft die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL Bevölkerung und Politik auf, sich verstärkt für Flüchtlinge und Minderheiten einzusetzen.

Wie PRO ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann am 1. September 1994 in Frankfurt erklärte, sei die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer dieses Krieges die wichtigste Mahnung und Verpflichtung für die Gegenwart. Es gelte, dem schleichenden Gift des Rassismus, des Antisemitismus und des Nationalismus in jeder Form energischer und entschiedener zu widerstehen.

Mit über 50 Millionen Toten, Millionen von Verwundeten, der Verfolgung, Unterdrückung und Vernichtung anderer Völker, Kulturen, religiöser, ethnischer und politischer Minderheiten und in seiner Folge der millionenfachen Flucht von entwurzelten und vertriebenen Menschen war der 2. Weltkrieg der mörderischste Krieg in der Geschichte der Menschheit.

Wer Demokratie heute nur für deutsche Bürgerinnen und Bürger fordere, mit dem Schreckgespenst der "Überfremdung" in den Wahlkampf ziehe und Deutschland oder Europa vor Flüchtlingen - die Zuflucht vor Krieg, Terror, Unterdrückung, Hunger und Chaos suchten - abschotte, habe die Lehren der deutschen Vergangenheit nicht begriffen oder biedere sich bewußt beim rechtsextremen Wählerpotential an.

Die Wurzeln des Rassismus - so Heiko Kauffmann weiter - ließen sich nur durch soziale und wirtschaftliche Reformen, durch Lebensperspektiven für alle Menschen, durch den Ausbau und die Erweiterung von Demokratie und Bürgerbeteiligung und durch eine klare Friedenspolitik beseitigen. Nicht völkisches Gedankengut oder Großmachtträume dürften in den Mittelpunkt des Handelns gestellt werden, sondern die Würde jedes Menschen und die Verwirklichung seiner Grund- und Menschenrechte.

Dies gelte es heute, gerade 1994, für Flüchtlinge, Einwanderer/innen und Minderheiten zu bewahren und zu erkämpfen! PRO ASYL ruft die Bundesbürgerinnen und -bürger zur Beteiligung auf an der Woche der ausländischen Mitbürger/Interkulturellen Woche vom 25. September bis 1. Oktober 1994 unter dem Motto "Frieden gestalten - Ja zu einem Miteinander ohne Gewalt" und zum Tag des Flüchtlings am 30. September 1994, der unter dem Leitmotiv steht "Gewissen läßt sich nicht einfach abschieben!"


31. August 1994

Pro Asyl: Einheitlicher Standard für Flüchtlinge in Europa nötig

Frankfurt/Main (dpa) - Eine einheitliche Behandlung von Flüchtlingen in ganz Europa hat die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl gefordert. "Wir möchten mit dazu beitragen, daß in Europa ein einheitlicher Standard auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gleichmäßig auf alle Flüchtlinge angewendet wird", sagte Pro-Asyl-Sprecher Herbert Leuninger der dpa in Frankfurt. Der 62jährige gibt sein Amt nach acht Jahren Sprechertätigkeit auf, um an diesem Donnerstag (1. September) die neue Aufgabe des Europa-Referenten von Pro Asyl zu übernehmen.

Als Europa-Referent wolle er sich nicht nur um die Asylproblematik innerhalb der Europäischen Union kümmern, kündigte Leuninger an. Vor allem mit den jungen osteuropäischen Demokratien und den dortigen Flüchtlingsinitiativen solle der Kontakt ausgebaut werden.

Als "schweren Rückschlag" für die Arbeit der Asyl-Initiativen in Deutschland bezeichnete Leuninger das Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes am 1. Juli 1993. "Ich habe das persönlich als eine politische Katastrophe empfunden." Der Pro-Asyl-Sprecher lobte in diesem Zusammenhang die verschiedenen Hilfsorganisationen in Deutschland: "Trotz dieses Schocks haben sie die Arbeit sehr schnell und engagiert wieder aufgenommen." Er fürchte jedoch, daß mit dem neuen Gesetz "das Ende der Entwicklung noch nicht erreicht" sei.

Auch wenn das Asylgesetz kaum wieder rückgängig gemacht werden könne, strebe Pro Asyl seine Novellierung an, sagte Leuninger. Statt der Sachleistungen solle es wieder "normale Leistungen für alle Flüchtlinge" geben. Außerdem sollten Abschiebstopps für bestimmte Gruppen "realistischer gehandhabt", die Fristen für Einsprüche verlängert und die Anhörung neu ankommender Flüchtlinge verbessert werden. Leuninger kritisierte auch die häufig monatelange Abschiebehaft abgelehnter Bewerber: "Das kann so nicht sein."

In den acht Jahren seiner Sprecher-Tätigkeit habe Pro Asyl "als Gruppierung, die gegen den Strom zu schwimmen hatte, eine gute Akzeptanz", meinte Leuninger. "Wenn wir die nicht gehabt hätten, sähe es in Sachen Asyl heute wohl noch schlechter aus, als es sich ohnehin aus unserer Sicht darstellt." Leuningers Funktion als Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft übernehmen bis zum Jahreswechsel kommissarisch der Pro-Asyl-Mitgründer
Heiko Kauffmann (Düsseldorf) und
Volker M. Hügel vom Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen (Münster).


25. August 1994

SPRECHER-WECHSEL BEI PRO ASYL

Herbert Leuninger, seit 8.9. 1986 Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYLübernimmt zum 1.September die neue Aufgabe eines Europa-Referenten der Organisation.

Bis zur endgültigen Regelung seiner Nachfolge werden als kommissarische Sprecher die beiden Mitglieder der Sprecher-Gruppe tätig:
Heiko Kauffmann
Tel.: 02132-76123 Fax: 02132-76123 und

Volker M. Hügel.
Tel.: 0251-511184 Fax: 0251-46206

Leuninger wird sich für die europäische Vernetzung in der Asyl-Arbeit und eine stärkere Zusammenarbeit mit europäischen Einrichtungen einsetzen.


16. August 1994

BGS-Bericht
OSTEUROPA - HINTERHOF  DEUTSCHER  ASYLPOLITIK

Osteuropa ist zum Hinterhof der deutschen Asylpolitik geworfen. Dies erklärte die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL zu dem von Bundesinnenminister Manfred Kanther vorgelegten BGS-Bericht.

Die Flucht unzähliger Menschen aus den Kriegs- und Krisengebieten der Welt nach Westeuropa oder Skandinavien scheitere immer häufiger an den Grenzen. Die Grenzsicherungen würden auch ohne Todesstreifen und Schießbefehle fast unüberwindlich. Eine reguläre Einreise sei für Flüchtlinge rechtlich ausgeschlossen. Dies führe dazu, daß sich mittlerweile hunderttausende Flüchtlinge in den Ländern Osteuropas ohne ausreichende Versorgung und Asylschutz aufhielten. So gesehen hat die Bundesrepublik nicht zur Lösung sondern zur Verschärfung des Flüchtlingsproblems beigetragen.


16. August 1994

Menschenwürde in der Abschiebehaft
ABSCHIEBEHÄFTLINGEN STEHT      TASCHENGELD  ZU
Berliner Gericht sieht persönlichen Bedarf nicht gedeckt.

Ausländer in Abschiebehaft haben grundsätzlich einen Anspruch auf Geld- und Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das entschied - wie jetzt bekannt wurde - die achte Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin (AZ VG 8 A 285,94). In dem Beschluss wurde das Land Berlin verpflichtet, einem Abschiebehäftling während der Abschiebehaft ein monatliches Taschengeld in Höhe von 80,-- DM zu gewähren.

Das Gericht betrachtet es als einen wesentlichen Nachteil, wenn ein Ausländer in Abschiebehaft für länger als eine Woche auf die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens verzichten muss. Hierfür sieht das Gesetz ein Taschengeld vor. Die Richter orientieren sich an dem Grundziel des Bundessozialhilfegesetzes, wonach jedem Menschen die Führung eines Lebens ermöglicht werden soll, das der Würde des Menschen entspricht.

Da der Polizeipräsident von Berlin jedenfalls zur Zeit keine Leistungen erbringe, die die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens abdeckten, sei der volle vom Gesetz vorgesehene Betrag von 80,- DM zu gewähren.

