Alois Leuninger         

Die Nagelschmiede
von Mengerskirchen

Das alte Gewerbe der Nagelschmiede ist in Mengerskirchen über viele Generationen hinaus ausgeübt worden. Soweit sich feststellen läßt, hatte es in der Zeit von etwa 1380 bis kurz nach dem ersten Weltkrieg seine größte Bedeutung. Das bezieht sich sowohl auf die Zahl der Beschäftigten als auch auf die Menge der hergestellten Nägel. Zwischen 100 und 150 männliche Personen übten in dieser Zeit das Handwerk aus. Die letztgenannte Zahl betrifft die Zeit unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg, was darauf zurückzuführen ist, daß damals viele Männer aus dem Krieg zurückkehrten und für sie andere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zunächst nicht bestanden. Nach dieser Zeit setzte dann aber der Rückgang des Gewerbes ein.

In dem genannten Zeitraum war für den überwiegenden Teil der Nagelschmiede das Gewerbe nicht Hauptberuf, sondern es stellte für sie nur noch eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit dar. Schon um das Jahr 1900 war die Zahl derjenigen, die ganzjährig als Nagelschmiede arbeiteten, gering. Seit jeher besaßen die meisten Nagelschmiede eine kleine Landwirtschaft, die von Frühjahr bis Herbst ihre Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nahm. Trotzdem war für ihre Existenz die Nagelherstellung von höchster Bedeutung, brachte sie doch Bargeld ins Haus, das durch die Kleinlandwirtschaft nur in geringem Umfang zu erzielen war. Die erzeugten landwirtschaftlichen Produkte deckten nämlich kaum den Bedarf der eigenen zumeist großen Familie.


Diese Kleinbauern arbeiteten in der Schmiede jedoch nicht nur während der Wintermonate, sondern auch in den Zeiten, in denen der Arbeitsanfall in der Landwirtschaft geringer war und an Regentagen. Bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts war die Zahl der Nagelschmiede, gemessen an der Zahl in den späteren Jahrzehnten, gering. Eine amtliche Erhebung aus dem Jahre 1861 zeigt an, daß es damals 28 Personen gab, die das Gewerbe selbständig ausübten, wozu noch 10 Gesellen und Lehrlinge kamen. Möglicherweise handelte es sich dabei vorwiegend um solche, die ganzjährig als Nagelschmiede arbeiteten. Dies war ihr Hauptberuf, während andere, wie bereits geschildert, in geringerem Umfang Nägel herstellten und von der Erhebung nicht erfaßt wurden.

Es muß dabei auch berücksichtigt werden, daß, wie die Statistik ausweist, zu jener Zeit in Mengerskirchen noch andere Gewerbe in beachtlicher Zahl ausgeübt wurden. Es gab damals 5 Bäcker, 3 Fleischer, 1 Barbier, 1 Gerber, 2 Maurer, 1 Zimmermann, 1 Schornsteinfeger, 2 Wagner, 1 Färber, 2 Grobschmiede bzw. Schlosser, 6 Schuhmacher und 4 umherziehende Musikanten. Das früher einmal ausgeübte Gewerbe eines Hutmachers, nach dem heute noch eine Familie benannt wird, ist allerdings nicht mehr aufgeführt. Diese Gewerbetreibenden beschäftigten vereinzelt auch Lehrlinge und Gehilfen und betrieben daneben ebenfalls teilweise noch eine Landwirtschaft. Mit dem industriellen Aufschwung insbesondere nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 änderte sich auch die gewerbliche Struktur von Mengerskirchen. Ein Teil der bis dahin vorhandenen Handwerksbetriebe erlag der Entwicklung. Dagegen nahm das Nagelschmiedegewerbe einen erheblichen Aufschwung. Das dürfte vor allem auf den großen Bedarf an Schuhnägeln zurückzuführen sein, der sich durch die Verwendung von schweren Schuhwerk für Bergleute und andere Arbeiterkategorien ergab. Auch für das Militär wurden erhebliche Mengen Schuhnägel benötigt. Die Fabriken waren zunächst keine große Konkurrenz für die Nagelschmiede, da sie sich der Herstellung von Schuhnägeln wohl noch nicht in vollem Umfang bemächtigt hatten. Viele Verbraucher gaben damals auch noch dem handgeschmiedeten Schuhnagel den Vorzug.

Das Industriegebiet lockte


Allerdings bahnte sich für die arbeitende Bevölkerung von Mengerskirchen noch eine andere Entwicklung an. Der Bedarf an Arbeitskräften in den Industriegebieten veranlaßte viele, dort nach Arbeitsmöglichkeiten zu suchen. Dabei schien die Beschäftigung im Baugewerbe der Situation am besten angemessen. So kam es, daß in jedem Frühjahr mehr und mehr männliche Arbeitskräfte vor allem in das rheinisch-westfälische Industriegebiet wanderten und dort im Baugewerbe Arbeit und Verdienst fanden. Hierunter befanden sich aber nicht nur Arbeitskräfte, die sich bis dahin ausschließlich als gewerbliche Arbeit, er in Mengerskirchen betätigt, sondern auch Kleinbauern, welche das Nagelschmiedegewerbe noch nebenberuflich ausgeübt hatten. Diese gaben indessen ihre Landwirtschaft in der Regel nicht auf, sondern ließen sie von der Frau führen, die mit den Kindern die anfallenden Arbeiten verrichtete. Allenfalls kamen die in der Fremde arbeitenden Kleinbauern zur Heuernte oder anderen wichtigen Arbeiten für einige Tage zur Mithilfe nach Hause. Sonst blieben die Bauarbeiter in der Regel etwa von Ostern bis Allerheiligen an ihrem Arbeitsort. Das war für alle, die von diesen Verhältnissen betroffen wurden, sehr hart. Aber die Wintermonate brachten in etwa den Ausgleich. Da war man zu Hause und arbeitete als Nagelschmied im eigenen Haus oder in einer benachbarten Schmiede.

