Herbert Leuninger | ARCHIV KIRCHE 1982 | ||
FÜR EINE GEMEINSAME
ZUKUNFT
Die Familien
anderer Muttersprache im Bistum Limburg
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1. Situation 1.1 Die Einschränkung des Familiennachzugs Seit vielen Jahren befaßt sich das Bistum Limburg mit den Schwierigkeiten, die aus der Beschäftigung einer wachsenden Zahl von Arbeitnehmern anderer Muttersprache bei uns und aus dem Zuzug ihrer Familien entstehen. Der Diözesansynodalrat weiß, daß gerade in der gegenwärtigen Situation diese Schwierigkeiten besonders groß geworden sind. Es ist leicht, Forderungen zu stellen, aber schwer, sie zu erfüllen, wie ja auch mit einem weiteren Zustrom von Menschen anderer Muttersprache weder diesen noch den Deutschen ein Dienst erwiesen wird. Deshalb möchte der Rat den ausländerpolitischen Maßnahmen von Bund und Ländern keine ausländerfeindliche Motivation unterstellen. Doch geben bestimmte Maßnahmen, besonders insoweit die Familienzusammenführung der Arbeitnehmer anderer Muttersprache betroffen ist, Anlaß zu sehr ernsten Bedenken. Dazu gehören:
Diese Maßnahmen verstoßen u. E. gegen grundlegende Rechte der Familie: gegen die Menschenwürde, gegen das Recht auf Heirat und Familiengründung sowie gegen das Recht der Eltern, ihre Kinderzahl zu bestimmen (1). 1.2 Vor der Einschränkunq 1.2.1 Die Bestimmungen für den Familiennachzug waren bereits sehr restriktiv. (Der ausländische Arbeitnehmer, der seine Familie nachkommen lassen wollte, mußte in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen und eine Wohnung nachweisen, die für den Nachzug angemessen war.) Die ausländischen Familien, die jetzt noch getrennt leben, stehen unter großen Belastungen. Die Rückkehr des in der Bundesrepublik erwerbstätigen Teils ist nur für wenige eine Alternative, die langfristig ihre Existenz sichert. Die Familien müssen sich nach einer Trennung wieder neu zusammenfinden, alte Autoritätsstrukturen sind oft in der Zwischenphase durchbrochen worden und führen zu Konflikten, für die Kinder prägt sich eine tiefe Verunsicherung ein. Auf eine Stabilisierung der Situation kann sich die ausländische Familie nicht verlassen. Damit wird ihr eine klare Zukunftsplanung außerordentlich erschwert. 1.2.2 1.3 Familienzusammenführung, Rückkehr 1.3.1 Von den türkischen Eltern wird beabsichtigt, ein Viertel ihrer im Herkunftsland gebliebenen Kinder in das Bundesgebiet nachkommen zu lassen. Zusammenfassend kann daher anhand der Befragungsergebnisse einer häufig vertretenen Meinung in der Literatur widersprochen werden, daß nämlich die Mehrzahl der ausländischen Kinder, die noch in den Herkunftsländern der Ausländer geblieben sind, von ihren Eltern in die Bundesrepublik Deutschland nachgeholt werden sollen (4). 1.3.2 Als Grund für den Wunsch, die Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland nachzuholen, wird von den Ausländern häufig angegeben, daß sie unter der Familientrennung leiden und daß sie mit ihren Verwandten zusammenleben möchten (50 % der Nennungen). Ein weiteres Motiv für diesen Wunsch liegt darin, daß die Arbeitsmöglichkeiten in der Bundesrepublik besser beurteilt werden als im Herkunftsland, und daß gehofft wird, daß die Familienangehörigen im Bundesgebiet Arbeit aufnehmen können (33 % der Nennungen). Entgegen der Erwartung wird dagegen von den Ausländern seltener angegeben, daß die Familienangehörigen in das Bundesgebiet kommen sollen, um hier die Kinder zu betreuen (10%' der Nennungen) (5). 