PRO ASYL sieht sich in seiner Forderung bestätigt, daß in Abschiebehaft genommene Flüchtlinge einen Anspruch auf finanzielle Mittel haben, um Kontakte mit der Außenwelt, mit Anwälten, .Angehörigen und Initiativen aufnehmen zu können, daß sie aber auch die Möglichkeit haben müssen, ein paar Zigaretten, Briefmarken oder Zeitungen zu kaufen.

PRO ASYL bedauert es, daß die Behörden durch die Gerichte gezwungen werden müssen, rechtsstaatlich zu handeln. Die Organisation erwartet, daß der unanfechtbare Berliner Beschluß zu entsprechenden Konsequenzen in allen anderen Bundesländern führt. Dies könnte auch zu einer gewissen Entspannung in den Abschiebehaftanstalten führen, in denen abgelehnte Asylbewerber gegen eine nmenschliche Behandlung protestiert haben.


3. August 1994

nbegleitete Flüchtlingskinder
ABSCHIEBESCHUTZ    NOTWENDIG
Kanther mißachtet Kindeswohl

Als Mißachtung von Kindeswohl und UN-Kinderkonvention betrachtet PRO ASYL die Kritik von Bundesinnenminister Manfred Kanther am hessischen Abschiebestopp für elternlose Flüchtlingskinder.

Mit der Ratifizierung der Kinder Konvention im Jahre 1992 ist die Bundesrepublik trotz eines Vorbehalts verpflichtet

"geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt oder nach Maßgabe der anzuwendenden Regeln und Verfahren des Völkerrechts oder des innerstaatlichen Rechts als Flüchtling angesehen wird, angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung der Rechte erhält, die in diesem Übereinkommen oder in anderen internationalen Übereinkünften ... festgelegt sind" (Artikel 22).

Des weiteren verpflichtet das Übereinkommen die Vertragsstaaten dazu, den Kindern, deren Eltern oder sonstige Familienangehörige nicht ausfindig gemacht werden können, denselben Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem Grund dauernd oder vorübergehend aus seiner familiären Umgebung herausgelöst wird.

Auch nach innerdeutschem Recht geht das Wohl eines Kindes allen ordnungs- oder ausländerpolitischen Überlegungen vor. Deswegen ist es absurd, daß Kanther seinem hessischen Kollegen Gerhard Bökel den Bruch des Asylkompromisses vorhält, während er die Mißachtung geltenden nationalen und internationalen Rechts in Kauf nimmt. Eine Abschiebung, die das Wohl des Kindes nicht berücksichtigt, ist rechtswidrig. Angesichts des Flüchtlingselends von Bosnien bis Ruanda, das vor allem Kinder betrifft, betrachtet PRO ASYL Kanthers Sorge um vermehrte Fluchthilfe bei einem Abschiebeschutz für Kinder als abwegig.

PRO ASYL begrüßt die hessische Entscheidung, daß unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht mehr abgeschoben werden, wenn ihre Betreuung im Heimatland nicht gesichert ist. Diese Entscheidung sollte auch für ältere Jugendliche gelten, die als Minderjährige eingereist sind und keine vertretbare Rückkehrchance haben.


20. Juli 1994

Politiker sollen ein Zeichen zum 20. Juli setzen:
Schutz für Deserteure aus verbrecherischen Kriegen

PRO ASYL, die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, ruft dazu auf, aus dem 20. Juli 1944 Lehren für die Gegenwart zu ziehen. "Wer den Widerstand gegen Terror und Gewalt nur als historisch betrachte, betreibe eine Vergangenheitsbewältigung des Verdrängens und Vergessens", erklärte Heiko Kauffmann, stellvertretender Sprecher von PRO ASYL. Das Vermächtnis des 20. Juli und die Lehren für die Gegenwart bestehe im unerschrockenen Eintreten für Menschenrechte und politisch Verfolgte, in Zivilcourage und aufrechtem Gang gegen Machtmissbrauch und Willkür.

PRO ASYL fordert, die Verweigerung der Teilnahme an einem international verurteilten Krieg als Asylgrund anzusehen, wie es die parlamentarische Versammlung des Europarates am 10. Juni gefordert hat. Gerade in Deserteure und Wehrdienstverweigerer müsse man die Hoffnung für einen künftigen Frieden setzen. Immer noch werde es von Politik und Rechtsprechung zur innerstaatlichen Angelegenheit auch verbrecherischer Regime erklärt, wenn diese Menschen gegen ihr Gewissen zum Kriegsdienst heranzögen und - '>im Falle Restjugoslawiens - in völkerrechtswidrigen Kriegen einsetzten.

PRO ASYL unterstützt den Münchner Oberbürgermeister Dr. Christian Ude in seiner Weigerung, trotz Anweisung durch die bayerische Staatsregierung Deserteure und Kriegsdienstverweigerer in das ehemalige Jugoslawien abzuschieben.

"Desertion und Kriegsdienstverweigerung sind damals wie heute ebenso legitime Mittel des Widerstandes gegen verbrecherische Regime wie der Tyrannenmord", so PRO ASYL­Sprecher Heiko Kauffmann. "Sie verdienen den Schutz unseres Asylrechts."


11. Juli 1994

PRO ASYL verteidigt Kirchenasyl
Kirchenasyl mit Schutz von Nazi-Kollaborateur zu vergleichen absurd und demokratiefeindlich

Die Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL verurteilt entschieden den Vergleich, den NRW Landespolizeipfarrer Martin Krolzig in der jüngsten Ausgabe der Polizeigewerkschaftszeitung Deutsche Polizei (7/94) gezogen hat. Krolzig setzt den kirchlichen Schutz eines zum Tode verurteilten Nazi-Kollaborateurs mit dem Kirchenasyl gleich. In beiden Fällen stelle sich die Kirche gegen das Gesetz.

"Und genau da irrt Krolzig, denn die Grund- und Menschenrechte bilden die Grenze für staatliche Rechtsanwendung, nicht die möglicherweise strittige Auslegung einfacher Gesetze", so PRO ASYL in einer ersten Stellungnahme. Es ist falsch zu sagen, es handele sich hierbei um zweierlei Recht - hier die Asyl- und Ausländergesetze und dort die Kirchen, die gegen die aus diesen Gesetzen resultierenden Zwangsmaßnahmen Kirchenasyl gewähren; vielmehr geht es darum, nach vorangegangener sorgfältiger Prüfung, den Grund- und Menschenrechten Geltung zu verschaffen, wenn durch die befürchteten Abschiebungen eben diese Grund- und Menschenrechte verletzt zu werden drohen. Hier muß die Kirche sich auf die Seite der Bedrängten stellen.

"Kirchenasyl ist angesichts der rigorosen Abschiebungspolitik in der Bundesrepublik eine der wenigen rechtstaatlichen "Notbremsen". Beim Schutz von Verfolgten vor Abschiebung handelt es sich nicht darum, Verbrecher ihrer Strafverfolgung zu entziehen, sondern es geht um Menschen, deren einziges "Verbrechen" darin besteht, kein Asyl oder keinen Abschiebungsschutz erhalten zu haben. Dies in die Nähe von aktiver Strafvereitelung zu rücken, bedeutet die Gewissensentscheidung von Gemeindemitgliedern in über 200 Kirchengemeinden in Deutschland zu desavouieren." (so abschließend Volker Maria Hügel)


28.Juni 1994

Ein Jahr neues Asylrecht
FLÜCHTLINGE WEITGEHEND RECHTLOS
Gesetzesänderungen verlangt

Das neue Asylrecht hat den Flüchtling weitgehend rechtlos gemacht. Er kann nur noch "illegal" die Grenze überschreiten und nur durch "illegales" Verschweigen seines Fluchtweges ein Asylverfahren erreichen. In diesem Verfahren ist er völlig überfordert. Er wird nur noch mangelhaft auf seine Fluchtgründe hin angehört: Der Rechtsschutz wird durch kaum einzuhaltende Fristen für Anwälte und Gerichte ausgehebelt. Am Ende stehen entweder eine übereilte Abschiebung, die Abschiebehaft oder der Versuch, sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Diese Personengruppe dürfte inzwischen bis zu einem Drittel der abgelehnten Asylbewerber ausmachen. Das neue Asylrecht hat die Zahl der "legalen" Flüchtlinge vermindert, um die der "illegalen" zu erhöhen. Die Fluchtursachen und die Fluchtbewegungen haben sich nicht verändert.

