Presserklärungen 1988
22.12.1988
KINDER KEIN FRACHTGUT
9.12.1988
Konkreten Beitrag gegen Menschenrechtsverletzungen durch Schutzgewährung für Verfolgte
leisten.
4.11.1988
NICHTS AUS DER GESCHICHTE GELERNT
24.10.1988
Missachtung des Grundrechts auf Asyl
29.9.1988 DEUTSCHTÜMELEI ZIMMERMANNS GEFÄHRDET FLÜCHTLINGE
Tag des Flüchtlings contra Ausländergesetz
11.9.1988
Aussiedler und Flüchtlinge gleichrangig behandeln!
31.8.1988
Respekt vor Grundgesetz und Flüchtlingen
Gegen Verfassungsänderung
22.8.1988
"Zuflucht gewähren"
Aufruf zum Tag des Flüchtlings am 1. Oktober 1988
3. 6.1988
Zur „Trevi-Runde" der Innen- und Justizminister der EG am 3. Juni in Bonn
EUROPA DARF KEINE FESTUNG WERDEN!
17. 3. 1988
Antirassismustag der Vereinten Nationen am 21. März 1988 Maßnahme gegen Flüchtlinge
aus der „3. Welt" gescheitert
Bundesgericht stoppt Zimmermann
9. 3.1988
Schlimmes Vorzeichen für Ausländerrechtsdiskussion
2. 3.1988
Pressemitteilung
4. 1. 1988
1988 Ein schwarzes Jahr für Flüchtlinge?
22.12.1988
„Kinder; die ohne Eltern aus Kriegs- und Krisengebieten kommen, bedürfen besonderer Zuwendung",
darauf macht die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL zum Weihnachtsfest aufmerksam. Viele Eltern,
die selbst nicht flüchten könnten, versuchten wenigstens ihre Kinder vor Verfolgung
und Tod zu retten und schickten sie in westliche Länder. Sie hofften darauf, dass ihre Kinder
dort wohlwollend aufgenommen, angemessen versorgt und bis zur gefahrlosen Rückkehr pädagogisch
betreut würden.
Nach dem Haager Minderjährigen-Schutzabkommen und dem Jugendwohlfahrtsgesetz steht bei jeder
behördlichen Entscheidung über solche Kinder deren Wohl an oberster Stelle.
„Dieses verbietet", so Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL, „zu uns geflüchtete
Kinder wie Frachtgut von einem Ort zum anderen zu verschieben, ihnen Schulbildung vorzuenthalten
oder in überfüllten Jugendheimen unterzubringen."
Schlimmes Beispiel solcher Entscheidungen sei die Nacht- und Nebelaktion der Behörden in
Kronberg/Hessen gewesen. Dort wurden in den Tagen vor dem Weihnachtsfest 50 Kinder und Jugendliche
innerhalb von drei Stunden und ohne Vorankündigung in Busse gesteckt und in andere Heime
Hessens, Nordrhein-Westfalens und Bayerns gebracht.
„So darf man mit Kindern niemals umgehen", meint Leuninger.
9.12.1988
„Wie man es mit den Menschenrechten hält zeigt sich daran, wie man mit den Opfern von Menschenrechtsverletzungen
umgeht, die bei uns Zuflucht suchen", so Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL.
Anlässlich des 40. Jahrestages der Verkündigung der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 fordert PRO ASYL die deutschen Behörden auf, durch Aufnahme
von Personen, die in ihrem Heimatland von Menschenrechtsverletzungen wie z.B. Folter bedroht sind,
einen konkreten Beitrag gegen Menschenrechtsverletzungen zu leisten.
PRO ASYL befürchtet, dass deutsche Behörden stattdessen dazu übergehen, Abschiebungen
in Länder vorzunehmen, selbst wenn dort Menschenrechtsverletzungen oder sonstige Gefahren
für Leib und Leben drohen.
So stehen in Rheinland-Pfalz Abschiebungen von abgelehnten iranischen Asylbewerbern kurz davor.
Damit würde Rheinland-Pfalz die
In der Bundesrepublik bisher geübte Praxis aufgeben, wegen der von
Willkürherrschaft gezeichneten Menschenrechtssituation im Iran auch keine abgelehnten Asylbewerber
dorthin abzuschieben.