Werkstatt im Hausflur


In jener Zeit gab es in Mengerskirchen etwa 65 Nagelschmiedewerkstätten, in denen in der Regel 1~ Mann arbeiteten. Mehr als die Hälfte der Werkstätten waren in Hausfluren untergebracht, die meist auch gleichzeitig als Küche dienten. Das bedeutete erhebliche Raumnot in den an sich kleinen Häusern mit in der Regel zwei Stuben oder sogar nur einer, wie beispielsweise in den sogenannten ,,Freiheitshäuschen" auf dem Damm, welche in der Zeit der 1848er Revolution erbaut worden waren und zu denen der Landesfürst das Bauholz kostenlos gestellt haben soll. Ein kleiner Teil der Werkstätten befand sich im Kellergeschoß und hatte wohl einen direkten Ausgang ins Freie. Nur in wenigen Fällen waren Werkstätten außerhalb des Hauses eingerichtet.

Manche Schmieden mit mehreren Arbeitsplätzen dienten nur den Angehörigen einer Familie; mitunter waren es die Söhne, der Vater und der Großvater. Kinderarbeit gab es, wenn man von geringfügigen Nebenarbeiten absieht, bei den Nagelschmieden im allgemeinen nicht. Allerdings wurde der Verfasser während des ersten Weltkrieges im letzten Volksschuljahr das letzte Halbjahr von der Schulpflicht befreit, um seine Brüder, die beim Militär waren, in der Schmiede zu ersetzen und zum Unterhalt der Familie beizutragen. Es mag auch vereinzelt vorgekommen sein, daß Volksschüler des letzten Schuljahres in ihrer Freizeit Nägel anfertigten. Während des ersten Weltkrieges stellte auch eine Frau Nägel her. Sie gab diese Tätigkeit jedoch bald wieder auf.

Der Nagel und die Nagler



Der Nagel in seinen vielfältigen Formen und Arten ist in vielen Bereichen des menschlichen Lebens seit jeher von großer Bedeutung gewesen. Er diente vor allem der Verbindung harten und festen Materials und der Befestigung von einem Gegenstand an einen anderen. So wird es schon vor 2500 v. Chr. gewesen sein, als die Sumerer die Bronze entdeckten und damit Waffen, Geräte und Schmuck herstellten. Weit größere Bedeutung dürfte der Nage] gefunden haben mit der Erzeugung von Eisen. Hierbei ist festzustellen, daß bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. eine Eisenverhüttung an der mittleren Lahn und im Vogelsberg erfolgte.


Eine eingehende Kenntnis über die vielseitige Verwendung des Eisens im Altertum vermittelt in anschaulicher Weise das Museum auf der Saalburg im Taunus. Unter den dort noch im Original befindlichen Gegenständen aus der römischen Zeit finden sich nicht nur eine Vielfalt von Eisenerzeugnissen, wie Beschläge für Wagen, Fenster, Eimer usw., Waffen und Geräte für Garten und Landwirtschaft, sondern auch große Eisennägel. Vielleicht wurden solche Nägel aus Rom bei der Kreuzigung Christi vor 2000 Jahren verwandt. Nach christlicher Überlieferung ist Jesus nämlich mit Nägeln ans Kreuz geschlagen worden. In dem Museum ist auch ein Gerät, als Nagelzieher bezeichnet, das offensichtlich zur Herstellung von Nägeln benutzt wurde und Merkmale des sogenannten Nageleisens besitzt, das die Nagelschmiede in unserer Zeit bis zum Erlöschen des Handwerks verwendeten. Der eisenverarbeitende Fachmann würde es als Gesenk bezeichnen, also eine Vorrichtung, mit Hilfe derer einem erhitzten Eisenteil die gewünschte Form gegeben wird.

Besonders interessant erscheint die Tatsache, daß im alten Rom bereits Schuhnägel hergestellt wurden, die dem Schutz der Schuhsohlen vor vorzeitigem Verschleiß dienten. Zwar gab es zu jener Zeit noch keine Schuhe, wie sie später benutzt wurden und auch noch in der Gegenwart getragen werden. Vielmehr waren es mit einer Laufsohle versehene Sandalen. Diese Laufsohlen waren mit Nägeln beschlagen, ähnlich wie später die Schuhe solcher Personen, die schweres Schuhwerk benötigten. Auf der Saalburg befinden sich Ziegelplatten mit dem Eindruck benagelter Sohlen und das deutsche Schuhmuseum in Offenbach am Main besitzt eine römische Militärsandale aus dem ersten Jahrhundert nach Chr., die eine benagelte Laufsohle hat. Aus all dem ist einmal auf eine vielfältige Art von Nägeln in jener Zeit zu schließen und zum anderen darauf, daß Nägel in großer Zahl hergestellt wurden, verwandte man doch zum Benageln der sogenannten Militärsandale 100 Nägel.

Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß es im Rom jener Zeit schon Handwerker gab, die sich speziell der Herstellung von Nägeln widmeten, also ausgesprochene Nagelschmiede waren. Indessen kann man daraus nicht eine direkte Verbindung zu den Nagelschmieden unseres Zeitalters herleiten. Vielmehr wird am Anfang der handwerklichen Eisenverarbeitung zunächst derjenige die Nägel angefertigt haben, der auch sonstige Gegenstände aus Eisen erzeugte. Eine Spezialisierung dürfte erst dann eingetreten sein, als Herstellung und Bedarf von Geräten und sonstigen Gegenständen so vielseitig und umfangreich waren, dass der einzelne Hersteller sich nicht mehr so viel Fachkenntnisse aneignen konnte, um der Art nach jeglichen Bedarf zu decken.