Es nützt dem inneren Frieden nicht dieser Entwicklung tatenlos zuzusehen oder ihr durch die Militarisierung einer tief gestaffelten Grenzabwehr bzw. durch Kriminalisierung von Flüchtlingen zu begegnen. "Illegalität" darf nicht der Flüchtlingsstatus der Zukunft sein. Daher fordert PRO ASYL rechtliche Änderungen. Sie können durch den einfachen Gesetzgeber unterhalb einer Grundgesetzänderung erfolgen. In Europa wäre es das Signal für eine Harmonisierung des Asylrechts auf dem Niveau der Genfer Flüchtlingskonvention.

Die Forderungen sollen im Rahmen einer demnächst beginnenden Kampagne an die Parteien und an die Bundestagskandidatenlinnen herangetragen werden. Sie beziehen sich hauptsächlich auf das Asylverfahrensgesetz und beschränken sich auf einige Bereiche. Wir halten sie für vereinbar mit dem veränderten Grundgesetz:

1. Die Drittstaatenregelung

Dem Ausländer ist die Einreise aus einem Drittstaat zu gestatten,

  • wenn begründete Zweifel bestehen, daß der Flüchtling im Drittstaat Zugang zu einem an den Mindestgarantien der Genfer Flüchtlingskonvention gemessenen Asylverfahren hat oder
  • wenn sich ein Mitglied der Kernfamilie bereits mit einem Aufenthaltsstatus oder geduldet in der Bundesrepublik aufhält.

  • Diese Änderung geht davon aus, daß das Bundesverfassungsgericht die ausnahmslose Geltung der Drittstaatenregelung in Frage stellen dürfte.

Vor einer Abschiebung in einen sicheren Drittstaat hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zunächst zu prüfen, ob dem Ausländer außerhalb der Bundesrepublik Menschenrechtsverletzungen drohen.

  • Diese Forderung ergibt sich aus der Ankündigung des Bundesverfassungsgerichtes im sogenannten Griechenlandfall, die Frage entsprechend prüfen zu wollen.

2. Die Anhörung

Der Ausländer darf frühestens am 7. Tag nach seiner förmlichen Antragstellung angehört werden

Ihm ist bei der Antragstellung ein Merkblatt in der gewünschten Sprache auszuhändigen, auf dem detailliert auf die Notwendigkeit eines umfassenden und substantiierten Vortrags bei der Anhörung hingewiesen wird.

Dem Asylbewerber ist Gelegenheit zu schriftlicher Antragsbegründung zu geben, die von Amts wegen zu übersetzen und bei der Anhörung zu verwerten ist.

  • Das Herzstück des Asylverfahrens ist die Anhörung. Deswegen muß bei seiner Gestaltung das größte Gewicht auf sorgfältige und möglichst erschöpfende, am Grundrecht auf Asyl und am Menschenrechtsschutz orientierte Aufklärung, gelegt werden.
  • 1993 hat das Bundesamt über Asylanträge von 513.561 Personen entschieden. Soweit diese Entscheidungen (ca. 320.000) neu eingereiste Asylbewerber betrafen, wurden die Flüchtlinge spätestens am 4.Tag nach Antragstellung angehört.
  • Die Anhörungsprotokolle und die Asylbescheide lassen das Urteil zu, daß in ungezählten Fällen die Antragsteller nicht ausreichend befragt wurden. Bei vielen Protokollen wird deutlich, daß voreingenommen und zu Lasten der Antragsteller gefragt und entschieden wurde. So wird z.B. bei Kurden aus der Türkei, wenn sie Folterungen angeben, weder nach Einzelheiten noch nach Folterspuren am Körper gefragt. Werden Aussagen bezweifelt, unterbleibt die Nachfrage nach Zeugen. Sind Zeugen benannt, werden sie so gut wie nie gehört.
  • Im übrigen entsprechen die Forderungen den Verfahrens-Kriterien im einschlägigen Handbuch des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR).

3. Die Fristen

Die Ausreisefrist hat in jedem Fall mindestens einen Monat zu betragen und darf nicht mit der Rechtsmittelfrist zusammenfallen.

  • Fallen beide Fristen zusammen, wird das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz von Gesetzes wegen vereitelt.

Die Frist für einen Stopantrag ist von einer auf mindestens zwei Wochen zu verlängern.

Ersatzlos sind alle den Richtern für ihre Entscheidung gesetzten Fristen zu streichen.

  • Sie sind ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz. Viele Gerichte überschreiten die gesetzten Fristen um Wochen und Monate.
  • Mangelhafte Vorbereitung auf die Anhörung und eine unzulängliche Anhörung führen zu fehlerhaften Bescheiden, vor allem wo "offensichtlich unbegründete" Anträge abgelehnt werden. Dies betrifft 47% aller Sachentscheidungen des Bundesamtes in 1993. Darunter sind Anträge von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina, Afghanistan und der Türkei (Kurdistan). In diesen Fällen beträgt die Klagefrist eine Woche, die für den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ebenfalls eine Woche und die Frist für die Begründung eine Woche.
  • Ein qualifizierter Anwalt kann - von Ausnahmen abgesehen einem Flüchtling innerhalb dieses Zeitraums keinen Termin für eine gründliche Befragung mit einem Dolmetscher geben. Ein effektiver Rechtsschutz ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich.

4. Die Flughafenregelung

Sie ist ersatzlos zu streichen.

  • Die hier dem Bundesgrenzschutz, dem Bundesamt, dem Flüchtling, seinem Anwalt und den Richtern gesetzten Fristen, aber auch der besondere Internierungsstress bei den Asylbewerbern sprechen gegen ein korrektes Verfahren.

5. Das Asylbewerberleistungsgesetz

Dieses Gesetz ist ersatzlos abzuschaffen.

  • Sein Abschreckungseffekt ist mehr als bedenklich und zweifelhaft. Die Umstellung der gekürzten Sozialhilfe auf Sachkosten führt zu einer verminderten Versorgung der Flüchtlinge und zu einer Erhöhung des behördlichen Aufwands. Außerdem ist die unterschiedliche Behandlung von Flüchtlingen in den Einrichtungen mit großen Schwierigkeiten verbunden. Flugs streben die Innenminister an, das Gesetz auf alle Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge auszudehnen.

Die notwendigen Änderungen im Ausländergesetz, die auf eine vernünftige Altfallregelung, auf Abschiebestopps für gefährdete Flüchtlingsgruppen und auf die Möglichkeit humanitärer Einzelfallentscheidungen durch die Ausländerbehörde abheben, können hier nur angemeldet werden. Entsprechende Forderungen werden zu einem späteren Zeitpunkt erhoben.


14. Juni 1994

Menschenrechtslage auf Kuba nach wie vor ernst
BOTSCHAFTSFLÜCHTLINGE AUFNEHMEN

Für die Aufnahme der 21 kubanischen Flüchtlinge, die in die deutsche Botschaft von Havanna geflüchtet sind, setzt sich die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL ein. Die spektakuläre Flucht dieser Menschen ist ebenso ernst zu nehmen wie seinerzeit die unserer Landsleute in die Botschaften Osteuropas. Wenn Flüchtlinge Kuba als die Hölle auf Erden bezeichneten, sei dies ein Hinweis darauf, daß Kuba trotz gewisser wirtschaftlicher Veränderungen immer noch eine Diktatur sei. Die Beurteilung der Botschaftsflucht durch die kubanischen Behörden als eine offensichtliche Provokation lasse auf schlimme Folgen schließen, sollten die Flüchtlinge mit vagen Versprechungen zum Verlassen der Botschaft veranlaßt werden. In 1993 haben 78 Kubaner einen Asylantrag in der Bundesrepublik gestellt. Allerdings wurden im gleichen Jahr nur zwei als asylberechtigt anerkannt. Bei der restriktiven Entscheidungspraxis des Bundesamtes ist dies aber kein Beleg für die wirkliche Menschenrechtslage auf der Zuckerinsel.


