Herbert Leuninger ![]() | ARCHIV
KIRCHE 1984 | ||
![]()
28.10.1984 Analyse Kirche und Armut
| |||
|
|||
1. Versuche der Begriffsbestimmung Armut wird zumeist verstanden als Fehlen eines ausreichenden Einkommens. Dieses Verständnis ist auch Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen, obwohl das Fehlen des ausreichenden Einkommens nur einen Teil erzwungener Armut ausmacht. Armut als Fehlen eines ausreichenden Einkommens ist ein relativer Begriff, der von den allgemeinen Rahmen- und Einkommensbe-dingungen einer Gesellschaft und einer Zeit abhängig ist. 1.1 1.2 Die entscheidende Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1,(2)). Dies geht selbstverständlich weit über das hinaus, was die traditionelle Armutsverwaltung zur bloßen Fristung des Daseins gewährt hat. Die Wü de des Menschen als Maßstab der gesellschaftlichen Hilfe ist wiederum ein relativer Maßstab, der aber für die Bundesrepublik einen Standard der Hilfe verlangt, der durch die derzeitige Sozialhilfe bei weitem nicht mehr erreicht wird. Somit wären nicht nur die als arm zu bezeichnen, deren Armut amtlich nicht bekannt ist und bei denen es sich um eine Personengruppe in Millionengröße handelt, sondern auch die, die Sozialhilfe erhalten. Umfassender gesagt wären die als arm zu bezeichnen, denen einen menschenwürdiges Leben versagt ist, oder denen die entscheidenden Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung fehlen, die ihnen in diskriminierender Weise von der Gesellschaft vorenthalten werden. Laufende Leistungen zum Lebensunterhalt werden nach Regelsätzen gewährt (§ 22,(1)). Bei ihrer Festsetzung ist darauf Bedacht zu nehmen, daß sie unter dem Netto-Arbeitsentgelt unterer Lohngruppen zuzüglich Kindergeld und Wohngeld bleiben (§ 22,(3)). 2. Wachsende Armut Der Lebensunterhalt der über 2,1 Mio Sozialhilfeempfänger in der Bundesrepublik liegt weit unter dem des Jahres 1970. Nach dem in der Sozialhilfe geltenden Bedarfsdeckungsprinzip wird ein sogenannter Warenkorb zusammengestellt. In ihm soll alles enthalten sein, was zur Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendig ist. Der Durchschnittspreis der in dem Korb enthaltenen Waren ist die Berechnungsgrundlage für den Regelsatz der Sozialhilfe. Mittlerweile gilt dieser Warenkorb als hoffnungslos veraltet, selbst wenn der Regelsatz bis 1982 der jährlichen Teuerungsrate angeglichen wurde. Der bereits 1975 unternommene aber gescheiterte Versuch, einen neuen Warenkorb zusammenzustellen, hätte eine Steigerung der Regelsätze bis zu 30% zur Folge gehabt. Als Mindestbetrag zur "Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums" fordern die Wohlfahrtsverbände derzeit einen Betrag von DM 385,-. Sie setzen sich dafür ein, daß in Zukunft wieder ein bedarfsgerechter Warenkorb Grundlage für die Bemessung der Regelsätze sein wird und seine kontinuierliche Überprüfung und Fortschreibung gesichert ist. Die Ausgaben der Kommunen und Landkreise für die Sozialhilfe sind von 4,5 Milliarden in 1981 auf 5,4 in 1982 gestiegen. Dieser Anstieg bedeutet einen erheblichen Zuwachs der Bevölkerungsgruppen, die ohne Sozialhilfe nicht leben könnten, also ein Anwachsen der Armut. Dies wird vor allem durch Arbeitslosigkeit und ihre Folgen ausgelöst bzw. verstärkt. Gleichzeitig sind die Kommunen bemüht, die hierdurch auf sie entfallenden erhöhten Kosten möglichst niedrig zu halten. 3. Formen der Armut Armut hat nicht nur viele Gesichter, sondern wirkt auch kumulativ. Eine Benachteiligung kommt zur anderen. Jede einzelne Benachteiligung bringt für die betreffende Person oder Familie bestimmte Probleme mit sich. Alle gemeinsam können eine ernste und wachsende Armut nach sich ziehen. 3.1
Arbeit und Armut -
Arbeitslosigkeit und Armut 3.2
Wohnverhältnisse
und Armut 3.3
Gesundheit und Armut Menschen, die von Geburt an arm sind, haben höhere Krankheits-, Unfall- und Sterblichkeitsziffern als Personen aus höheren Einkommensgruppen. Dies hängt mit den schlechten Wohnverhältnissen, einer ungenügenden oder falschen Ernährung, mit Umweltbelastungen, schlechten Arbeitsbedingungen und der wirtschaftlichen Unsicherheit zusammen. Eine besonders starke Verbindung zwischen Krankheit und Armut ist bei den Menschen zu finden, die obdachlos geworden sind. 3.4
Bildung und Armut Die Ausbildung hat aber einen maßgeblichen Einfluß auf den Berufsstand, die Lohn- und Arbeitsbedingungen und auf die Chancen überhaupt einen Arbeitsplatz zu erhalten. Besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind:
|