Dieser Zustand änderte sich mit der Bildung von Städten und Märkten. Hier trat nicht nur ein größerer Bedarf für die begehrten Erzeugnisse zutage, sondern das Angebot war auch der Art nach vielfältiger. Eine Statistik über das Schmiedegewerbe in Frankfurt/Main aus dem Jahre 1387 zeigt auf, daß es dort in jener Zeit 23 Berufszweige der Schmiede mit insgesamt 46 Schmiedehandwerkern gegeben hat, unter denen sich u. a. 3 Grobschmiede, 2 Hufschmiede, 2 N a g e l s c h m i e d e, 2 Messerschmiede, 1 Messerbereiter, je ein Scheren- und Nadelschmied, 2 Weberkämmeschmiede, 5 Schwertfeger und 8 Hersteller von eisenbeschlagenen Holzschuhen befanden. In diesem Zusammenhang ist die Feststellung von Interesse, daß die damaligen Nagelschmiede noch keine Schuhnägel angefertigt haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, daß es keine mit Nägeln beschlagene Schuhe in jener Zeit gab. Der Teil der Bevölkerung, der für seine Arbeit schweres Schuhwerk benötigte, war auf Holzschuhe angewiesen, die zum Schutz vor vorzeitigem Verschleiß mit Eisen beschlagen wurden. Das Gewerbe, das sich mit der Herstellung dieser Schuhe beschäftigte und zu den Schmieden zählte, stellte unter diesen die größte Gruppe dar.

Die Nagelschmiede dürften indessen im Laufe der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung immer mehr an Bedeutung gewonnen haben. Vielfältige Arten von Nägeln sind sicherlich von den Naglern hergestellt worden. Gewiß hat sie Hans Sachs in seinem Text zu dem Holzschnitt von Jost Amann "Der Nagler" im Ständebuch von 1568 nicht alle aufgezählt. Immerhin kommt in dem Vers zum Ausdruck, daß es vielerlei Sorten waren. Die ,,Bühnnegel" benötigte man zum Befestigen von Bretterbühnen, für Holzdielen und Holzdecken, ,,Pfenningnegel" waren solche mit flachen Köpfen. Ganz sicher haben die Nagler damals Hufnägel, Decknägel, d. n. Nägel für die Befestigung des Dachschiefers und viele andere Sorten angefertigt, wohl aber noch keine Schuhnägel, die in späterer Zeit und so auch in Mengerskirchen dem Nagelschmiedegewerbe das Gepräge gaben. Hierfür spricht schon das Gerät der Nagelschmiede, wie wir es auf dem Holzschnitt sehen, ganz abgesehen davon, daß die abgebildeten Nagler ein Schuhwerk trugen, das offenbar keine Benagelung aufwies.

Die wirtschaftliche und technische Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert und damit gleichzeitig eine starke Bevölkerungsvermehrung gab wohl auch dem Nagelschmiedegewerbe erheblich Auftrieb. Gesamtstatistiken über den Umfang dieses Gewerbes liegen indessen aus dieser Zeit nicht vor. Die Berufszählung vom 14. Juni 1895 vermittelt jedoch einen Überblick über die Zahl derjenigen Personen, die zu jener Zeit das Gewerbe eines Nagelschmiedes ausübten. Sie waren über das ganze deutsche Reichsgebiet verteilt, und zwar in einer Gesamtzahl von 5239 Personen. Die stärkste Verbreitung hatte das Gewerbe in Hessen-Nassau. Dort gab es 1086 Nagelschmiede. Die meisten Nagelschmiede innerhalb Hessen-Nassau wurden 1895 im Kreis Schmalkalden gezählt. Zu den 720 Personen, die dort als Nagelschmiede arbeiteten, gehörten wahrscheinlich 118, die in einem Betrieb der Nagelherstellung, der bereits mit zwei Maschinen arbeitete, beschäftigt waren. Auch in anderen Gegenden gab es damals schon Betriebe der Nagelherstellung mit einer größeren Anzahl Beschäftigter. Dagegen war vorwiegend in den westdeutschen Gebieten, beispielsweise im Kreis Usingen und im Landkreis Trier, noch ausschließlich eine Fertigung von Nägeln in kleinen Werkstätten von Hand zu verzeichnen. Diese Herstellungsart wurde auch in Mengerskirchen bis zum endgültigen Erlöschen des Gewerbes im Jahre 1948 angewandt.

Die Berufszählung von 1895 weist für den Oberlahnkreis 43 Personen als Nagelschmiede aus. Dabei wird man davon ausgehen dürfen, daß es sich ausschließlich um Bürger von Mengerskirchen handelt. Aber die genannte Zahl zeigt keinesfalls die Zahlengröße auf, die auf das Nagelschmiedegewerbe in jener Zeit anzuwenden ist. Ganz gewiß gab es damals in Mengerskirchen mehr Nagelschmiede. Mit ziemlicher Sicherheit ist davon auszugehen, daß von der Statistik nur jene erfaßt worden sind, die das Gewerbe ganzjährig ausübten, und wieder jene unberücksichtigt blieben, die neben dem Nagelschmiedegewerbe noch eine Landwirtschaft betrieben oder nur während der Wintermonate Nägel fertigten und die übrige Zeit im Baugewerbe arbeiteten. Möglicherweise scheute sich auch mancher, bei den Erhebungen für die Berufszählung sich als Nagelschmied auszugeben, um nicht als Haupterwerbszweig diesen karg bezahlten Beruf anzugeben. Mengerskirchen war offensichtlich von dem allgemeinen Rückgang des Gewerbes vor der Jahrhundertwende nicht betroffen.



Wann und woher kam das Gewerbe?


