Die deutsche
und die europäische Asylpolitik glichen
der des Herbergsbetreibers von Bethlehem,
sagt der Europareferent der Arbeitsgemeinschaft
für Flüchtlinge "Pro Asyl", Herbert
Leuninger. "Fenster und Türen verriegeln!
Die Unterkunft für die, die drinnen
sind, komfortabel halten!" Weihnachten
sei Kritik an dieser Haltung, so Leuninger
am Mittwoch in einem Interview der Katholischen
Nachrichten-Agentur (KNA) in Frankfurt.
Leuninger ist katholischer Priester; er
war viele Jahre Sprecher von "Pro Asyl".
KNA:
Pfarrer Leuninger, für die schwangere
Maria und für Josef ist kein Platz
in der Herberge. Nach Jesu Geburt sieht
sich die Familie gezwungen, nach Ägypten
zu fliehen, weil König Herodes dem
Kind nach dem Leben trachtet. So jedenfalls
steht es in der Bibel. Was bedeutet es
für Sie, daß es in biblischen
Erzählungen über die Geburt Jesu
auch um die Schwierigkeit geht, ein Dach
über dem Kopf zu finden, daß
es da auch um Verfolgung und Flucht geht?
Leuninger:
Die biblischen Erzählungen sind in
die Sagenwelt des Vorderen Orient
eingebettet. Dabei haben sie ihre Aktualität
bis heute nicht eingebüßt. Es
gibt viele Mythen, die sich mit dem Machtwechsel
befassen. Danach erfährt der alternde
König in einer Weissagung - denken
wir an König Herodes -, daß
ihn ein jugendlicher Fürst töten
wird, weil er sein Nachfolger werden will.
Der König befiehlt die Verfolgung,
der Junge muß flüchten. Irgendwann
kehrt er als junger Mann zurück, um
den König umzubringen und den Thron
zu besteigen.
Was Wunder, wenn Jesus,
der verheißene König, nach der
Bibel zur Flucht gezwungen wird; stellt
er doch für den Machthaber in Jerusalem
und seinesgleichen eine echte Gefahr dar:
Die Mächtigen stürzt er nämlich
vom Thron, und die Niedrigen hebt er aufs
Podest. So hat Maria, als sie mit ihm schwanger
ging, sein künftiges Tun besungen.
Viele Menschen, die heute
flüchten, sind den Mächtigen
ihrer Heimat ein Dorn im Auge. Sie betrachten
sie als Gefahr für ihr Unrechtsregime.
Um den fälligen Machtwechsel zu verhindern,
verfolgen, foltern oder vertreiben sie.
KNA:
Gibt es so etwas wie eine weihnachtliche
Theologie des Asyls?
Leuninger:
Die geschlossene Herberge ist auch ein
theologisches Bild. Nach dem Evangelienschreiber
Johannes kam Gottes Sohn in sein Eigentum,
und die Seinen nahmen ihn nicht auf! Der
Kronprinz kommt, er hat keinen Königsmord,
sondern einen stillen und absolut friedlichen
Wandel im Sinn. Er kommt in sein eigenes
Land, und seine Untertanen verweigern ihm
den Platz. Sie lehnen ihn und seine Botschaft
ab: ein Gott, eine Erde, eine Menschheit,
eine neue Gerechtigkeit. Der neue Mann
ist gegen ethnische und konfessionelle
Säuberungen, gegen geschlossene Grenzen
für Flüchtlinge, gegen die Kluft
zwischen armen und reichen Ländern.
KNA:
Weihnachten ein Fest pro Asyl?
Leuninger:
Wenn Weihnachten eine Absage an Diktatoren,
aber auch an die geschlossene Herberge
einschließt, dann ist es das Fest
pro Asyl.
KNA:
Sie haben die deutsche Asylpolitik, die
Asylpolitik der westeuropäischen Länder
überhaupt wiederholt scharf kritisiert.
Was ist das für eine Asylpolitik,
gemessen an Weihnachten?
Leuninger:
Die deutsche und die europäische Asylpolitik
gleichen der des Herbergsbetreibers von
Bethlehem. Fenster und Türen verriegeln!
Die Unterkunft für die, die drinnen
sind, komfortabel halten! Die Parole verbreiten,
es ist kein Platz mehr da, nicht einmal
für schwangere Frauen. Flüchtlinge?
Die wollen nur an unseren Fleischtöpfen
mitlöffeln!
Weihnachten ist Kritik an
dieser Haltung. Vielleicht schafft es ein
bißchen schlechtes Gewissen, sogar
bei denen, die auf den Seychellen schwitzen,
während im Bayerischen Wald nachts
eine junge Frau erfriert. Sie hatte "illegal"
die Grenze überschritten, um Schutz
vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka zu
finden. Legal konnte sie es nicht mehr.
Interview:
Peter de Groot (KNA)
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