1.3.3 2.Grundsätze der kirchlichen Lehre Um die Haltung der Kirche gegenüber den genannten Maßnahmen besser zu verstehen, seien einige Grundsätze der kirchlichen Lehre über die Familie und die Aufgabe der Kirche als Anwalt der Schwachen in Erinnerung gerufen. 2.1 Die Rechte der Familie 2.1.1 Die Familie ist im Plane Gottes die erste Lebenszelle der Gesellschaft und noch vor dem Staat und jeder anderen Gemeinschaft Träger von Rechten und Pflichten (7). 2.1.2 Die Kirche zählt zu den Rechten der Familie u. a.:
2.1.3 Ehegatten haben das Recht zusammenzuleben; dies gilt auch für die Arbeitnehmer anderer Muttersprache. Eltern haben das Recht, ihre Kinder zu erziehen, und Kinder haben einen Anspruch. in der Familie zu leben. Diese Rechte dürfen aus ideologischen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen nicht eingeschränkt werden (9). 2.2 Die Kirche als Anwalt 2.2.1 Solange Menschenrechte bedroht sind. darf die Kirche nicht schweigen (10). 2.2.2 Das Wissen, das die Kirche in Christus in Bezug auf den Menschen gewonnen hat, macht sie zum Anwalt der Menschlichkeit und verpflichtet sie, feierlich die grundlegenden Rechte des Menschen zu verkünden und ihre prophetische Stimme zu erheben, wenn diese Rechte mit Füßen getreten werden. Dabei zählt die Kirche zu den „universalen, wesentlichen und unaufgebbaren Rechten", also zu den „Menschenrechten" das Recht, ins Ausland auswandern zu können und sich dort aus legitimen Gründen niederzulassen und überall mit seiner Familie zusammenleben zu können (11). 2.2.3 Die Kirche nimmt sich vor allem der Fremden und Bedrängten an, macht sich die Leiden und Anliegen der Randgruppen und Unterdrückten zu eigen und tritt als Anwalt und Verteidiger ihrer Rechte auf. Die Diakonie der Kirche umfaßt alle Fremden und Bedrängten ohne Ausnahme und Unterschied von Herkunft und Religion (12). 2.2.4 Werden Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft beschäftigt, sind die erforderlichen gesellschaftlichen Strukturen zu schaffen. Diese müssen so angelegt sein, daß dem Arbeitnehmer anderer Muttersprache und seiner Familie ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, ein größtmögliches Maß an eigener Entscheidungsfreiheit und Mitwirkung, volle Gleichheit der Chancen und sozialen Sicherung, kulturelle und religiös-kirchliche Eigenständigkeit gewährleistet und so ein Leben ermöglicht wird, das der Würde des Menschen entspricht (13). 3.1 Kirche als Anwalt 3.1.1 Die Kirche muß die ihr aufgetragene Rolle als Anwalt in der politischen und kirchlichen Öffentlichkeit klar herausstellen. Die Erwartungen der Familien anderer Muttersprache an die Kirche, und zwar nicht nur derer, die wie die Kroaten, Portugiesen, Slowenen und Spanier zur Kirche gehören, sind sehr hoch. Tatsächlich scheint es außer der Kirche derzeit keine gesellschaftlich bedeutsame Kraft. zu geben, die die Anliegen der nichtdeutschen Bevölkerung angemessen in der Öffentlichkeit vertritt. 3.1.2 Um diese Aufgabe überzeugend erfüllen zu können, bedarf es der betonten Pflege der innerkirchlichen Gemeinsamkeit und gegenseitigen Integration. "Mit der innerkirchlichen Solidarität setzt die Kirche ein Zeichen für die Einheit der Menschen" (14). "Für das harmonische und partnerschaftliche Zusammenleben in einem Land sollte die Kirche einen besonderen Beitrag leisten; auf lokaler und staatlicher Ebene, im Leben der Gemeinden ebenso wie in der Führung der Kirche" (15). 