In vielen Bereichen, die Gegenstand dieser Betrachtung sind, ist das Nagelschmiedegewerbe in einer Häufung aufgetreten, d. h. die Betriebe konzentrierten sich in einigen Gegenden auf einen Ort oder auf mehrere zusammenhängende Orte. So war es auch in der früheren Provinz Hessen-Nassau. Die Gründe hierfür sind verschiedener Art. Im Raum Schmalkalden, Thüringen, hat es schon sehr früh eine Eisenverarbeitung gegeben; sie reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Dieser Umstand beruhte auf dem Erzvorkommen der dortigen Gegend und anderen Voraussetzungen, die eine umfangreiche Eisen- und Stahlgewinnung ermöglichten. Indessen waren die Nagelschmiede in jener frühen Zeit des eisenverarbeitenden Handwerks zahlenmäßig gering. Um das Jahr 1500 herum gab es beispielsweise in Schmalkalden neben 41 Werkstätten der Messerund Klingenschmiede nur 9 Nagelschmiedewerkstätten. Das lag wohl daran, daß damals noch keine Schuhnägel hergestellt wurden, ebenso wie auch keine oder nur geringe Mengen Decknägel zur Dachschieferbedeckung. Aber es darf doch im Raum Schmalkalden der Ursprung des Nagelschmiedegewerbes in der dortigen Eisengewinnung und Eisenverarbeitung gesehen werden.

Eine gleiche oder ähnliche Situation ist anderwärts nicht zu verzeichnen. Allerdings steht nicht selten der Ursprung des Nagelschmiedegewerbes mit Erzvorkommen und Eisengewinnung in Verbindung. Dafür sprechen schon manche Ortsnamen. So kommt der Name Schmitten im Taunus zweifellos von der Eisengewinnung im dortigen Raum. Als Ausgang des Nagelschmiedehandwerks in Schmitten wird ein Eisenhammer bezeichnet, der ein weiches Eisen lieferte, das für die Herstellung von Nägeln besonders geeignet war. Die Kirchenbücher weisen aus, daß es 1723 in Schmitten ebenso wie in einigen umliegenden Orten schon Nagelschmiede gegeben hat. Der Landesfürst soll das Gewerbe ins Leben gerufen haben, und zwar unter Heranziehung von Nagelschmieden aus Schmalkalden.


Auch der Name Isenburg, im Sayntal ist auf die dortige Eisengewinnung in früherer Zeit zurückzuführen. Über die Entstehung des Nagelschmiedegewerbes in Isenburg gibt es eine mündlich überlieferte Legende. Der Ritter der Burg soll an den Kreuzzügen in das Heilige Land teilgenommen haben, dort in Gefangenschaft geraten sein und in dieser das Nagelschmiedehandwerk erlernt haben. Nach seiner Rückkehr habe er sich dann am Fuße der Burg als Nagelschmied niedergelassen, da ihm seine Frau während seiner Gefangenschaft untreu geworden sei. Aus dieser Zeit soll das Isenburger Nagelschmiedegewerbe stammen. Jedenfalls beweist diese Legende, daß man über Ursprung und Alter des Gewerbes dort nichts Näheres weiß. Ganz gewiß hatte das Nagelschmiedehandwerk allgemein eine große Verbreitung im 17. und 18. Jahrhundert gefunden, und zwar vorwiegend in Gegenden mit kargem Ackerboden und fehlenden anderen Verdienstmöglichkeiten.


Das gilt auch für Mengerskirchen. Vordem bot die weiträumige Gemarkung mit meist geringwertigeren Ackerböden für die verhältnismäßig geringe Bevölkerung bis nach dem 30jährigen Krieg ausreichend Nahrung. Im Jahre 1566 gab es in Mengerskirchen 39 Gebäude und 43 steuerpflichtige Bürger; Ende des Jahres 1636 zählte es nur noch 12 bewohnte Häuser. Der Pest und den Kriegsereignissen waren in diesem und dem vorhergehenden Jahr 246 Personen zum Opfer' gefallen. Indessen setzte nach dem 30jährigen Krieg eine schnelle Bevölkerungsvermehrung ein. Im Jahre 1825 hatte Mengerskirchen 930 Bewohner und sich damit innerhalb von gut 150 Jahren um ein Vielfaches vermehrt. Diese Bevölkerung konnte der Grund und Boden um die herbe Knotenlandschaft nicht mehr ernähren Industrien und andere Unternehmungen, die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten hätten bieten können, fehlten in Mengerskirchen und seiner Umgebung. Verkehrsmöglichkeiten, die einen weiter entfernten Arbeitsplatz ermöglicht hätte gab es nicht. Vereinzelt soll man sich jedoch als Tagelöhner an Orten verdingt haben, die nur durch einen tagelangen Fußmarsch zu erreichen waren. So kehrte Not und Armut unter der Bevölkerung ein. Seitens der landesherrlichen Verwaltung versuchte man durch soziale Hilfsmaßnahmen diesem Zustand zu steuern. Wie auch anderwärts errichtete man in Mengerskirchen eine öffentliche Spinnerei. Die Regierung stellte das notwendige Kapital zur Geräte- und Materialbeschaffung zinslos zur Verfügung. Das Unternehmen hatte aber keinen langen' Bestand.






Über den Ursprung des Nagelschmiedegewerbes in Mengerskirchen ist nichts bekannt. Man weiß nicht, wo es hergekommen ist und wann die ersten Nagler ihr Gewerbe hier ausübten. Die Anregung dazu ist nicht wie in anderen Räumen von der Eisengewinnung oder einer anderen bedeutenden Eisenverarbeitung ausgegangen. Es wird auch sicherlich keine Beziehung zu der Tatsache bestehen, daß es um das 15. Jahrhundert herum in Mengerskirchen Waffenschmiede gegeben hat, die den zur Verteidigung der Feste verpflichteten Bauern von Mengerskirchen und den benachbarten Dörfern Fausthämmer und Bogen lieferten und ,,daneben den trefflichen Stahl der Waldschmiede im Calenberg zu Beilen und spitzen Lothämmern ausschmiedeten." Zwar fand das Nagelschmiedegewerbe im Lahngebiet im Laufe des 15. Jahrhunderts eine stärkere Verbreitung. Davon dürfte aber Mengerskirchen nicht betroffen worden sein, denn die Hofhaltung auf dem Schloß Weilburg bezog noch im ersten Viertel des Jahrhunderts die für Bauzwecke nötigen Nägel aus Herborn. Im übrigen befindet sich in der dem Verfasser bekannten Literatur kein Anhaltspunkt für den Ursprung des Gewerbes in so früher Zeit. Selbst Hörpel erwähnte es in seiner Mengerskirchener Chronik nicht, obwohl diese weit in die Zeit hinein reicht, da in Mengerskirchen schon Nägel hergestellt wurden. Das läßt darauf schließen, daß das Gewerbe im 17. Jahrhundert oder gar noch früher keine Rolle dort gespielt hat Auch das Zunftwesen in jener Zeit in Mengerskirchen rechtfertigt keine andere Auffassung.