4. Mai 1994

Folter bei abgeschobenen Kurden bestätigt
ABSCHIEBESTOPP FÜR KURDEN
Deutsche Botschaft unglaubwürdig

Einen generellen Abschiebstopp für Kurden aus der Türkei fordert die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL von der am Donnerstag und Freitag auf der Insel Usedom tagenden Innenministerkonferenz. Entgegen allen Beteuerungen von Bundesinnenminister Manfred Kanther und anderen Länderinnenministern werden abgeschobene Kurden in der Türkei mißhandelt und gefoltert.Dies habe sich jetzt durch den morgen erscheinenden Bericht in der Hamburger Zeitung "Die Woche" bestätigt. Die siebenköpfige kurdische Familie Cetin wurde am 6.4.1994 aus dem Asylbewerberheim Pima-Oberposta in Sachsen in die Türkei abgeschoben. Trotz gegenteiliger Versicherungen der türkischen Regierung gegenüber der Bundesregierung wurde der Familienvater nach seiner Ankunft in Istanbul von türkischen Sicherheitsorganen verhaftet und gefoltert. In einem Gespräch mit der deutschen Botschaft habe, wie dassächsische Innenministerium mitteilte, Herr Cetin allerdings seine Vorwürfe widerrufen.Durch die neuerliche Bestätigung des Foltervorwurfs werden nicht nur diese sondern auch andere diesbezügliche Aussagen der Botschaft höchst unglaubwürdig. Völlig verfehlt ist deswegen auch ein Abschiebekonzept der Bundesregierung, das sich auf Zusagen der türkischen Regierung verlassen will, daß abgeschobene Kurden nicht gefoltert würden.Nach Einschätzung von PRO ASYL droht der Familie Cetin in ihrem Versteck jetzt größte Gefahr. Daher fordert die Organisation von der Bundesregierung, die Wiedereinreise der Familie zu betreiben und ihr einen sicheren Aufenthaltsstatus zu geben.


2. Mai 1994

Abschiebehaftanstalten in Nordrhein-Westfalen
FLÜCHTLINGE WIE VERBRECHER BEHANDELT
Abschiebestopp für Algerier gefordert

Als Ausdruck großer Verzweiflung betrachtet PRO ASYL die Vorgänge in den Hafthäusern Leverkusen-Opladen und Büren bei Paderborn. Flüchtlinge, die nichts anderes "verbrochen" hätten, als einen Asylantrag zu stellen und keine Ausweispapiere zu besitzen, fühlten sich als Verbrecher eingesperrt und behandelt.

Hierzu erklärt PRO ASYL:

Die nordrhein-westfälische Landesregierung ist mit der Einrichtung solcher Anstalten der Vorreiter eines rigorosen Umgangs mit abgelehnten Asylbewerbem. Zwar sieht das neue Asylrecht die leichtere Inhaftierung von Flüchtlingen vor, bei denen die Vermutung besteht, daß sie sich einer Abschiebung entziehen wollen. Dies führt aber dazu, daß der Freiheitsentzug zu schnell und zu häufig angewendet wird. Unvertretbar wird diese Maßnahme aber dann, wenn sie sich gerade bei Algeriern über einen Zeitraum von vielen Monaten erstreckt. Hier kann die Abschiebehaft den Charakter der Freiheitsberaubung annehmen, die sofort beendet werden muß.

Die Haftanstatten selbst erfüllen nicht einmal den Mindeststandard, wie er im normalen Strafvollzug immer noch selbstverständlich ist. So fehlt es an Sozialdiensten, Dolmetschern und den Möglichkeiten der Hafterleichterung. Auch verfügen die Flüchtlinge über kein Geld für Telefon oder für ein paar Zigaretten. Es ist ihnen daher kaum möglich, mit Familienangehörigen oder sozialen Diensten Kontakt zu halten. Besonders bedenklich ist es aber für PRO ASYL, daß es den Flüchtlingen praktisch verwehrt ist, durch Anwälte ihre Rechte zu verteidigen. Zur Bewachung werden schwarze Sheriffs eingesetzt, die für diese Aufgabe keinerlei Voraussetzungen haben.

PRO ASYL verweist auf die besondere Angst der algerischen Flüchtlinge, in ihre Heimat abgeschoben zu werden und fordert daher auch für diese Personengruppe einengenerellen Abschiebestopp. Der Bundesgrenzschutz gibt bei einer Abschiebung abgelehnter Asylbewerber deren Daten gezielt an die algerischen Sicherheitsbehörden weiter .


12. April 1994

Die Zusammenarbeit der Geheimdienste
DATENSCHUTZ UND ABSCHIEBUNG
Die informationelle Gefährdung

Die bisherige Zusammenarbeit der deutschen und türkischen Geheimdienste und die Übereinkunft von Schengen stellen eine besondere Gefährdung für alle Kurden der, die politisch aktiv geworden sind und denen die Abschiebung in die Türkei droht,

  • Seit 1979 gibt es eine Tabu-Liste zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Bundesrepublik und die Türkei verpflichten sich zum Nachrichtenaustausch über die in der listengenannten Personen und Gruppen. Zu diesen Gruppen gehört u.a. die PKK. Das niedersächsische Innenministerium bestätigt 1984, daß der NATO-Partner Türkei aus der Bundesrepublik mit Informationen über Oppositionelle versorgt wird. Dies geschieht im Rahmen des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.
  • Der bundesdeutsche Verfassungsschutz beobachtet seit Jahren die politischen Aktivitäten türkischer und kurdischer ,Gruppen. Als Beleg für die Verfassungsfeindlichkeit wird regelmäßig die Kritik an der türkischen Regierung angesehen. Als weiterer Beweis gilt die Unterstützung türkischer Oppositionsgruppen.
  • Der türkische Geheimdienst kann ziemlich ungeniert in der Bundesrepublik operieren. Im September 1987 berichtet eine türkische Zeitung, daß 465 türkische Lehrkräfte vor ihrer Entsendung ins Ausland einen Monat lang vom türkischen Geheimdienst (MIT) für die Beobachtung "separatistischer" und "oppositioneller“ Organisationen ausgebildet wurden.
  • Im Zusammenhang mit dem PKK-Verbot berichtet die türkische Zeitung "Hürriyet" am 28.11.1993, daß drei BKA-Beamte Informationen über die PKK-Vereine vom türkischen Sicherheitsdienst angefordert hätten. Die "Verantwortlichen" hätten der deutschen Polizei zwei Ordner mit Material über die Tätigkeit der Organisation in Deutschland überreicht. Interessent an dieser Mitteilung dürfte vor allem sein, daß sich die Bundesrepublik offensichtlich bei ihren politischen Entscheidungen auch solcher Daten bedient, die u.U. auf datenrechtlich illegale Weise beschafft wurden.
  • Das von Schengen vorgesehene Informationssystem (SIS) darf auch dazu genutzt werden, Daten an "Stellen außerhalb des Hoheitsgebietes der Vertrragspartner“ zu übermitteln. Damit ist SIS eine potentielle Datenbasis für die Polizei, das Militär und die Geheimdienste von Verfolgerländern, natürlich auch der Türkei.
  • Wie ein Informationsaustausch aussieht, ist einem Schreiben der Bundesgrenzschutzdirektion Koblenz an die Grenzchuizbehörden vom 28.10.1993 zu entnehmen. Darin geht es um Abschiebungen nach Algerien:

    - Die Anträge an das algerische Generalkonsulat auf Ausste(Iung von Passersatzpapieren erhalten nach gegenseitiger Absprache künftig den ausdrücklichen Zusatz "Asylbewerber". (Damit wird deutlich gemacht, daß es sich um Menschen handelt, die gegen die Regierung sind)

    - Die Grenzschutzdirektion gibt vor der anstehenden Abschiebung dem Generalkonsulat die Flugdaten bekannt. Wörtlich heißt es dann: "Das Generalkonsulait übermittelt die Flugdaten auch nach  Algerien, um sicherzustellen, daß der algerische Staatsangehörige auch den algerischen Sicherheitsbehörden zugeführt wird."


01. April 1994

Abschiebung von Kurden aus Bayern
KEINE ABSCHIEBUNG IN DIE TÜRKEI
Einhaltung der Menschen- und Minderheitenrechte

Zu den bevorstehenden Abschiebungen von Kurden aus Bayern erklärten Angelika B e e r, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen und PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger:

Bayerns Innenminister Günther Beckstein mache sich zum Spießgesellen türkischer Folterknechte, wenn er Kurden in das politisch aufgewühlte Land am Bosporus ausweise.