Angesichts der nach dem Waffenstillstand mit dem Kriegsgegner Irak eingeleiteten Hinrichtungswelle
ist nach Ansicht von PRO ASYL eine Abschiebung in den Iran unverantwortlich. Eine Abschiebung
in den Iran, in dem uneingeschränkt die „Jagd auf mögliche Oppositionelle" weitergeht,
liefert Verfolgte ihren Häschern aus, so Herbert Leuninger.
PRO ASYL appelliert daher an die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, Abschiebungen in den Iran
zu unterlassen und somit ihren konkreten Beitrag gegen Menschenrechtsverletzungen zu leisten.
Gleiches gilt für Abschiebungen in den Libanon, wie sie Baden-Württemberg zur Zeit
vorbereitet. Eine Abschiebung in Kriegs- und Krisengebiete ist ein Verstoß gegen das Menschenrecht
auf Leben.
4.11.1988
Offensichtlich spurlos ginge das Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November an dem bayerischen
Innenminister vorbei. So beurteilt der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge
PRO ASYL Herbert Leuninger die Warnung Stoibers vor einer „durchmischten und durchrassten Gesellschaft".
„Dieser vornehmlich gegen Flüchtlinge aus der Dritten Welt gerichtete Sprachgebrauch ist
eindeutig rassistisch und stammt aus dem Wörterbuch des Unmenschen".
Außerdem erinnerte Leuninger Stoiber an die neuesten Ergebnisse der Geschichtsforschung.
Danach seien die Bayern urplötzlich im sechsten Jahrhundert als „Findelkinder der Völkerwanderung"
in die Geschichte eingetreten. Sie stammten von Alemannen, Langobarden, Ostgoten, Thüringern
und Romanen ab. Wenn sie eines von ihren Vorfahren geerbt hätten, dann die Gabe der Stammesmischung.
Die Forderung Stoibers nach Abschaffung des individuellen Asylrechts stelle eine der großen
Errungenschaften der Bundesrepublik nach Zerschlagung der Hitlerdiktatur zur freien Verfügung
der Politik. „Dies zeigt ebenfalls die Geschichtsvergessenheit Stoibers", so der Sprecher
von PRO ASYL.
24.10.1988
Ministerpräsident Späth`s Forderung nach Abschaffung von Artikel 16 Grundgesetz ist
ein Angriff auf den zentralen Bereich unserer Verfassung. Die unverhohlene Forderung hierzu zeige,
dass Späth die bedeutende Errungenschaft der Zeit nach Hitler zum Spielball wahl- und wirtschaftspolitischer
Überlegungen mache. Dies sei ein Schlag gegen alle, die den 50. Jahrestag der Reichspogromnacht
am 9. November als nachhaltige Besinnung auf die unveräußerlichen Werte - und dazu
zähle das Grundrecht auf Asyl - unserer Gesellschaft und Verfassung machen wollten.
29.9.1988
(veröffentlicht als Gastkommentar
mit dem Obertitel: "Gesetzentwurf zum Ausländerrecht" in:
"tendenz", Zeitschrift der Jungdemokraten, 6/88, S.2)
Flüchtlinge bedroht
Der Entwurf für ein neues Ausländergesetz ist wesentlich bedrohlicher für Flüchtlinge
als bisher angenommen. Dies ergibt eine Analyse, die die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge
PRO ASYL zum Tag des Flüchtlings 1988 der Öffentlichkeit vorstellte.
Zur Sicherung der „Homogenität" der deutsche Gesellschaft will Zimmermann die künftige Zuwanderung
und das Bleiberecht von Ausländern und Flüchtlingen radikal drosseln, soweit es die EG-Freizügigkeit
und sonstige grundsätzliche oder internationale Verpflichtungen erlauben.
Dies würde sich lebensbedrohend vor allem für die Flüchtlinge auswirken, die nach
den mittlerweile äußerst strengen Maßstäben von Artikel 16 Grundgesetz nicht
mehr als asylberechtigt anerkannt werden.
Ihnen wurde bisher nach §14 Ausländergesetz ein sogenanntes „kleines Asyl" gewährt,
wenn sie aus Kriegs- und Bürgerkriegs- und Krisengebieten stammten und ihre Abschiebung eine Bedrohung
für Leib und Leben bedeuten könnte. Dieser Schutz soll künftig weitgehend entfallen.
