ARCHIV
KIRCHE 1978 | |||
HESSISCHER RUNDFUNK, Frankfurt/M.,
3. Hörfunkprogramm Sendereihe: "Rendezvous in Deutschland" 29. Januar 1978 Kirche und Ausländerpolitik
redigiertes Interview von Gianna van Loe
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HR: Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Herbert Leuninger, Ausländerreferent des Bistums Limburg und Mitglied des Initiativausschusses "Ausländische Mitbürger in Hessen" hat zu dieser Neuregelung in einer Rede, die er kürzlich in Bonn gehalten hat, Stellung genommen. Herr Leuninger, ist die geplante Neuregelung Ihrer Meinung nach eine Verbesserung für die ausländischen Arbeitnehmer ? Herbert Leuninger: Wenn die als Verbesserung gedachten Bestimmungen hier von mir so kritisch beleuchtet werden, dann deswegen, weil man sie in einem politischen Kontext sehen muß, nach dem die Bundesrepublik sich nicht als Einwanderungsland versteht. Mit anderen Worten: Man will nicht, daß Ausländer hier in größerer Zahl ansässig werden. Daher bleibt auch die künftige Ausländerpolitik - selbst gegenüber der zweiten Generation - nur eine Ausländerbeschäftigungspolitik. Der Vorrang der deutschen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt wird nicht nur aufrechterhalten, sondern verstärkt. Davon sind die ausländischen Jugendlichen betroffen, deren Zahl hier doch sehr groß ist, und die zum Teil hier groß geworden sind. HR: Herbert Leuninger: HR: Herbert Leuninger: Und so ist im Augenblick auch eine sehr interessante Entwicklung festzustellen. Äußerungen eines maßgeblichen Kirchenführers sprechen davon, daß es auf höchster kirchlicher Ebene mittlerweile Versuche gäbe der scharfen Kritik, die die Kirche bisher an der Ausländerpolitik geübt hat, die Spitze zu nehmen. Dieser Kirchenführer, Weihbischof Wilhelm Wöste, bedauert es, daß das, was damals in den Grundsatzbeschluß der Kirche grundgelegt worden sei, vor allem im politischen Bereich, nicht zu entsprechenden Regelungen geführt habe. Und eine ganz neue Entwicklung, die kirchliche Ausländerkreise mit Sorge erfüllt: Die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken haben einen Beirat "Ausländische Arbeitnehmer" gebildet, Für diesen Beirat soll der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Josef Stingl, berufen werden. Die kirchlichen Ausländerkreise haben sich gegen diese Benennung gewehrt und darauf hingewiesen, daß Josef Stingl der Präsident einer Anstalt sei, die für die Durchführung einer von der Kirche kritisierten restriktiven Ausländerbeschäftigungspolitik verantwortlich sei. Damit gerate Stingl zwangsläufig in einen unaufhebbaren Loyalitätskonflikt. HR: Herbert Leuninger: Bürgermeister Hans Koschnick (Bremen), der ehemalige Präsident des Deutschen Städtetages, der gleichzeitig auch stellvertretender SPD-Vorsitzender ist, hat vor einiger Zeit die Bund-Länder-Vorstellungen als unbrauchbares Konzept der Ausländerpolitik bezeichnet. Die These vom Nichteinwanderungsland hält er für eine Fiktion. Sein Nachfolger als Präsident des Deutschen Städtetages, der Oberbürgermeister von Stuttgart, Manfred Rommel (CDU), empfiehlt auf die Zukunft hin realitätsbezogene und ausländerfreundliche Integrationskonzepte, Auch er steht ganz hinter den Positionen des Deutschen Städtetages. Und schließlich als dritte wichtige politische Persönlichkeit auf diesem Gebiet: der Ministerpräsident von Hessen, Holger Börner (SPD), ist in letzter Zeit mit sehr beachtlichen ausländerpolitischen Äußerungen an die Öffentlichkeit getreten, in denen er vor den Folgen einer halbherzigen Integration warnt. Er hat kürzlich bei einer Fernsehsendung gesagt: "Ich halte es deshalb für richtig, daß der Deutsche Städtetag in einer Erklärung hier seine Stimme erhoben hat und die Politiker nicht nur in den Kommunen, sondern auch in den Ländern und im Bund aufgefordert hat, darüber nachzudenken, daß wir in den nächsten Jahren den ausländischen Mitbürgern - wenn wir nicht unglaubwürdig werden sollen - alle Rechte gewähren müssen, die unsere Verfassung nicht ausdrücklich den deutschen Staatsbürgern vorbehalten hat." |