Bündnis 90/Grünen und PRO ASYL fordern einen generellen Ausweisungsschutz für Kurden, bis in der Türkei die Menschen- und Minderheitenrechte voll respektiert werden. Dies zu beurteilen sei allerdings eine internationale und nicht eine bayerische Aufgabe, erklärte PRO ASYL-Sprecher Leuninger.

'Wer die Augen vor Folter, Mord und Vertreibung gegenüber dem kurdischen Volk in der Türkei verschließt und - wie Beckstein - das Schicksal und die Not der bei uns lebenden Kurdlnnen missbraucht, um weiterhin ausländerfeindliche Stimmung zu schüren, hat sein Amt verfehlt, erklärte Angelika Beer, die gerade aus der Türkei zurückgekehrt ist.


01. April 1994

Beitrag für die Berliner Zeitung
Hat die Kurdenpolitik versagt?

Nach den Autobahnblockaden und Selbstverbrennungen der Kurden gaben sich Bund und Länder erstaunt. Mit der Gewalt, die damit verbunden war, hatten sie nicht gerechnet. Dabei war Bonn gewarnt. Menschenrechtsorganisationen hatten vertraulich auf eine absehbare Eskalation zum Newroz-Fest hingewiesen. Diese Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Auch die Vorschläge, vor diesem Termin ein deutliches Signal der Solidarität mit den Kurden in der Südosttürkei und in der Bundesrepublik zu setzen. Diese - und nicht nur die gewaltbereite PKK -- waren tief enttäuscht über den Schmusekurs Bonns mit Ankara, ein Kurs, der mit Waffen und Rüstungsgütern gespickt ist .

Aber weder die Türkei noch die Bundesrepublik sind bisher in der Lage mit Minderheiten menschenrechtlich umzugehen. So ist es mehr als töricht, wenn sich Kohl der offiziellen Lesart seiner Kollegin Ciller anschließt, es gehe bei den Kurden nur um die Bekämpfung von Terrorismus. Bonn hat bisher kein wirkliches Verständnis für Minderheiten an den Tag gelegt. Seit vielen Jahren gibt es in Deutschland eine kurdische Bevölkerung von nahezu einer halben Million. Diese wird als solche erst seit dem Verbot der PKK und den Ausschreitungen zur Kenntnis genommen, Dabei geht es mehrheitlich um Menschen, die im Rahmen der Anwerbung türkischer Arbeiter nach Deutschland kamen und als höchst friedliche Menschen ansässig geworden sind. Zehntausende Kurden sind danach vor dem Terror des türkischen Militärs nach Deutschland geflüchtet. Dort leben ihre Verwandten, Nachbarn und Landsleute. Politische oder kulturelle Minderheitenrechte wie etwa Unterricht in der Muttersprache haben diese allerdings nicht. Dabei körnte die Bundesrepublik zeigen, wie eine Demokratie ethnische Gruppen respektiert, ohne gleich um den nationalen Bestand zu fürchten.

Die Kurden werden sich ihrer Identität immer bewusster. Das zeigt sich in ihren Heimatländern aber auch in der Bundesrepublik. Diese Entwicklung kann und darf nicht mit Gewalt unterdrückt werden. Leider tun Kohl und Kanther derzeit alles, um die Kurden in die Arme der PKK zu treiben. Dabei schlägt der Kurden - raus -Populismus die tollsten Kapriolen. So gibt es im Haus Kanters die Idee von einer Art gläserner Gefängnisse. Dort sollen in die Türkei abgeschobene Kurden untergebracht werden. So sei leichter zu prüfen, ob wirklich auch nicht gefoltert wird. Es ist fern jeder Realität, Inseln der Rechtsstaatlichkeit in ein einem Meer von Menschenrechtsverletzungen schaffen zu wollen.

Die Bonner Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger(FDP) hat dieser Tage gezeigt, wie mit einem Staat umzugehen ist, der die Menschenrechte verletzt. Sie las dem aus Peking angereisten Kollegen bei einer Tischrede die Leviten. Dem gefror das traditionelle Lächeln im Gesicht. Durch die Unterdrückung der Opposition in China werde die seit Jahren gewachsene Basis eines außergewöhnlichen Vertrauens erheblich gefährdet, sagte die Ministerin. Bonn gebärdete sich an dieser Stelle so ungewohnt deutlich, weil es der amerikanische Außenminister Warren Christopher bei seinem China-Besuch Mitte März vorgemacht hatte. Dabei nahm er die Kritik amerikanischer Wirtschaftsbosse in Kauf.

Man stelle sich vor, Kohl hätte mit der türkischen Regierungschefin bei ihrem Besuch In Bonn ähnlich Tacheles geredet und ein Waffenembargo verkündet. Vermutlich wären sowohl die Demonstrationen wie auch die strafbaren Ausschreitungen ausgeblieben. Denn in Ankara gäbe es eine höchst verschnupfte Ministerpräsidentin, die ihre oder der Generäle Kurdenpolitik von Bonn nicht gedeckt sähe.


30. März 1994

Spezialgefängnisse für Kurden?
ABSCHIEBESTOPP FÜR DIE GESAMTE TÜRKEI
Verhandlungen bestätigen schwere Menschenrechtsverletzungen

Einen Abschiebestopp für Kurden, der sich auf die gesamte Türkei bezieht, fordert die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL.

Die deutsch-türkischen Verhandlungen über die Rücknahme kurdischer Demonstranten, denen Gewalttaten vorgeworfen werden, sind für PRO ASYL das amtliche Eingeständnis dafür, daß am Bosporus die Menschenrechte mißachtet werden. Das geplante Sonderabkommen über die Einhaltung international geltender und von der Türkei ratifizierter Konventionen sei im Grunde eine massive Anklage des NATO-Partners vor der Weltöffentlichkeit. Zugegeben werde mit den gegenseitigen Absprachen auch, daß die Menschenrechtsverletzungen nicht nur für die Südosttürkei sondern für das ganze Staatsgebiet gelte. Damit wird die Konstruktion eines sicheren  Westteils, in den Kurden abgeschoben werden könnten, hinfällig.

Die Einschätzung gelte auch unabhängig von dem dementierten Plan, Spezialgefängnisse für abgeschobene Kurden in der Türkei einzurichten, die von deutscher Seite besser überwacht werden könnten. "Inseln der Rechtsstaatlichkeit in einem Meer von Menschenrechtsverletzungen schaffen zu wollen, hieße den Bonner Populismus Kapriolen schlagen lassen", erklärte PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger.


23. März 1994

SOLIDARITÄTSADRESSE AN KURDEN-VEREIN
gewaltfreier Kampf unterstützt

Mit einer Solidaritätsadresse hat sich` PRO ASYL an den Bundesverband der Vereine aus Kurdistan e. V. KOMKAR in Köln gewandt. PRO ASYL arbeitet seit Jahren mit dieser Organisation, von der es in allen größeren Städten der Bundesrepublik Vereine gibt, und der Friedensbewegung in der Kurden-Frage zusammen.

Es folgt der Wortlaut der Adresse:

PRO ASYL unterstützt wie bisher Ihren gewaltfreien Kampf gegen die Unterdrückung und Vernichtung des kurdischen Volkes durch die türkische Regierung. Demonstrationen, die in Gewalt gegen sich und andere umschlagen, werden die Spirale des Terrors in IhrerHeimat nicht beenden und die Solidarität nicht fördern. Die Selbstverbrennungen von kurdischen Menschen sind allerdings Fanale der Verzweiflung. Sie sind Protest gegen die Komplizenschaft Bonns mit Ankara. Das kurdische Volk muß sich von der Bundesregierung verraten und verkauft fühlen.

  • Wir fordern die Bundesregierung auf, sich wie ein Rechtsstaat zu verhalten und das bedrohte kurdische Volk vor den unvorstellbaren Grausamkeiten des türkischen Militärs zu schützen. Wir erwarten als erstes ein absolutes Waffen-Embargo gegenüber der Türkei und einen politischen Druck, der bis zur Androhung des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen geht. Außerdem soll die Bundesregierung in einen konstruktiven Dialog mit allen demokratischen kurdischen Organisationen eintreten.
  • Wir wenden uns gegen eine Verschärfung der Ausweisungspraxis.  Dagegen fordern wir die Regierungen von Bund und Ländern auf,  einen   Abschiebestopp für kurdische Flüchtlinge zu erlassen, der  solange gelten muß, bis die Menschenrechte in der ganzen Türkei respektiert werden.