Konventionen ausgehöhlt
Dabei scheut Zimmermann nicht einmal davor zurück, die unmittelbare Geltung internationaler
Verträge trickreich auszuhöhlen. So könnten sich künftig Personen, denen bei
Abschiebung Folter oder andere Menschenrechtsverletzungen drohten, sich nicht mehr auf die Genfer
Flüchtlingskonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention berufen, weil in
den deutschen Zustimmungsgesetzen zu diesen Konventionen ein ausdrücklicher Hinweis auf diesen
Abschiebungsschutz fehle. „Ein Abschied von der internationalen Völkergemeinschaft!",
so Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL.(4)
Erheblich erschwert werden soll auch der Zugang von Flüchtlingen zum Bundesgebiet. Flüchtlinge,
die keine Chance hatten bei der Deutschen Botschaft ein Visum zu erhalten und die bei der Einreise
gefälschte Papiere besitzen, müssen bereits für den Besitz solcher Dokumente und
nicht nur bei ihrer Benutzung mit einer Bestrafung rechnen.(7)
Sondergesetz gegen Kinder
Während die Diskussion um das neue Ausländergesetz noch im vollen Gange ist, will die
Koalition in einem Punkt bereits gesetzlich vorgreifen. Möglichst bald nämlich soll
die Visumspflicht für Kinder unter 16 Jahren eingeführt werden. Damit will man vor allem
verhindern, dass Kinder allein in die Bundesrepublik kommen können. 95% der Kinder, die ohne
ihre Eltern in der letzten Zeit in die Bundesrepublik eingereist sind, kamen aus Kriegs- und Krisengebieten
wie Iran, Libanon, Türkei und Sri Lanka. Nach dem Haager Minderjährigenschutzabkommen
müssen diese Kinder wie deutsche Kinder behandelt werden. Damit sind sie in Einrichtungen
der Jugendpflege mit ihren hohen Tagessätzen unterzubringen. Dies ist Bund und Ländern
zu teuer. „Lieber lässt die Bundesrepublik Kinder wie etwa im Iran als Minenhunde umkommen,
als dass sie ihren internationalen Verpflichtungen nachkommt.", urteilt Leuninger als Sprecher
von PRO ASYL.
Zuflucht gewähren !
Im Sinne des Mottos zum TAG DES FLÜCHTLINGS „Zuflucht gewähren!" fordert PRO ASYL
die politische Öffentlichkeit auf, sich dafür einzusetzen, dass der BMI-Entwurf zu einem
neuen Ausländer-Aufenthaltsgesetz endgültig in der Schublade verschwindet und ein Gesetz
vorbereitet wird, dass folgende zentrale Forderungen für Flüchtlinge erfüllt:
- -Erhaltung des „Kleinen Asyls" und damit des Abschiebungsschutzes für de-facto-Flüchtlinge
aus Kriegs-, Bürgerkriegs- und Krisengebieten;
- volle Anwendung internationaler Konventionen;
- sicheres Aufenthaltsrecht mit Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für bisher nur
geduldete Flüchtlinge;
- Aufhebung des Visumszwanges für Flüchtlinge aus Krisenregionen;
- Kein Visumszwang für Kinder.
11.9.1988
Bonn - Als beispielhaft bezeichnete Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für
Flüchtlinge PRO ASYL die politischen Aktionen der Bundesregierung zugunsten der Aussiedler.
Im Gegensatz zur bisherigen Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen würden bei den
Aussiedlern alle Kräfte mobilisiert, um ihre durch das Grundgesetz garantierte Aufnahme zu
ermöglichen. „Wir fordern", so Leuninger auf der gestrigen Jahrestagung seiner Organisation
in Bonn, „eine ähnliche Behandlung auch der Flüchtlinge." Es komme nur auf den
politischen Willen an, bei beiden Gruppen das Grundgesetz ernst zu nehmen. Keinesfalls dürften
Flüchtlinge und Aussiedler gegeneinander ausgespielt werden.