3.2 Stimmungswandel 3.2.1 Nun ist es in Politik und Öffentlichkeit gegenüber den Minderheiten anderer ethnischer Herkunft zu einem tiefgreifenden Stimmungswandel gekommen. In der Politik schlägt er sich in abwehrenden Maßnahmen, in weiten Teilen der Bevölkerung in wachsender Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit nieder. Die Ursachen sind komplexer Natur, haben sicher aber mit Ängsten zu tun, die sich aus der wirtschaftlichen Unsicherheit ergeben. Diese Ängste werden - wie in der Geschichte immer wieder praktiziert - in gesteuerter und ungesteuerter Form auf die "Fremden" projiziert. Dies dürfte unabhängig von den tatsächlichen, keinesfalls zu verharmlosenden Schwierigkeiten einer weiteren gegenseitigen Integration von Menschen sehr unterschiedlicher kultureller Herkunft gelten. 3.2.2 Die neuen Maßnahmen gegen die Familienzusammenführung haben einen Prozeß ausgelöst, wie ihn Bischof Wittler in seinem Schreiben an den Bundeskanzler befürchtet hat: Daß nämlich durch die getroffenen Maßnahmen den langjährigen Bemühungen der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen und zahlreicher Initiativen um die Integration der Ausländer durch Zerstören des Vertrauens in die Deutschen der Boden entzogen würde. Bei den Betroffenen und den im Integrationsbereich Tätigen läßt sich eine fast lähmende Resignation feststellen, als sei eine Arbeit von Jahren und Jahrzehnten umsonst gewesen. Vor allem ist der Eindruck entstanden, daß die bisherigen Ziele und Vorstellungen, wie sie sich in kirchlichen Verlautbarungen und Programmen niedergeschlagen haben in den Gemeinden kaum auf Resonanz stoßen. 3.2.3 Methodisch sind daher neue Wege zu finden und zu beschreiten, um die kirchlichen Vorstellungen in den Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen besser zu verbreiten, sie zum Anliegen der ganzen Kirche zu machen. Ohne eine breitere Grundlage in der Kirche dürfte die pastorale und gesellschaftliche Integration gefährdet sein. Außerdem könnten in einem solchen Falle die Politiker auch weiterhin kirchliche Forderungen einfachhin unberücksichtigt lassen. 3.3 Ökumenisch Der Ökumenische Vorbereitungsausschuß für den Tag des ausländischen Mitbürgers hat vorgeschlagen, möglichst am 26. September 1982 bundesweit örtliche Ausländertage zu veranstalten. Angesichts der gegenwärtigen Ausländerpolitik und der vielfach zu beobachtenden zunehmenden Fremdenangst wurde als Motto vorgeschlagen: "Ängste überwinden - zur Nachbarschaft finden". Mit diesem Motto sollen Ängste von Deutschen und Ausländern angesprochen und versucht werden, durch verschiedene Formen guter Nachbarschaft solche Ängste überwinden helfen. "Alle gesellschaftlichen Gruppen sollten sich gegenseitig ermutigen, daß Ängste und Vorurteile zwischen Deutschen und Ausländern abgebaut und Beispiele aufgezeigt werden, wie ein Zusammenleben möglich ist. Nur gemeinsam haben Deutsche und Ausländer eine Zukunft" (16). 4.1 Der Diözesansynodalrat empfiehlt der Bistumsleitung...alle Formen des Zusammenlebens und der Verständigung zwischen den Familien deutscher und anderer Muttersprache in den Pfarreien und im Kontakt von Pfarrei und Gemeinde von Katholiken anderer Muttersprache zu ermutigen. 4.1.1 Dabei sind wichtige Begegnungs- und Lernfelder
4.1.2 Ansatzpunkte konzeptioneller, struktureller und methodischer Art sind u. a..
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