21. März 1994

Informationsveranstaltung am 25.3.1994 in Berlin
BASSO-TRIBUNAL
zum Asylrecht in Europa

1. Europa gehört mit seiner Asylpolitik auf die Anklagebank:1. Europa hat es unterlassen, die Genfer Flüchtlingskonvention weiterzuentwickeln

Das Europäische Parlament hatte in seiner Entschließung zu den Fragen des Asylrechts vom 12.3.1987 darauf hingewiesen, daß sich die Ursachen für Flucht seit Abschluss der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 verändert hätten und die Definition des Flüchtlingsbegriffs daher einem Wandel unterliegen müsse. Deswegen fordert das Parlamentdie EG auf, die Initiative zur Ausarbeitung eines Vorschlags einer neuen Definition des Flüchtlingsbegriffs zu ergreifen. Hierbei wäre es vor allem darum gegangen, die Kriegs-und Bürgerkriegsflüchtlinge angemessen einzubeziehen.

Dieser Aufforderung ist die EG bzw. EU nicht nachgekommen.

2. Europa hat sich vom Geist der Genfer Flüchtlingskonvention abgewendet.

Im Dezember 1991 einigen sich die EG-Staaten in Maastricht durch den "Vertrag über die politische Union". die Visapolitik gemeinschaftlich zu regeln. Darüber hinaus legen sie fest, daß das Asylrecht eine Frage von Gemeinschaftsinteresse sei. Damit sind allerdings nicht Regelungen in Form von Gemeinschaftsrecht, sondern lediglich zwischenstaatliche  Konventionen intendiert.

Das hat einen doppelten Grund: Zum einen wird des Europäische Parlament aus der Rechtssetzung ausgeschlossen, sie bleibt bei einer Konvention den Ministerriegen und Beamtenstäben vorbehalten. Zum anderen können europäische Nicht-EG-Staaten vertraglich in Konventionen eingebunden werden. Damit läßt sich eine „Vorfeldpolitik" betreiben, die die Außengrenzen der Flüchtlingspolitik vorverlegt.

Zum Zeitpunkt des Maastricht-Vertrages existieren bereits derartige Konventionen. Die Dubliner Konvention vom 15. Juni 1990 legt fest, welcher Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sein soll. Zuständig ist der Staat, der durch Visaerteilung eine Einreise ermöglicht hat, bzw. der Staat, über dessen Grenze der Flüchtling erstmals in den EG-Raum illegal eingereist ist. Einen Anspruch auf Asyl regelt sie nicht.

Im sogenannten Schengener Zusatzabkommen vom 19. Juni 1990 sind Zuständigkeiten, Kontrollprozeduren und Sanktionen festgelegt. Es geht u.a. darum, eine gemeinsame Liste visapflichtiger Länder zu führen, auf der mittlerweile über 100 Staaten stehen und Fluggesellschaften und Transportunternehmer zu bestrafen, die Flüchtlinge ohne ausreichende Reisedokumente befördern. Schengen ist der erste internationale Vertrag nach dem 2.Weltkrieg, der sich gegen Flüchtlinge richtet.

Mit diesen Verträgen wird einerseits das Europäische Parlament umgangen, andererseits sind gerichtliche Überprüfungen von Entscheidungen auf der Basis der Verträge nicht vorgesehen. Eine inhaltliche Harmonisierunq  des Asylrechts, obwohl stets zur Begründung angeführt, findet nicht statt. Harmonisiert wird nur die Abwehr von Flüchtlingen.

3. Europa nimmt den Zusammenbruch die internationalen  Flüchtlingsschutzes, wie er durch Genf garantiert werden soll, in Kauf.

Das Instrument der sicheren Drittstaaten und die Rücknahmeübereinkommen mit den osteuropäischen Staaten führen bei diesen zu ähnlichen Regelungen mit ihren Nachbarstaaten. Damit werden Kettenabschiebungen möglich.

Das Ergebnis ist eine großräumige Abschottung von Gibraltar bis hinter den Ural, vom Nordkap bis zum Peloponnes.


20. März 1994

21. März - Antirassismustag der Vereinten Nationen
ROMA ALS OPFER VON RASSISMUS
prominenter Roma-Vertreter betroffen

In Deutschland lebende Roma erfahren sich nach wie vor als Opfer von Rassismus. Darauf verwies die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL in einer Erklärung zum Antirassismustag der Vereinten Nationen am 21. März.

• So wurde der Vorsitzende der Rom & Sinti Union e.V. Rudko Kawczynski mit seiner Familie am Freitag in Hamburg vor einem Kaufhaus von einem Mann in rassistischer Weise angegriffen und beleidigt. Der Täter beschimpfte dessen Gattin als "Kanake" und "Drecksvolk" und forderte sie auf, sich aus dem Land zu scheren. Herbeigerufene Polizei habe den Rechtsradikalen laufen lassen, dafür aber Kawczynski in geradezu feindseliger Weise festgenommen und unter den Augen "Ausländer raus" - gröhlender Zuschauer mißhandelt.

• Einige Tage zuvor hatte es einen Brandanschlag auf das mobile Beratungsbüro der Roma-Vereinigung gegeben, bei der das Fahrzeug völlig ausbrannte. Kawczynski hatte sich nach diesem Vorfall bei Innensenator Werner Hackmann über die unzulänglichen Ermittlungen der Polizei beschwert. Dabei erinnerte er daran, daß es in den vergangenen Jahren mehrfach Angriffe gegen Mitglieder und Einrichtungen des Vereins gegeben habe, von denen keiner bisher aufgeklärt worden sei. Kawczynski sieht einen Zusammenhang zwischen dem nächtlichen Angriff und seiner kürzlichen Erklärung gegen die von Nordrhein-Westfalen geplante Abschiebung von Roma nach Serbien und Montenegro.

• PRO ASYL, das sich auch gegen die zwangsweise Rückführung von Minderheiten und dabei gerade von Roma nach Rest-Jugoslawien ausgesprochen hatte, hatte sich in der vergangenen Woche an den Kölner Oberbürgermeister Norbert Burger gewandt und den Verbleib einer Roma-Familie gefordert. Diese war Ende Januar Opfer eines Brandanschlages in Köln-Nippes geworden. Jetzt sollte sie und weitere Angehörige der Familie ausgewiesen werden, obwohl sie aus Bosnien-Herzegowina geflüchtet waren. Eins der Kinder liegt immer noch mit schweren Verbrennungen im Krankenhaus, andere Angehörige sind von Brandverletzungen gezeichnet.

PRO ASYL kritisiert das wirre Knäuel von dumpfem Rassismus, polizeilichem Fehlverhalten und einer gnadenlosen Abschiebepolitik. Die Arbeitsgemeinschaft erinnert daran, daß etwa 500.000 Roma und Sinti unter dem Nationalsozialismus umgekommen seien. Außerdem verwies sie darauf, daß der Präsident des Europäischen Parlamentes die Bundesregierung gebeten habe, die Abschiebung von Roma zu unterlassen.


07. März 1994

NRW-Abschiebung über Rumänien
ABSCHIEBESTOPP FÜR MINDERHEITEN UND DESERTEURE AUS REST-JUGOSLAWIEN

Die sofortige Einstellung der Vorbereitungen, Flüchtlinge über Rumänien nach Rest-Jugoslawien abzuschieben, fordert PRO ASYL von den Ländern.