Auf der Tagung nahmen die für Asylfragen zuständigen Bundestagsabgeordneten Stellung
zu aktuellen asylpolitischen Fragen. Während Regula Bott von den Grünen das Grundrecht
auf Asyl als bereits ausgehöhlt bezeichnete, wandten sich Johannes Gerster (CDU), Burkhard
Hirsch (FDP) und Gerd Wartenberg (SPD) einhellig gegen Forderungen der CSU, das Grundgesetz zu
ändern, um die Aufnahme von Flüchtlingen zu erschweren. Hirsch vertrat die Auffassung,
die Bundesrepublik sei durchaus in der Lage mehr Flüchtlinge als bisher aufzunehmen. Für
die SPD forderte Wartenberg eine Aufenthaltserlaubnis für bisher nur geduldete de-facto-Flüchtlinge,
eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber nach eine halben Jahr, ein Abschiebungsverbot für
Flüchtlinge in Krisengebiete und eine Änderung des Asylverfahrensgesetzes, wodurch die
Genfer Flüchtlingskonvention wieder Grundlage der Anerkennungsverfahren für Flüchtlinge
würde. Dass dieses seit 1982 nicht mehr der Fall sei, hatte die Vertreterin des Hohen Flüchtlingskommissars
(UNHCR) in Bonn, Gesche Karrenbrock in einem Grußwort deutlich kritisiert.
31.8.1988
„Der Respekt vor dem Grundgesetz und seinen Müttern und Vätern erfordert auch den vollen
Respekt vor den Flüchtlingen". Dies erklärte Herbert Leuninger als Sprecher von
PRO ASYL zum 40. Jahrestag des Zusammentretens der Parlamentarischen Versammlung am 1. September.
„Artikel 16, Absatz 2, Satz 2, der den politisch Verfolgten schützt, gehört zum Kernbestand
unserer Verfassung". Er sei ohne Einschränkungen in die Verfassung aufgenommen worden.
Dies sei ein Dank an die internationale Völkergemeinschaft gewesen für die Aufnahme
Hunderttausender Flüchtlinge, die vor Hitler ins Ausland geflohen seien. Außerdem habe
sich die Bundesrepublik damit eindeutig zum Schutz der Menschenwürde gegen jedwede Diktatur,
Diskriminierung und Verfolgung bekannt.
„Wenn gerade in diesen Tagen eine gegen die Flüchtlinge gerichtete Änderung des Grundgesetzes
gefordert wird, so ist dies", meint Leuninger „ein politischer Schwächeanfall".
Ohnehin sei die mittlerweile niedrige Anerkennungsquote bei Asylbewerbern ein trauriges Kapitel
von Verfassungsschwund. „Wer den Artikel 16 des Grundgesetzes aushöhlt, vergreift sich an
der Verfassung!", so PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger.
22. August 1988
Frankfurt. „Zuflucht gewähren", lautet das Motto des diesjährigen Tages des Flüchtlings,
der am 1. Oktober innerhalb der Woche der ausländischen Mitbürger stattfindet. Die Arbeitsgemeinschaft
für Flüchtlinge PRO ASYL und der Ökumenische Vorbereitungsausschuss
zur Woche der ausländischen Mitbürger rufen in Abstimmung mit dem Vertreter des
Hohen Flüchtlingskommissars in Bonn zu diesem Tag auf. Am Tag des Flüchtlings beteiligen
sich Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingsinitiativen.
In einem Grußwort bringt der bisherige Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars,
René van Rooyen die Hoffnung zum Ausdruck, „dass der Flüchtlingstag 1988 dazu
beitragen kann, in der nationalen Asyldiskussion die internationalen Dimensionen des Problems
herauszustellen." Für ihn „droht der internationale humanitäre Konsens der Nachkriegsjahre,
der zur Genfer Flüchtlingskonvention geführt hat, in Vergessenheit zu geraten."
Diese Konvention habe in der Bundesrepublik ihre Bedeutung für das Anerkennungsverfahren
bei Flüchtlingen verloren. „Im Interesse der internationalen Harmonisierung des Asylrechts"
sollte ihr „der ursprüngliche Rang wieder eingeräumt werden".
Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege
Prof. Sengling fordert in seinem Grußwort die politisch Verantwortlichen auf, „alles
zu tun, um zu verhindern, dass Flüchtlinge in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Länder
abgeschoben werden, in denen sie Folterungen zu befürchten haben". Ihnen sollte außerdem
„statt eines unsicheren, geduldeten Aufenthalts Rechtssicherheit gewährt werden". Sengling
ruft die Menschen in der Bundesrepublik auf, „Flüchtlinge und ihre Fluchtgründe ernst
zu nehmen". „Flüchtlinge brauchen unsere Solidarität und Unterstützung",
heißt es in dem Grußwort, das Sengling für die Arbeiterwohlfahrt, das Diakonische
Werk, den Deutschen Caritasverband, den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, das Deutsche
Rote Kreuz und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland an die Öffentlichkeit
gerichtet hat.
Ähnlich appellieren auch die für die Ausländerwoche verantwortlichen Vertreter
der Kirchen. Sie kritisieren, dass immer weniger Flüchtlinge einen sicheren Aufenthaltsstatus
als Asylberechtigte erhielten, wobei „Krieg, Bürgerkrieg und selbst Folter keine Gründe"
seien, „um das Recht auf Asyl zuerkannt zu erhalten". Sie gehen von einer wachsenden Zahl
von Flüchtlingen aus, „die ohne Zukunftsperspektiven am Rande der sozialen und psychischen
Verelendung in der Bundesrepublik leben".
Die eindringliche Bitte an den Gesetzgeber ist, diesen bisher nur `geduldeten` Flüchtlingen
„ein gesichertes Aufenthaltsrecht zu gewähren und ein von fremder Hilfe freies und selbst
gestaltetes Leben zu ermöglichen". Die Kirchengemeinden werden gebeten, „sich verstärkt
diesen Flüchtlingen zuzuwenden und ihnen Zuflucht zu gewähren".
3. Juni 1988
Frankfurt. Als den Versuch einen Festungswall gegen Flüchtlinge aus der Dritten Welt zu
errichten, betrachtet PRO ASYL die heutige Konferenz der Innen- und Justizminister der EG in Bonn.
Ohne Beratung in den Parlamenten und unter Ausschaltung der Öffentlichkeit gehe es im Rahmen
der Abwehr des Missbrauchs des Asylrechts um massive Einschränkungen gegen den Zuzug von
Flüchtlingen. Unter dem Stichwort „Harmonisierung und Abbau der inneren Grenzen der EG bis
1992" sollen vor allem Maßnahmen gegen Flüchtlinge aus der Dritten Welt beschlossen
werden.
„Die Ziele der Konferenz verstoßen" – so Herbert Leuninger, der Sprecher von PRO ASYL
bei einer Demonstration auf dem Flughafen Rhein-Main, „gegen den ausgesprochenen Willen des Europäischen
Parlaments". Dieses habe 1987 die Praxis der EG-Mitgliedstaaten scharf kritisiert, den Zuzug
von Asylsuchenden durch eine restriktive Visa-Politik abzuwehren und eine großzügigere
Haltung der Mitgliedstaaten gegenüber Asylsuchenden gefordert. Das Parlament hätte auch
darauf hingewiesen, dass von den weltweit 17 bis 20 Millionen Flüchtlingen nur ein verschwindend
geringer Teil in die Europäische Gemeinschaft komme.
PRO ASYL fordert die Ministerkonferenz auf, die gegen die Flüchtlinge gerichteten Verhandlungen
auszusetzen und in Abstimmung mit dem Europäischen Parlament neue Überlegungen anzustellen.
„Die Europäische Gemeinschaft und mit ihr die Bundesrepublik müssen ein Hort der Zuflucht
bleiben", so Leuninger. Das schließe vor allem die Möglichkeit für jeden
potentiellen Asylbewerber ein, seinen Asylantrag unter vernünftigen Bedingungen in einem
der Mitgliedstaaten der EG zu stellen und dort in einem rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden
Verfahren prüfen zu lassen.
Bei der Ministerkonferenz (sogenannte „Trevi"-Gruppe) geht es u.a. darum
- die Erteilung von Visa zu vereinheitlichen und zu erschweren;
- Fluggesellschaften, die Asylbewerber ohne die notwendigen Dokumente befördern, mit Bußgeldern
zu belegen und sie zu zwingen, diese Flüchtlinge auf eigene Faust in die Herkunftsländer
zurück zu bringen.
- einen umfassenden Datenaustausch u.a. über Asylbewerber, die sich zuvor in einem anderen
Vertragsstaat aufgehalten haben.
