Herbert Leuninger ARCHIV MIGRATION
1985

14. November 1985

AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT
BRAUCHEN WIR EIN ANTI-RASSISMUS-PROGRAMM FÜR DIE BRD?

(Beitrag auf einer Podiumsdiskussion in Wiesbaden)

INHALT
Was es in Großbritannien bereits gibt, wäre auch in der Bundesrepublik erforderlich. Darüber gibt es aber noch keinen politischen Diskurs.


Seit 1976 gibt es in Großbritannien ein Anti-Rassismus-Gesetz. Es soll jeden vor rassischer Diskriminierung bei der Arbeits- und Wohnungssuche, als Schüler, Student oder Auszubildender, als potentielles Mitglied in Vereinen und Clubs und als Klient irgendwelcher Organisationen schützen. Eine eigene von der Regierung eingesetzte Kommission für Rassengleichheit hat über die Einhaltung dieses Gesetzes zu achten. Sie entfaltet nach meiner Kenntnis eine große, vor allem auch publizistische Aktivität. Ich hatte vor einigen Jahren Gelegenheit, die Arbeit dieser Kommission in London kennenzulernen und erhalte inzwischen deren wichtigste periodische Publikationen.

Seit dieser Zeit hat mich der Gedanke nicht mehr losgelassen, daß es eine ähnliches Gesetz auch bei uns geben müßte. Es hat sich aber niemand ernsthaft in der Bundesrepublik damit befaßt, weil hier alles besser zu laufen schien wie in England, und wir natürlich auch keine Rassenprobleme zu haben vermeinten.

Davon bin ich längst nicht mehr überzeugt; im Gegenteil hat es eine starke, mittlerweile zurücktretende Fremdenfeindlichkeit mit rassistischen Zügen gegenüber der türkische Bevölkerung gegeben, die sich mittlerweile als ausgesprochener Rassismus gegen nichtweiße Flüchtlinge richtet. Dies könnte der Zeitpunkt sein, über ein Anti-Rassismus-Programm oder -Gesetz ernsthaft nachzudenken.

Dabei hat ein derartiges Programm nach den Erfahrungen in England eine begrenzte Wirkung, vor allem hat es den Rassismus in diesem Land keinesfalls überwunden. Die Kommission kann trotzdem auf große Erfolge verweisen, wenn sie in unzähligen Fällen Diskriminierungen verhindern half.

Ein Bericht vom letzten Sommer bedauert u.a., daß die Erfahrung der letzten sechs Jahre es immer schwieriger macht, auf dem Rechtswege, also über mittlerweile oft langwierige Gerichtsverfahren, Recht zu erhalten. Eine Stellungnahme vom Januar dieses Jahres stellt fest, daß die direkte Rassendiskriminierung nach wie vor auf dem Leben der nichtweißen Bevölkerung lastet.

Das sollte man bedenken, wenn man sich entschließt, ein Anti-Rassismus-Programm zu fordern.

Dabei ist die Verurteilung der Rassendiskriminierung durch die Kirchen eindeutig und scharf; ich verweise nur auf die Verurteilung der Rassendiskriminierung durch den Papst aus Anlaß des 40-jährigen Bestehens der Vereinten Nationen. Eine Übertragung dieser Verurteilung auf die Bundesrepublik ist bisher nicht, zumindest nicht in erkennbarer Weise erfolgt.

Inzwischen hat ein Untersuchungsausschuß des Europäischen Parlaments einen Bericht vorgelegt, wonach sich in Westeuropa der Rassismus ausbreitet. In dem Bericht wird die Bildung eines Forums beantragt, das die Aufgabe haben soll, in allen Mitgliedsstaaten mit einer Informationskampagne vor allem in den Schulen dem Rassismus entgegenzutreten.

Ich empfehle, weil wir ein nationales Programm in absehbarer Zeit sicher nicht in die Politik lancieren können, mit unseren Europaparlamentariern zusammen auf diese Kampagne Einfluß zu nehmen und sie als ersten Schritt zu betrachten.