  • Albanern aus dem Kosovo droht im Falle Ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in Form der Gruppenverfolgung. Die Albaner, die in der Provinz Kosovo über 90% der Bevölkerung ausmachen, sind in ihrer Gesamtheit das Opfer einer Verfolgung durch den serbischen Staat. Dieser verfolgt in Anknüpfung an die ethnische Abstammung die Mitglieder dieser Gruppe mit den Mitteln der Einschüchterung, Unterdrückung, Willkür und andauernden gewaltsamen Repressionen.
  • Abschiebeschutz gebührt allen Angehörigen ethnischer Minderheiten wie Ungarn und Kroaten aus der Vojvodina und Muslimen aus dem Sandschak. Diese Menschen sind einem ganz erheblichen menschenrechtswidrigen Vertreibungsdruck ausgesetzt oder werden in unerträglicher Form von serbischer Seite terrorisiert.
  • Für Roma ist ein Abschiebestopp für das gesamte Gebiet des ehemaligen Jugoslawien erforderlich. Als immer schon diskriminierte Minderheit sind sie dem ethnischen Vertreibungsdruck von allen Seiten ausgesetzt.
  • Notwendig sei vor allem auch ein Abschiebestopp für Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und für alle Männer aus Rest-Jugoslawien. Nach wie vor kämpften Armeeeinheiten aus dem serbisch beherrschten Rest-Jugoslawien in Bosnien. Dies geht einher mit Zwangsrekrutierungen und einer regelrechten Jagd auf Männer im entsprechenden Alter. Das gilt vor allem für Angehörige ethnischer Minderheiten, Flüchtlinge aus Bosnien, Herzegowina und Kroatien, die diesen Krieg ablehnen. In letzter Zeit wurden ebenfalls Frauen einberufen. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt es in Rest-Jugoslawien nicht. Nach der neuen Verfassung in Rest-Jugoslawien existiert die Todesstrafe zwar nicht mehr, nach dem Militärgesetz droht diese Strafe jedoch weiterhin.

PRO ASYL fordert von den Innenministern und -senatoren, das UN-Embargo auch als Rekrutierungsembargo zu respektieren.


16. Februar 1994

Niedersachsens Grüne verzichten auf Fernsehwerbung
ZWEI SENDEPLÄTZE PRO ASYL ÜBERLASSEN
Spot gegen Abschiebung

Zwei der vier Sendeplätze für Wahlwerbung zur Landtagswahl in Hannover hat der Landesverband Niedersachsen Bündnis 90 /DIE GRÜNEN der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL überlassen. Am 17.Februar und 2. März überträgt der Norddeutsche Rundfunk in seinem Fernsehprogramm N3 jeweils um 18.35 Uhr einen 45-sekündigen Beitrag von PRO ASYL gegen Ausgrenzung und Abschiebung von Flüchtlingen.

Mit dieser Entscheidung reagierten die Grünen auf die Initiative des NDR-Intendanten Jobst Plog, der die Parteien aufgefordert hatte, zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus auf kostenlose Parteienwerbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verzichten.

Produziert hat diesen Spot die internationale Werbe-Agentur Saatchi & Saatchi in Frankfurt. Für PRO ASYL ist dies der zweite von der gleichen Agentur hergestellte Film-Spot. Ein erster war im Vorfeld der Asyl-Diskussion kostenlos über verschiedene Fernseh-Stationen gelaufen. Für diesen Beitrag hat Saatchi & Saatchi im Januar die Bronze-Medaille eines internationalen Wettbewerbs für Film- und Fernsehwerbung 1993 und zwar für die Sparte "politische Beiträge" erhalten. Die von "THE NEW YORK FESTIVALS" verliehenen Preise werden in der Werbebranche sehr hoch gehandelt. Insgesamt waren für die verschiedenen Kategorien 4136 Beiträge aus 45 Ländern eingereicht worden.

PRO ASYL konnte sich diese Spots leisten, weil nur ein Teil der Kosten, die bei der technischen Produktion entstanden sind, zu erstatten war; auf Honorare hat die Firma gänzlich verzichtet.


13. Februar 1995

PRO ASYL fordert Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Kroatien
 Sicherheit von Flüchtlingen nicht gewährleistet

PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann forderte am Montag in Frankfurt die Aussetzung der zweiten Rückführungsphase für Flüchtlinge aus

Kroatien.Kroatien sei auf die vorgesehene Rückkehr von über 50.000 Menschen politisch und sozial nur unzureichend vorbereitet.Viele der von dem im April 1994 zwischen der Bundesrepublik und Kroatien geschlossenen Rückübernahmeabkommen betroffenen Flüchtlinge kämen aus Städten und Gemeinden, die in den von Serben besetzten oder in umkämpften und zerstörten Gebieten der Republik Kroatien liegen. Ebenfalls seien viele Kriegsflüchtlinge aus der Republik Bosnien und Herzegowina mit kroatischen Pässen betroffen, die derzeit keinerlei Aussicht auf eine Rückkehr in ihre Heimat hätten und auf nicht absehbare Zeit zu einem Leben in armseligen Lagern verurteilt wären.

Nach der Aufkündigung des UN-Mandats durch Kroatien sei zudem eine völlig neue Lage entstanden: Es drohten neue Kämpfe und kriegerische Auseinandersetzungen.

"Die derzeitige Situation in Kroatien läßt für die große Mehrzahl der Flüchtlinge eine Rückkehr in Sicherheit und Würde nicht zu", erklärte Heiko Kauffmann. "Die Bundesregierung und die Innenminister der Länder müssen sich auf diese neue, vor einem Jahr nicht absehbare Situation einstellen und die Schutzgewährung für Flüchtlinge aus Kroatien aus humanitären Gründen umgehend verlängern."


7. Februar 1994

Abschiebestopp für Kroatien und Rest-Jugoslawien
REKRUTIERUNGSEMBARGO VERHÄNGEN!
Zwangsrekrutierung von abgeschobenen Männern befürchtet

Einen Abschiebestopp für Männer aus Kroatien und Rest-Jugoslawien fordern die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen( DVG-VK), die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, Connection e.V. und PRO ASYL. In getrennten Schreiben an die Innenminister und -senatoren verweisen die Organisationen auf die umfassende Mobilisierung und Zwangsrekrutierung für den nur aIs völkerrechtswidrig zu bezeichnenden Krieg im ehemaligen Jugoslawien.

• Nach neuesten Informationen beteiligen sich reguläre Verbände des kroatischen Militärs am Krieg in Bosnien. In Kroatien wird für den Krieg zwangsrekrutiert, insbesondere bei Männern im wehrpflichtigen Alter, die in Bosnien geboren wurden, bei Angehörigen ethnischer Minderheiten und Oppositionellen, die sich nicht an dem weltweit verurteilten Krieg beteiligen wollen. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung haben nur diejenigen, die innerhalb von 90 Tagen nach der Erfassung einen entsprechenden Antrag stellen. Einberufene, Soldaten und Reservisten  jedoch nicht.

• Armeeeinheiten aus dem serbisch beherrschten Rest-Jugoslawien kämpfen in Bosnien. Dies geht einher mit Zwangsrekrutierungen und iner regelrechten Jagd auf Männer im entsprechenden Alter. Das gilt vor allem für Angehörige ethnischer Minderheiten, Flüchtlinge aus Bosnien, Herzegowina und Kroatien, die diesen Krieg ablehnen. In den letzten Tagen wurden ebenfalls Frauen einberufen. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt es in Rest-Jugoslawien nicht. Nach der neuen Verfassung in Rest-Jugoslawien existiert die Todesstrafe zwar nicht mehr, nach dem Militärgesetz droht diese Strafe jedoch weiterhin.

Herbert L e u n i n g e r  von  PRO ASYL , Ulrich F i n k h  von der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, Franz    N a d I e r  von der Deutschen Friedensgesellschaft -Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen und Rudi F r i e d r i c h von Connection e. V. erinnern die Minister daran, daß das Europäische Parlament im vergangenen Oktober   Mitgliedsstaaten eindringlich aufgefordert hat, "geeignete Maßnahmen zur Aufnahme von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern vorzusehen, die sich den verschiedenen Streitkräften, die sich auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien bekämpfen, entziehen". Die Organisationen fordern die Minister auf, dieser Empfehlung zu entsprechen und auf diese Weise eine Art Rekrutierungsembargo zu verhängen. Außerdem fordern sie, diesen Personen den weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Schließlich erwarten die genannten Organisationen einen Beschluss, dass weiterhin Flüchtlinge aus den Krisengebieten von Ex-Jugoslawien und zwar ohne Visumspflicht aufgenommen werden.