17. März 1988
Pläne von Bundesinnenminister Zimmermann, das Asylrecht durch eine restriktive Auslegung
des Begriffs Sicherheit vor Verfolgung auf „kaltem Weg" abzuschaffen, sind nach Auffassung
der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL vom Bundesverwaltungsgericht in Berlin gestoppt
worden.
Zimmermann hatte mit Bezug auf das am 5. Januar 1987 geänderte Asylverfahrensgesetz versucht,
Flüchtlingen an den Grenzen der Bundesrepublik den Zutritt zu verwehren, wenn sie über
ein drittes Land einreisten. Seine Begründung: sie seien dort vor Verfolgung offensichtlich
sicher gewesen. Drastischer Fall war der afghanische Flüchtling K.M., der sich nur eine Woche
in Pakistan aufgehalten hatte, und trotz nachweislicher politischer Verfolgung in Afghanistan
zurückgewiesen werden sollte. PRO ASYL hatte diese Praxis als rechtswidrig bezeichnet und
sieht sich jetzt vom Bundesverwaltungsgericht indirekt bestätigt.
Da das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf und
einige Gerichte der Auffassung des Bundesinnenministers folgten, war die Zahl der Anerkennungen
von Flüchtlingen als asylberechtigt erheblich zurückgegangen. Auch dem dürfte nun
durch Berlin ein Riegel vorgeschoben worden sein.
Der entscheidende Satz im bisher nicht veröffentlichten Grundsatzurteil des Verwaltungsgerichtes
Berlin vom 15.12.1987 (Az. 9 C 285/86) lautet: „§ 2 AsylVfG n.F. findet nicht schon dann Anwendung,
wenn der politisch Verfolgte ein objektiv sicheres Drittland lediglich als Fluchtweg zum Erreichen
der Bundesrepublik benutzt."
„Verdeckte Form von Rassismus"
„Diese Entscheidung entlarvt die ständig wiederholte Behauptung Zimmermanns, dass 90% aller
Flüchtlinge `Wirtschaftsflüchtlinge` seien, als haltlos", so Herbert Leuninger,
Sprecher von PRO ASYL. Leuninger befürchtet allerdings: „Jetzt wird Bonn alles tun, um die
Mauer gegen Flüchtlinge aus der `3. Welt` schon in deren Heimat zu errichten."
Das Stichwort heißt: "Regionalisierung"; d.h. Die Flüchtlinge sollen nur
in den Nachbarländern Zuflucht finden. „Das ist eine verdeckte Form von Rassismus",
so Leuninger. PRO ASYL befürchtet vor allem die rigorose Bestrafung von Fluggesellschaften,
die Flüchtlinge ohne ausreichende Papiere befördern. „Wie aber sollen Flüchtlinge
in die Bundesrepublik gelangen, wenn keine Botschaft der Bundesrepublik in den Ländern der
’3. Welt’ politisch Verfolgten ein Visum ausstellt?", das fragt PRO ASYL den Bundesinnenminister
zum Antirassismustag.
9. März 1988
In der einstimmigen Verabschiedung der Vorschläge des Bundesinnenministeriums zum Asylrecht
durch das Bundeskabinett sieht die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL ein „schlimmes Vorzeichen für
die kommende Ausländerrechtsdiskussion". „Die Chance liberalen und humanitären
Positionen wieder Geltung zu verschaffen und bedenkliche Einschränkungen des Asylrechts zu
korrigieren, wurde leichtfertig vertan", so Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft
PRO ASYL, in der Experten aus Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen
zusammenarbeiten. Der Beschluss des Bundeskabinetts zum jetzigen Zeitpunkt verstärkt bei
PRO ASYL den Eindruck, dass Zimmermann die Flüchtlinge in die Wahlkämpfe von Baden-Württemberg
und Schleswig-Holstein zerrt, um sie als wehrlose Wahlhelfer in der rechten Ecke einzusetzen.
Die Einrichtung zentraler Abschiebestellen wertet PRO ASYL als Versuch, Flüchtlinge noch
mehr unter psychischen Druck zu setzen und die deutsche Öffentlichkeit vor Protesten gegen
Abschiebungen abzuhalten. „Die deutsche Öffentlichkeit macht es nämlich nicht mit, wenn
Verfolgte in Kriegs- und Krisengebiete abgeschoben werden", so Herbert Leuninger. PRO ASYL
befürchtet „Nacht- und Nebelaktionen an der Öffentlichkeit vorbei", um Flüchtlinge
gegen den wachsenden Druck der Flüchtlingsinitiativen abschieben zu können.