Mit ziemlicher Sicherheit wird anzunehmen sein, daß das Gewerbe in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Mengerskirchen gekommen ist. Anhaltspunkte hierfür sind Eintragungen in den Kirchenbüchern. Leider wurden in diese bis Ende 1817 keine Berufe eingetragen. Das änderte sich mit der Einführung der Zivilstandsregister ab dieser Zeit insoweit, als den Personalien der aufgeführen Personen auch der Beruf beizufügen war. So zeigt eine Eintragung aus dem Jahre 1818 an, daß dem Nagelschmied Johann Haim ein Kind gestorben ist. Die Eintragung ab jener Zeit verzeichnen den Beruf des Nagelschmiedes oder auch Naglers sehr oft. Damit ist aber die Existenz des Gewerbes, und zwar schon in einem größeren Umfang vor der Jahrhundertwende nachgewiesen. Der Vater des Verfassers, der einer alten Nagelschmiedefamilie entstammte, hat erzählt, daß es aus Schmalkalden gekommen sei. Es ist vorstellbar, daß das Gewerbe von Schmalkalden über Schmitten nach Mengerskirchen gekommen ist Hierfür spricht insbesondere die Gleichartigkeit der Arbeitsweise bei der Nagelanfertigung in Schmitten und Mengerskirchen und der Arbeitsgeräte und ihrer Bezeichnung. Vielleicht besteht aber auch eine Verbindung zwischen dem ausgedehnten Eisenhandel der Löhnberger Hütte in damaliger Zeit, der weit über die Landesgrenzen hinausging 1712 verkaufte die Hütte sogar Stabeisen nach Italien und der Einführung des Naglergewerbes in Mengerskirchen. Die Eisenhändler gaben womöglich auf Grund ihrer Kenntnisse über die Eisenverarbeitung die Anregung dazu. Die Zahl der Bevölkerung sowohl als auch ihre Struktur bot für das Gewerbe gute Voraussetzungen in dem Westerwaldort.


Eine weitere Voraussetzung war der steigende Bedarf an Nägeln, wobei die Verwendung von Nägeln als Schutz für die Schuhsohlen eine besondere Rolle spielte. Sie erfolgte aber erst mit der Entwicklung von Technik und Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert. Bis dahin dürfte die große Zahl der werktätigen Bevölkerung noch kein Schuhwerk aus Leder getragen haben, das einen Sohlenschutz durch Nägel ermöglichte. Eine Benagelung setzte nämlich einen festen Schuhrahmen mit einer kräftigen Laufsohle voraus. Der Erwerb solcher Schuhe, die handwerklich hergestellt wurden, war aber den kleinen Leuten wie Bauern, Tagelöhnern usw. nicht möglich. Derartiges Schuhwerk war damals ein Vorrecht der Begüterten und galt als Zeichen gesellschaftlicher Gehobenheit. Andere Volksschichten dagegen werden einfache Lederschuhe, Holzschuhe und Pantoffeln getragen haben. So dürfte auf die Entwicklung des Nagelschmiedegewerbes die Herstellung von Schuhnägeln einen großen Einfluß gehabt haben.


Die berufliche Ordnung und Ausbildung zum Nagelschmied


Ursprünglich wurde das Nagelschmiedegewerbe nach handwerklichen Grundsätzen ausgeübt. Das gilt zumindest für die Zeit der Zünfte. Hierüber gibt es aus dem Raum Schmalkalden exakte Unterlagen. Die Nagelschmiede dort hatten nicht nur ihre eigenen Zünfte, sondern es gab auch Regelungen, welche die Ausbildung zum Nagelschmied betrafen. So besagte im 16. Jahrhundert die Vorschrift, daß der Nagelschmied als Meisterstück innerhalb von zwei Tagen 100 große Bandnägel mit hohlen Köpfen, 300 Hellebardennägel und 300 gestampfte Nägel anfertigen mußte ,,alles fein nette war und kaufmannsgut"; auch mußte der Prüfling vorher sein ,,Gezeug" machen. Jeder Meister durfte bis zu drei Gesellen beschäftigen.

Aus dieser Regelung ergibt sich der handwerkliche Charakter des Nagelschmiedegewerbes zur damaligen Zeit, wie auch die Prüfungsarbeiten ein beachtliches handwerkliches Können voraussetzten. Gerade durch den letztgenannten Umstand ist das Gewerbe in der Zeit der Zünfte nicht mehr vergleichbar mit dem der späteren Zeit, da ihm die Massenherstellung von Nägeln das Gepräge gab. Für die Meisterprüfung damals waren in zwei Tagen insgesamt 700 Nägel anzufertigen, während die Nagelschmiede es in späterer Zeit bei Schuhnägeln bis auf 2000 und mehr täglich brachten. Etwa um das Jahr 1700 herum gab es im Schmalkaldener Eisenhandwerk etwa 500 zunftmäßig erfaßte Betriebe. Dazu gehörten nur vier Nagelschmiedemeister. Diese vier Meister dürften mit ihren Betrieben nicht für den Markt, sondern nur für feste Kunden und auf Bestellung gearbeitet haben, so daß sie auch von daher als echte Handwerker anzusehen sind.