24. Januar 1994     

Abschiebung nach Äthiopien
PING-PONG MIT FAMILIE BEFÜRCHTET
Lufthansa hatte Transport verweigert

Ein Ping-Pong-Spiel mit bedrohlichem Ausgang befürchtet PRO ASYL für eine Familie aus Somalia, die über Äthiopien in die Bundesrepublik geflüchtet ist. Ihr Asylantrag wurde am 13.12.1993 am Frankfurter Flughafen abgelehnt. Seit dieser Zeit ist die Familie im Flughafen-Gewahrsam. Verschiedene Versuche des Frankfurter Anwalts Roman Fränkel bis zum Bundesverfassungsgericht, die Einreise über die Gerichte zu erreichen, schlugen bislang fehl. Die Ablehnungen berufen sich auf das Asylverfahrensrecht, nach dem Flüchtlinge, die sich länger als drei Monate in einem anderen Land aufgehalten haben, dort als vor Verfolgung sicher gelten. Die Familie war am 31.März 1992 aus Somalia nach Äthiopien geflüchtet, fürchtete aber dort um ihre Sicherheit und ihr Überleben.

  • Nicht gewürdigt haben die Gerichte bisher die Tatsache, daß die äthiopische Botschaft in Bonn dem Rechtsanwalt der Familie versichert hatte, Äthiopien, das sich als Transitland für Flüchtlinge betrachtet, würde die Familie nicht mehr zurücknehmen. Damit käme es, wie bereits in anderen Fällen, zu dem bedenklichen Hin- und Herschieben von Flüchtlingen zwischen den Flughäfen.
  • Eine Zurückschiebung der Familie mit zwei Kindern im Alter von fünf und sechs Jahren am vergangenen Freitag vom Flughafen Frankfurt schlug fehl. Der Flugkapitän der Lufthansa-Maschine LH 590 nach Addis Abeba lehnte den Transport der Familie ab, weil er die Reisefähigkeit der in der 27.Woche schwangeren und in Handschellen vom BGS angeschleiften Frau abgelehnt hatte.
  • Die Reisefähigkeit der Frau, die bereits zwei Früh-, bzw. Fehlgeburten hinter sich hat, war zuvor in der Uni-Klinik Frankfurt unterschiedlich beurteilt worden. Während eine Ärztin die werdende Mutter nicht für transportfähig gehalten hatte, hatte sie ein Oberarzt später als reisefähig eingestuft. Daraufhin war die Frau vom Bundesgrenzschutz wieder abgeholt und auf dem Flughafengelände bis zur vorgesehenen Zurückschiebung interniert worden. Jetzt befindet sich die Frau, seelisch und körperlich fast am Ende, erneut in der Universitätsklinik und gilt für absehbare Zeit nicht als reisefähig.

Eine Zurückschiebung des Vaters mit den beiden kleinen Kindern ohne die Mutter ist - offensichtlich auf Anweisung Bonns - für morgen vorgesehen. Der Anwalt hat hiergegen einen vierten Eilantrag beim Frankfurter Verwaltungsgericht gestellt.PRO ASYL protestiert gegen die Behandlung der somalischen Familie. Die Organisation betrachtet sie als den Versuch, dem zweifelhaften Asylrecht in unverhältnismäßiger Weise und auf Kosten jeder Humanität Geltung zu verschaffen. "Der Asylstreit wird auf dem Bauch einer schwangeren Frau ausgetragen", kommentierte Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL den ganzen Vorgang.2. Meldung vom TageDas Verwaltungsgericht Frankfurt hat heute Mittag im Eilverfahren entschieden, daß die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bei der somalischen Familie O. bis zu vier Wochen nach der Entbindung der Mutter befristet wird (AZ: 9G 50022/94A und E A 3-3991-93-A). Damit ist die Abschiebung der Familie nach Addis Abeba vorläufig ausgesetzt. Die Einreise wird gestattet.


19. Januar 1994

Abschiebung kroatischer Flüchtlinge
GEGEN GENERELLE ABSCHIEBUNGEN
Lagerunterbringung befürchtet

Gegen die generelle Abschiebung von Flüchtlingen nach Kroatien hat sich die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL ausgesprochen. In einem Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk forderte ihr Sprecher Herbert Leuninger, daß eine Rückführung von Menschen nicht nur in die von Serben besetzten Gebiete unterbleiben müßte, sondern auch in alle Orte, die nicht völlig befriedet seien oder die durch eine nicht auszuschließende neue kriegerische Auseinandersetzung gefährdet waren.

Es sollten auch die Kriegsflüchtlinge in der Bundesrepublik bleiben können, für die bei einer Rückkehr keine normalen Wohnungen zur Verfügung stünden und deren angemessene Versorgung nicht gesichert sei. Kroatien bezeichnete der PRO ASYL- Sprecher als das Land, das pro Kopf seiner Bevölkerung weitaus die meisten Kriegsflüchtlinge aufgenommen habe, selbst aber durch den Krieg wirtschaftlich schwer mitgenommen sei. PRO ASYL hielte es für nicht tragbar, wenn zur Rückkehr gezwungene Menschen wieder in Lagern untergebracht würden.


18. Januar 1994

Kinkel in der Türkei
FLUCHT NACH DEUTSCHLAND THEMATISIEREN
Abschiebestopp für Kurden, Christen und Jeziden

Solange sich die Türkei schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig macht, muß es in der Bundesrepublik einen Abschiebestopp für Kurden, Christen und Jeziden aus diesem Land geben. PRO ASYL fordert von Bundesaußenminister Kinkel, sich eindeutig von der Unterdrückungspolitik der türkischen Regierung zu distanzieren, die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern und die Flucht Tausender Menschen aus dem Nato-Land als Folge einer verfehlten Nationalstaats-Politik zu verdeutlichen. PRO ASYL hält es auch für unabdingbar, daß der Außenminister die deutsche Botschaft in Ankara anweist. ungeschminkte Berichte über die Lage der Minderheiten im ganzen Land zu liefern .

Im vergangenen Jahr haben 19.104 Menschen aus der Türkei einen Asylantrag stellen können. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat 1993 über die Asylanträge von 21.451 türkischen Asylbewerbern entschieden. 3.577 wurden anerkannt, 17.874 abgelehnt. Noch anhängig sind die Verfahren von 24.110 türkischen Staatsangehörigen. Die Anerkennungsquote von 16,7% ist für bundesdeutsche Verhältnisse relativ hoch (Die Durchschnittsquote liegt 1993 bei 4,5%). Sie signalisiert eine menschenrechtlich so brisante Lage, daß auch Menschen, die nicht als von staatswegen Verfolgte im strengen Sinne des Wortes anerkannt werden, keinesfalls zwangsweise in ein solches Krisenland zurückgeschickt werden dürften.


07. Januar 1994

Angolaner im Berliner Kirchenasyl
DIEPGEN SOLL ABSCHIEBUNG VERHINDERN
gesetzliche Möglichkeit gegeben

In einem Schreiben hat die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL den Regierenden Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen aufgefordert Angolaner vor der Abschiebung aus Berlin zu bewahren. Flüchtlinge aus Angola, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde, sollen Berlin zwangsweise verlassen. 15 von ihnen werden derzeit  kirchlicherseits versteckt, um sie davor zu bewahren, in ein Bürgerkriegsgebiet abgeschoben zu werden.

In dem Schreiben heißt es, niemand hätte Verständnis, wenn Berlin Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina in den Krieg abschieben wollte. Obwohl auch sie nicht als politische Flüchtlinge anerkannt wären, würden sie vom Gesetz vor einer Abschiebung geschützt, weil ihnen in ihrer Heimat Gefahr für Leib und Leben droht. "Auch den Flüchtlingen aus  Angola steht dieser Schutz zu. Der Krieg in Angola hat, wie einer dpa-Meldung vom 4.Januar d.J. zu entnehmen ist, im vergangenen Jahr einer halben Million Menschen das Leben gekostet. Drei Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Damit ist dieser Bürgerkrieg der derzeit schwerste Konflikt, der den Krieg in Bosnien-Herzegowina in seiner Grausamkeit noch übertrifft".

Das Land Berlin ist von der Gesetzeslage her befugt, einen sechsmonatigen Abschiebeschutz zu gewähren und braucht hierfür nicht das Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister. PRO ASYL befürchtet allerdings, daß sich Innensenator Heckelmann bisher dieser Maßnahme verweigert, weil es eine Absprache zwischen den Innenministern und -senatoren gibt, keine isolierten Landesregelungen zu treffen. " Einesolche Absprache ist, wo es um Leib und Leben von Menschen geht, sicher nicht haltbar und keinesfalls bindend", schreibt PRO ASYL.


1993

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