Günther Burkhardt
2. März.1988
„Nicht übereifrig abqualifiziert werden" sollten nach Meinung von Wolfgang Grenz, Sprecher
der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, die Vorschläge der CDA-Sozialausschüsse
für eine Verbesserung der Rechtsstellung von Ausländern und abgelehnten Asylsuchenden.
PRO ASYL, eine Arbeitsgemeinschaft von Experten aus Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und
Menschenrechtsorganisationen begrüßt insbesondere den Vorschlag, abgelehnten Flüchtlingen,
die aus humanitären Gründen in der Bundesrepublik bleiben, einen sicheren Aufenthaltsstatus
einzuräumen. „Dringend erforderlich" – so Grenz – sei eine Korrektur der Visapolitik,
so dass politisch Verfolgte wieder die Möglichkeit haben, in der Bundesrepublik Zuflucht
zu suchen. Die Vorschläge zur Verbesserung des Ausländerrechts seien insgesamt keineswegs
„leichtfertig" und unrealistisch" wie sie der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion
Gerster bezeichnete, sondern stimmten mit den bedachtsamen Vorstellungen von Kirchen, Gewerkschaften,
Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen für eine humanere Ausländer- und Asylpolitik
weitgehend überein.
Grenz warnte Gerster davor, durch die ungerechtfertigte Dramatisierung von Flüchtlingszahlen
als „Zustrom von 230 000 Ausländern in den letzten drei Jahren" neue Ängste bei
der deutschen Bevölkerung zu schüren. „Durch solche Äußerungen, nicht durch
die Menschen selbst, werden Vorurteile und Fremdenangst verstärkt. Solange bei Flüchtlingszahlen
nur die Zugänge, nicht jedoch die Weiterwanderung von Flüchtlingen gezählt werden,
ist jede Statistik schlichtweg unseriös", so Wolfgang Grenz. Grenz erinnerte an die
Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz, die im Herbst 1986 auf dem Höhepunkt der
allgemeinen Hysterie vor Flüchtlingen gesagt hatte: „Angesichts dieser Lage sehen wir nicht,
dass für unser Volk insgesamt eine unerträgliche Belastung durch Flüchtlinge zur
Zeit gegeben ist.
4. Januar 1988
„Ein schwarzes Jahr für Flüchtlinge dürfte 1988 werden, wenn die Falschmeldung
des Bundesinnenministers Glauben findet, 90% der Flüchtlinge kämen aus rein wirtschaftlichen
Gründen in die Bundesrepublik." Diese Auffassung vertritt Herbert Leuninger, Sprecher
der Flüchtlingsorganisation PRO ASYL.
Zimmermann gehe offensichtlich von der sogenannten Anerkennungsquote für Asylbewerber aus,
die in den letzten Jahren aus für die Öffentlichkeit schwer durchschaubaren Gründen
erheblich gesenkt worden sei. So würden z.B. seit Januar 1987 alle die nicht mehr als Flüchtling
anerkannt, die auf ihrer Flucht in die Bundesrepublik einen Staat durchquerten, der nach Auskünften
des Auswärtigen Amtes keine derartigen Flüchtlinge an den Herkunftsstaat ausliefert.
Damit würden
Afghanen, die über Iran, Pakistan oder Indien flüchten, in der Bundesrepublik nicht
mehr als asylberechtigt anerkannt, obwohl sie zweifelsfrei Flüchtlinge seien. Ähnlich
ergehe es Eritreern aus Äthiopien, die über Jemen oder den Sudan flüchten. Wie
drastisch und auf künstliche Weise die Anerkennungszahlen bei Flüchtlingen in den letzten
Jahren gesenkt worden seien, werde – so Leuninger – bei den Eritreern deutlich, die seit 26 Jahren
um ihre Unabhängigkeit kämpften.
Wurden 1984 noch 87% der eritreischen Flüchtlinge als asylberechtigt anerkannt, sank die
Quote 1985 auf 71 und 1986 sogar auf 12%. 1987 dürfte sie nur noch 4,5% ausmachen.
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