Indessen wird sich die straffe handwerkliche Ordnung im Nagelschmiedegewerbe schon vor der Auflösung der Zünfte gelockert haben. Im Herzogtum Nassau wurde das Ende der Zünfte durch ein Herzogliches Edikt aus dem Jahre 1819 herbeigeführt. Das Nagelschmiedegewerbe hat seinen ursprünglich reinen Charakter als Handwerk durch die Entwicklung mehr und mehr verloren. Zwar änderte sich die Arbeitstechnik nicht. Sie war bis zum Erlöschen des Gewerbes

reine Handarbeit, die mit Hilfe von einfachen Werkzeugen und Geräten ausgeführt wurde. Das Werkstück, der Nagel, wurde in der Regel in einem Arbeitsgang nur von einer Arbeitskraft hergestellt, die allerdings über bestimmte handwerkliche Fähigkeiten verfügen mußte. Im Laufe der Zeit kam es jedoch zu einer Massenherstellung insbesondere bei der Fertigung von Schuhnägeln, die den handwerklichen Rahmen sprengte. Immer mehr Arbeitskräfte wandten sich dem Gewerbe zu; der einzelne Nagelschmied arbeitete nicht mehr für feste Kunden und auf Bestellung, sondern für den Markt.

Soweit erkennbar galt für das Nagelschmiedegewerbe in Mengerskirchen nicht die allgemein im Handwerk gültige berufliche Ordnung. Vom Zunftwesen wurde es nicht erfaßt. Das mag daran liegen, daß das Gewerbe sich hier in einer Zeit entwickelte, da die Zünfte nicht mehr die Bedeutung und den Einfluß früherer Zeiten hatten, ganz abgesehen davon, daß die mit der Verleihung der Zunftbriefe im 17. Jahrhundert in Mengerskirchen erstandenen Zünfte der Maurer und Zimmerleute, Schneider, Schreiner und andere eine nicht ins Gewicht fallende Bedeutung gehabt haben dürften. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts soll es aber in Mengerskirchen zur Bildung einer Nagelschmiedeinnung gekommen sein, welcher ein Nagelschmied Reiferth, der in der wärmeren Jahreszeit auch den Posten des Kuhhirten versah, vorstand. Diese Organisation hatte sich allerdings weniger die handwerkliche Ordnung des Gewerbes zur Aufgabe gemacht, sondern in erster Linie die wirtschaftliche Anhebung der Nagelschmiede. Zur Vervollständigung des Bildes sei gesagt, daß der Verfasser in seinen Kinderjahren Urkunden und andere Schriftstücke der Handwerkskammer Wiesbaden, die seinen Vater betrafen bzw. an diesen gerichtet waren, gelesen hat, welche das Nagelschmiedegewerbe in Mengerskirchen zum Gegenstand hatten. Es kann vermutet werden, daß in jener Zeit wenigstens auf dem Papier eine Nagelschmiedeinnung in Mengerskirchen bestanden hat und der Vater des Verfassers mit Funktionen in derselben betraut war. Leider sind diesbezügliche Unterlagen nicht mehr vorhanden bzw. nicht erreichbar. Bei der Handwerkskammer gingen sie durch die Kriegsereignisse verloren und bei der Kreishandwerkerschaft in Weilburg sind sie, wenn überhaupt vorhanden, nicht zugänglich.

In das amtliche Schrifttum ist das Nagelschmiedegewerbe in der neueren Zeit eingegangen, und zwar in der Ersten Verordnung des Reichswirtschaftsministers vom 15. Juni 1934 über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks. Auf Grund des Paragraphen 1 derselben erschien am 18. Dezember 1934 ein Verzeichnis der Gewerbe, die handwerksmäßig betrieben werden können. Unter Ziffer 54 dieses Verzeichnisses ist das Handwerk der Schmiede aufgeführt, wobei auch die Nagelschmiede genannt sind. Von praktischer Bedeutung war diese Tatsache kaum, da das Gewerbe in jener Zeit schon weitgehend der technischen Entwicklung erlegen war.

Eine allgemein gültige Regelung über die Ausbildung zum Nagelschmied gab es, soweit ersichtlich, in Mengerskirchen nicht. Jedenfalls wurde die im sonstigen Handwerk übliche Berufslaufbahn vom Lehrling über den Gesellen zum Meister nicht praktiziert. Aber im Endstadium des Gewerbes kam es in Mengerskirchen, und zwar am 17. Juli 1948 noch einmal zur Gesellenprüfung des Nagelschmiedes Wilhelm Eckert vor einem ordnungsgemäß besetzten Gesellenprüfungsausschuß der Schmiedeinnung Weilburg. Als Lehrmeister fungierte dabei der Nagelschmied Theodor Walter. Bei dieser Prüfung ging es aber ausschließlich um die anerkannte Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes und damit um die Zuteilung von Kohle und Eisen, die damals noch kontingentiert waren.

Bis zum ersten Weltkrieg gab es noch vereinzelt Lehrverhältnisse. Die Lehrherren waren aber keine Meister im handwerklichen Sinne; sie hatten weder eine Gesellen noch eine Meisterprüfung abgelegt. In der Regel gingen junge Männer ein Lehrverhältnis ein, die keinen Verwandten oder Bekannten hatten, der ihnen die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Nagelschmiedes hätte beibringen können. Bei dem Lehrherrn fanden sie einen Arbeitsplatz und gleichzeitig Anleitung zum Erlernen des Berufes. Indessen ergaben sich für die Beteiligten aus einem solchen Verhältnis Rechte und Pflichten. Der Lehrling hatte sich den Weisungen des Lehrherrn zu fügen und dieser mußte den Lehrling so behandeln, daß er nach Ablauf der Lehrzeit den Beruf als Nagelschmied ausüben konnte. Die Lehrzeit betrug in der Regel dreimal fünf Wintermonate. Der Lehrherr stellte dem Lehrling alles für den Beruf zur Verfügung, d. h. den Arbeitsplatz mit den Gerätschaften, Eisen und Kohle. Im ersten Winter zahlte der Lehrling ein geringes Lehrgeld. Der Aufwand des Lehrherrn war damit jedoch selten abgegolten, denn es dauerte schon geraume Zeit, bis der Lehrling verkäufliche Ware herstellte. Im zweiten Winter entfiel das Lehrgeld und im dritten Winter erhielt der Lehrling ein Taschengeld oder eine kleine Vergütung, deren Höhe im Ermessen des Lehrherrn lag. Eine Lehrabschlußprüfung gab es nicht.

