Herbert Leuninger

ARCHIV MIGRATION
1977

28. März 1977
ZUM SCHULPROBLEM DER KINDER GRIECHISCHER ARBEITNEHMER IN DER BUNDESREPUBLIK

INHALT
Eine Separierung griechischer Kinder in einer eigenen Schule behindert die Integration.


BISCHÖFLICHES ORDINARIAT LIMBURG
Dezernat Kirchliche Dienste
Referent für kirchliche Ausländerarbeit

In Hessen gibt es offiziell keine besonderen Schulen für Kinder ausländischer Arbeitnehmer. Sie besuchen gemeinsam mit den deutschen Kinder die zuständige öffentliche Schule. Faktisch haben sich aber im Rahmen der Vorbereitungsklassen - ganz besonders für die Griechen - Nationalklassen, ja ganze Nationalschulen herausgebildet. Diese Entwicklung entspricht den schulpolitischen Vorstellungen der griechischen Regierung noch aus der Junta-Zeit her, ist aber auch das Ergebnis einer inkonsequenten und einer zwiespältigen deutschen Ausländerpolitik.

Griechenland ist aus den verschiedensten Gründen nicht an einer konsequenten Integratlonspolitik interessiert:

  • Bei dem schwelenden Konflikt zwischen der Türkei (35,2 Mio. Einwohner) und Griechenland (8,7 Mio. Einwohner) besteht ein großes Interesse an der Verfügbarkeit der Griechen in Ausland.
  • Ein fortschreitender Integrationsprozess unter den Griechen vermindert die Geldüberweisungen in die Heimat, die wegen des Devisenausgleichs an solchen Geldern stark interessiert ist.
  • Für die Ausbauplanungen der Wirtschaft sind Facharbeiter und Fachkräfte die über Jahre in einer industrialisierten Zone tätig waren von hohem Nutzen.

Die Bundesrepublik betreibt eire Ausländerpolitik, bei der die Flexibilität der Ausländerbeschäftigung erhalten bleiben soll. Man möchte den Umfang der Ausländerbeschäftigung jederzeit und ohne allzu große Schwierigkeiten der jeweiligen Konjunkturlage anpassen. In dem Maße, wie ausländische Arbeitnehmer mit ihren Familien ansässig werden, nehmen einerseits die Steuerungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ab und die Integrationskosten- und Probleme zu.

Angesichts dieser Lage ist es durchaus verständlich, daß die griechischen Eltern an eine Rückkehr denken, die schulisch nicht erschwert werden soll. Ohnehin leben sie als Angehörige der ersten Einwanderergeneration mit einem ständigen Rückkehrwunsch. Für die Kinder und Jugendlichen, die hier geboren wurden, bzw. groß geworden sind, besteht eine andere Situation, zumal ihre Zukunftsaussichten in Griechenland immer noch geringer sind, als in der Bundesrepublik. Wer sich für griechische Klassen und Schulen einsetzt, verschlechtert die geringen Möglichkeiten der zweiten Generation in Deutschland Fuß zu fassen erheblich.

Nach dem Stand vom 30.9.1976 leben 353.700 Griechen im Bundesgebiet. Davon sind 88.800 Kinder und Jugendliche bis zu 15 Jahren. Vier und mehr Jahre halten sich im Bundesgebiet ca. 80 % der Griechen auf, 10 und mehr Jahre ca. 28 %. Das heißt ein großer Teil ist bereits ansässig geworden. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, daß 40 % (Baden-Württemberg) bis 70 % (Köln) der ausländischen Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik ansässig geworden sind.

Schulpolitisch kann es also nicht darum gehen, eine Ghettobildung der ausländischen Schüler zu unterstützen. Im Vordergrund muß eine gegenseitige Integration stehen, die auf eine gemeinsame Zukunft der deutschen und nichtdeutschen Kinder und Schüler gerichtet ist. Dabei ist die heimatliche Kultur und Sprache weitgehend zu fördern.

Das Hessische Kultusministerium hat versucht der griechischen Wohnbevölkerung sehr weit entgegenzukommen, kann aber mit Recht nicht von dem Ziel abweichen, den ausländischen Schülern einen Schulabschluß in der deutschen Schule zu gewährleisten.