Herbert Leuninger

ARCHIV MIGRATION
1977

Initiativausschuss
"Ausländische Mitbürger in Hessen"
Geschäftsstelle Hofheim
(Büro Leuninger)  
                                                                 2.11.1977

STELLUNGNAHME
zur
ILLEGALEN BESCHÄFTIGUNG AUSLÄNDISCHER ARBEITNEHMER

Die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer ist ein Krebsgeschwür unserer Gesellschaft, das sich in der Rezession eher ausgebreitet

als zurückgebildet hat. Werden Fälle illegaler Beschäftigung nichtdeutscher Arbeitnehmer aufgedeckt, droht den betroffenen Arbeitnehmern, daß sie wie Kriminelle in Abschiebehaft genommen werden und möglichst schnell abgeschoben werden, ohne Möglichkeit, noch etwa bestehende Ansprüche an die Arbeitgeber geltend zu machen.

Als Kriminelle haben die Arbeitgeber zu gelten, die ausländische Arbeitnehmer illegal beschäftigen. Die Arbeitnehmer sind arbeitswillige Menschen, die in einer konspirativen Zusammenarbeit von deutschen Arbeitgebern und international organisierten Sklavenhändlern ausgebeutet werden. Für sie werden keine Sozialabgaben entrichtet, sie arbeiten daher ohne jegliche soziale Sicherung. Ohnedies erhalten sie keine Tariflöhne und müssen überdies bis zu 50% ihres Arbeitsentgelts an die sie vermittelnde Organisation entrichten. Sie genießen keinerlei rechtlichen Schutz.

Der Personenkreis der illegal Beschäftigten setzt sich im wesentlichen zusammen aus

  • beschäftigungslosen, unterbeschäftigten oder unterbezahlten Arbeitnehmern. Sie werden in Nicht-EG-Ländern rekrutiert, in denen die Arbeitslosigkeit wesentlich höher ist, als in der Bundesrepublik.
  • Ehepartnern und Kindern nichtdeutscher Arbeitnehmer, die seit Jahren hier regulär arbeiten,
  • Verwandten und Nachbarn regulär arbeitender, nichtdeutscher Arbeitnehmer,
  • nichtdeutschen Arbeitnehmern, die vor Jahren von der Bundesrepublik angeworben, mittlerweile arbeitslos geworden sind.

Die Ursachen illegaler Beschäftigung sind unter anderem

  • das Vorhandensein unattraktiver Dauer- oder Saisonarbeitsplätze, die trotz der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik nicht besetzt werden können,
  • das Festhalten an einer Arbeitsmarktpolitik, durch die deutsche Arbeitskräfte gezwungen werden sollen, die Arbeitsplätze einzunehmen, die bisher von Ausländern besetzt waren,
  • das Abdrängen von mehr als 650.000 ausländischen Arbeitnehmern vom deutschen Arbeitsmarkt seit 1973,
  • die Bereitschaft von Arbeitgebern, unter Umgehung und Bruch von Gesetzen, Arbeitnehmern zu beschäftigen,
  • die Zwangsbewirtschaftung des Teilarbeitsmarktes "ausländische Arbeitnehmer" durch die Bundesanstalt für Arbeit über den Anwerbestopp hinaus.
    (Nichtverlängerung oder Nichterteilung von Arbeitserlaubnissen für ausländische Arbeitnehmer, nachrangige Vermittlung von ausländischen Arbeitnehmern und Jugendlichen, Stichtagsregelung für nachgereiste Jugendliche, Beseitigung des abgeleiteten Anspruchs auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis für Ehepartner etc.)

Der Initiativausschuss "Ausländische Mitbürger in Hessen" erhebt im Zusammenhang mit der illegalen Ausländerbeschäftigung folgende Forderungen:

  1. Zwangsbewirtschaftung von Arbeitskraft bei regulär angeworbenen ausländischen Arbeitnehmern und ihren nachgereisten Familienangehörigen wird aufgehoben.
  2. Die illegale Beschäftigung wird für die betroffenen Arbeitnehmer entkriminalisiert. Unterlassen wird die Abschiebung bzw. Ausweisung für regulär angeworbene ausländische Arbeitnehmer und ihre nachgereisten Familienangehörigen.
  3. Illegal angeworbene ausländische Arbeitnehmern können solange in der Bundesrepublik bleiben, bis die Hintergründe ihrer illegalen Vermittlung aufgedeckt sind und sie ggfs. ihre berechtigten Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht haben.
  4. Illegal angeworbene ausländische Arbeitnehmer, die ihren Arbeitgeber und die sie vermittelnde Person, bzw. Organisation anzeigen, erhalten eine 6- monatige Duldung, um einen regulären Arbeitsplatz zu finden.
  5. Die seit dem 25. April 1975 geltenden verschärften Strafandrohungen für die illegale Anwerbung und Vermittlung oder Beschäftigung werden bis zur Verhängung von Gefängnisstrafen von 5 Jahren angewendet (bislang ist kein Fall bekannt, daß Gefängnisstrafen für illegale Beschäftigung rechtswirksam verhängt wurden).
  6. In den Problemgebieten illegaler Beschäftigung werden polizeiliche Spezialeinheiten gebildet, die in Zusammenarbeit mit Interpol internationale Menschenhändlerringe zu sprengen versuchen.