In der Zeit, aus der hier berichtet wird, war der Nagelschmiedeberuf kein echter Lehr-, sondern mehr ein Anlernberuf. In den Familien wurde er meistens schon seit Generationen ausgeübt; die nachfolgende Generation wuchs in ihn hinein. Der ältere Volksschüler probierte schon manchmal am "Stock" und war dann beim Eintritt in den Beruf mit den Grundbegriffen und Fertigkeiten, die zu seiner Ausführung notwendig waren, weitgehend vertraut. Die Beschäftigung von Gesellen erfolgte nur in vereinzelten Fällen. Ihnen wurde vom Werkstattbesitzer ein Arbeitsplatz mit den notwendigen Geräten und Werkzeugen zur Verfügung gestellt nebst Kohle und Eisen. Der Gesellenlohn richtete sich nach der Stückzahl der von den Gesellen hergestellten Nägel. Dieser betrug je nach Art und Gewicht derselben für 1000 Stück 0,80 bis 1,20 Mark. Der Gewinn des Arbeitgebers dabei war nicht groß; er dürfte zwischen 5 und 10 Pfennig gelegen haben.

Etwa um 1890 herum haben für längere Zeit, und zwar ganzjährig, drei unverheiratete junge Nagelschmiede aus Mengerskirchen als Gesellen in Niederscheld gearbeitet, darunter Johannes Schüßler, der als Vollwaise in fremden Familien leben mußte. Sie erhielten für ihre Arbeit Essen und Unterkunft und für 1000 Stück Nägel bis zu 0,50 Mark. Um unter diesen Bedingungen existieren zu können, war die Anfertigung von mindestens 2000 Stück täglich erforderlich.

Werkstatt, Gerät und Werkzeug



Die Mehrzahl der Werkstätten in Mengerskirchen war für vier Arbeitsplätze eingerichtet Der Arbeitsplatz bestand aus dem ,,Nagelstock". Mittelpunkt der Werkstatt war die Esse oder, wie die Nagler sagten, das ,,Feuer". Dieses bestand aus einer gußeisernen Platte von etwa 50 auf 60 cm, die auf vier Stäben, meist aus Flacheisen bestehend, ruhte. In der Mitte der Platte befand sich eine viereckige Öffnung, in die eine konische Wanne, ebenfalls aus Gußeisen, von etwa 8 cm Tiefe eingelassen wurde mit einer seitlichen Öffnung, die der Einführung des Luftkanals aus dem Blasebalg diente. Die Wanne war mit einem normalen Ofenrost von etwa 12 x 12 cm in Höhe der oberen Seite der Platte abgedeckt. Auf zwei Seiten des Rostes wurde in der Regel je ein gußeiserner Block in Ziegelsteingröße gesetzt, um die Wandungen unmittelbar an der Glut vor Beschädigungen zu schützen.


Auf den gleichen Seiten mauerte man auf der Platte an deren Rand Wände aus Ziegelsteinen und Lehm in Höhe von 25 cm. Den Abschluß bildete wiederum eine gußeiserne Platte, die seitlich eine Öffnung für den Rauchabzug hatte. Die Platte diente vielfach noch dem Kochen von Viehfutter. An den an den anderen Seiten verbliebenen Öffnungen waren nach außen hin Eisenplatten von etwa 20 auf 40 cm angebracht, die am Ende durch eine Stütze mitgehalten wurden. Auf dieser Platte ruhten die zu erhitzenden Eisenstäbe. Beiderseits der offenen Stellen des ,,Feuers" standen die ,,Nagelstöcke".

Für das ,,Feuer" wurde normale Steinkohle, wie sie das Schmiedehandwerk allgemein verwendet, benutzt. Die Entfachung der Flamme erfolgte durch glühende Holzkohle, die man in der Regel dem Küchenherd entnahm, oder durch andere Hilfsmittel bei entsprechender Luftzufuhr durch Bedienung des Blasebalges. Der Blasebalg entsprach den in allen eisenverarbeitenden Handwerksbetrieben üblichen Modellen.

Die Bedienung des Blasebalges erfolgte durch die einzelnen Nagler oder auch mit Hilfe eines Hundeantriebsrades. Bei der ersteren Bedienungsart wechselten sich die Nagelschmiede ab, da diese Tätigkeit gleichzeitig mit der Nagelanfertigung erfolgte. In diesem Falle befand sich neben dem ,,Nagelstock" ein am hinteren Ende mit dem Fußboden verankertes bewegliches Brett, das durch ein Gestänge mit dem Blasebalg verbunden war. Das Brett stand bei luftleerem Blasebalg nach vorne hoch. Beim Niedertreten des Brettes wurde der Blasebalg hochgezogen und füllte sich dabei mit Luft, die er dann zu Erzeugung der erforderlichen Glut an das Feuer abgab. Der Nagelschmied trat das Brett mit dem linken Fuß. Diese Tätigkeit mußte auf den Arbeitsvorgang bei der Fertigung des einzelnen Nagels abgestimmt sein. Die gleichzeitige Ausübung beider Tätigkeiten erforderte erhebliche körperliche Anstrengung und Geschicklichkeit.

Das Hundeantriebsrad mit 1,50 Meter Durchmesser war nur in Werkstätten möglich, die entsprechende räumliche Voraussetzungen hierfür boten. Auch das ,,Hunderad" war durch ein Gestänge mit dem Blasebalg verbunden, ähnlich wie bei der Fußbedienung. Durch die Umdrehung des Rades, das an der Achse zwischen zwei Stützen aufgehängt war und von dem Hund durch Laufen in demselben herbeigeführt wurde, zog ein an der Achse befestigter mit einem Zug versehener Schwengel den Blasebalg in die Höhe. Das Rad brauchte nur bei ausgehender Luft gedreht zu werden. Ein geübter Radhund wußte, wann er es zu drehen hatte. Heute würde man das ,,Hunderad" vielleicht als Tierquälerei betrachten. Die damaligen Nagelschmiede haben es anders gesehen. Ihr eigenes hartes Schicksal machte sie unempfindlich gegen solche Regungen, ganz abgesehen davon, daß von einer Tierquälerei nicht gesprochen werden kann. Nach 1914 wurde die Luft der Glut vereinzelt durch Wassergebläse zugeführt. Dabei handelte es sich um ein kleines Windrad in einem Gehäuse, das durch eine winzige an die Wasserleitung angeschlossene Turbine angetrieben wurde. Die Kohle für den unmittelbaren Verbrauch befand sich in der Nähe des ,,Feuers" in einem Eisenbehälter, bei dem es sich meistens um einen ausrangierten größeren gußeisernen Kochtopf handelte. Sie war stets in angefeuchtetem Zustand und wurde auch so mit einer kleinen Schaufel auf das Feuer gegeben. Durch die Feuchtigkeit bildete sich auf der Glut eine Kruste und darunter eine stärkere Hitze. Auch war so der Verbrauch geringer. Jeder Nagelschmied arbeitete mit zwei Eisenstäben, von denen jeweils einer in der Glut erhitzt, während aus dem anderen der Nagel angefertigt wurde. Unmittelbar für die Nagelherstellung diente der ,,Nagelstock", also die Vorrichtung, die den notwendigen Arbeitsvorgang ermöglichte. Es handelte sich dabei um den Teil eines Eichenstammes, dessen Höhe sich nach der Körpergröße des Nagelschmiedes, der ihn benutzen wollte, richtete und normalerweise etwa 75 cm betrug bei einem Durchmesser von 40 cm. Der Stammabschnitt war an seinem oberen Ende und in der Mitte mit flachen starken Eisenreifen versehen. In diesen Teil, und zwar in das Stirnholz wurden die benötigten Eisenteile, nämlich Amboß, "Stappe" und Schrot, eingesetzt. Der Amboß wog 7 Kilo und hatte eine Gesamtlänge von 45 cm. Die Spitze wurde in ihrer ganzen Länge von 34 cmn in den Stock eingelassen. Der ,,Stappe", in der Fachsprache der Eisenverarbeitung auch ,,Dokke" = Stützeisen genannt, wog 10 Kilo und war 60 cm lang. Er diente der Befestigung des Nageleisens und hatte für diesen Zweck im letzten oberen Drittel ein viereckiges Loch; etwa zu zwei Drittel der Spitze saß er im Holz.

Die Herstellung eines ,,Nagelstockes" erfolgte durch den Wagner (Stellmacher) und den Grobschmied. Ersterer führte die unmittelbaren Holzarbeiten aus, das heißt er verfertigte von Hand mit Bohrern und Stemmeisen die Vertiefungen im Stirnholz für die einzulassenden Teile, während der Grobschmied alle übrigen Arbeiten vornahm. Diese Arbeiten werden nicht allzu oft vorgekommen sein, denn ein ,,Nagelstock" überlebte oft mehrere Generationen. Allerdings bedurfte es u. a. in bestimmten Zeitabständen einer Überholung der Eisenteile, die bei der Nagelfertigung besonders beansprucht waren. Dieser Umstand brachte dann den anderen Handwerkern auch Arbeit und Verdienst, der sich indessen dem geringen Einkommen der Nagelschmiede anpaßte. Der Grobschmied richtete für je 15 Pfennig Schrot und Nageleisen ab. Vier Mark waren allerdings für das Stählen des Amboß zu zahlen. Hierbei ging es um die Bearbeitung eines sehr harten Stahls, ,,Mühlstahl" genannt, weil die Müller mit einem solchen Stahl die Mahlsteine schärften. Die Oberfläche des Amboß war mit Stahl belegt, weil sie größter Beanspruchung bei der Herstellung der Nagelspitze aus glühendem Eisen ausgesetzt war. Täglich führte der Nagelschmied dabei 10000 bis 20000 Schläge aus. Der Wagner erhielt für einen Hammerstiel 5 Pfennig, den Weißdorn dazu mußte er sich in den Hecken der Gemarkung schneiden. In den Zeiten, da das Naglergewerbe blühte, brachten es die Grobschmiede in ihrer Werkstatt auf einen Tagesverdienst bis zu 3 Mark. Zu dem ,,Nagelstock" gehörte noch das Nageleisen, in der Fachsprache Gesenk genannt, das mit einem Eisenkeil am "Stappe" befestigt war und auf dem Amboß ruhte. Für jede Nagelsorte war ein entsprechendes Nageleisen erforderlich. Das eigentliche Gesenk bildete daran die sogenannte Warze. Bleiben noch das ,,Zängelche" und der etwa 500 Gramm schwere Hammer zu nennen. Ersteres war eine pinzetteähnliche kleine Zange zum Anfassen glühender Nägel. Der Auswurf des fertigen Nagels aus dem Nageleisen erfolgte durch einen kleinen Stift, der unterhalb des Nageleisens auf einer gebogenen Stahlblattfeder saß. Das Stirnholz des Stockes war an der hinteren Hälfte mit einem hochgestellten Blech versehen, in welchem sich die gefertigten Nägel sammelten.