Einführung
Wir möchten Ihnen heute
unser Konzept zur Integration nichtdeutscher
Kinder im Vorschulalter vorlegen, das die
KONFERENZ DER CARITASVERBÄNDE IN HESSEN
auf ihrer letzten Sitzung verabschiedet
hat. Wir tun diesen Schritt in der Öffentlichkeit,
obwohl die finanziellen und personellen
Konsequenzen unseres Programms noch nicht
abgesichert sind. Dennoch wollen wir uns
mit unseren Vorstellungen selbst binden
und zu einer möglichen breiten Diskussion
dieses Aufgabenfeldes beitragen.
Dabei teilen wir voll und
ganz die Auffassung von Ministerpräsident
Börner, die dieser anlässlich
eines Besuchs des Katholischen Kindergartens
Maria-Hilf in Frankfurt mit einem Anteil
von 60% nichtdeutscher Kinder Ende des
vergangenen Jahres geäußert
hat. Im Hinblick auf die pädagogische
Förderung der ausländischen Kinder
sprach er von einer sozialpolitischen Aufgabe
erster Ordnung.
Nicht zuletzt auch durch
eine Studie, die in Anwesenheit von Staatssekretär
Reimut Jochimsen vom Bundesbildungsministerium
in der letzten Woche der Presse vorgestellt
wurde, sehen wir uns in der Einschätzung
der Lage bestätigt. In dieser Studie
wird die Unterversorgung der ausländischen
Kinder mit Kindergartenplätzen herausgestellt
und auf die bedenklichen Spätfolgen
einer halbherzigen Integration hingewiesen.
Die Studie fordert - und dazu möchte
der Caritasverband beitragen - flächendeckende
Konzepte zur Integration vom Kindergarten
bis zum Abitur.
Konzept
Integration
der ausländischen Kinder
Erziehung im Vorschulalter |
1. |
Aufgabenstellung
und Situation |
1.1 |
Aufgabenstellung |
|
1.1.1 |
Die Bundesrepublik
ist ein Land geworden, in dem auf
Dauer ein hoher Anteil ethnischer
Minderheiten leben wird. Dies gilt
vor allem für die nach Hunderttausenden
zählenden Kinder nichtdeutscher
Eltern, die hier geboren wurden und
künftig noch geboren werden.
Ihnen steht, um ein Leben, "das der
Würde des Menschen entspricht",
führen zu können, "volle
Gleichheit und Chancen" zu.
(Vgl. Synodenbeschluß:
Die ausländischen Arbeitnehmer
- eine Frage an die Kirche und die
Gesellschaft, B, II, 2)
|
1.1.2 |
Die Zukunft eines ausländischen
Kindes hängt entscheidend davon
ab, daß es die Möglichkeit
hat, mit deutschen Kindern zusammen
einen Kindergarten zu besuchen. Die
Wahrnehmung unwiederholbarer Lernchancen
vor dem Schuleintritt eröffnet,
gerade Kindern nichtdeutscher Eltern,
einen guten Start für Schule,
Berufsausbildung und die Eingliederung
in unsere Gesellschaft.
|
1.1.3 |
Der Kirche fällt
in diesem Bereich eine besondere
gesellschaftspolitische Rolle zu,
da sie sich als Anwalt dieser Bevölkerungsgruppe
versteht und gleichzeitig über
einen hohen Anteil von Kindergärten
verfügt.
|
1.1.4 |
Als besondere pädagogische
Aufgabe stellt sich die zweisprachige
Förderung der ausländischen
Kinder, wobei die Erlernung und Beherrschung
der deutschen Sprache von der künftigen
Umwelt des Kindes her Vorrang besitzt.
|
1.2 |
Situation |
|
1.2.1 |
Der absolute Rückgang
der Geburten und der besonders starke
Rückgang der Geburten deutscher
Kinder haben in den Kindergärten
Platzkapazitäten frei werden
lassen, die für diese Aufgabe
genutzt werden können.
|
1.2.2 |
Der Grad der Versorgung
mit Kindergartenplätzen liegt
für deutsche Kinder bei ca.
65 %, bei ausländischen Kindern
bei ca. 30 %. Der Anteil der Ausländergeburten
in Hessen betrug 1975 18,5 %, für
Frankfurt 42,2 %. In diesen Zahlen
sind die Kinder nicht mehr enthalten,
bei denen ein Elternteil deutsch
ist. Mit dem Stand vom 30.9.1975
leben in Hessen 29.600 ausländische
Kinder unter 5 Jahren.
|
1.2.3 |
Bei einer angemessenen
und situationsgerechten Förderung
der ausländischen Kinder im
Kindergarten sind Mehraufwendungen
unvermeidlich, die von der Kirche
und den Kommunen aufgefangen werden
müssen. |
2. |
Pädagogische
und organisatorische Probleme im Kindertagesstättenbereich |
|
Die pädagogischen
Fachkräfte in den Kindertagesstätten
haben in den letzten Jahren aufgrund
der sich ständig wandelnden
Situationen Erfahrungen und Erkenntnisse
im Umgang mit den ausländischen
Kindern erworben.
Diese führen dazu, Konsequenzen
für eine Verbesserung der organisatorischen
und pädagogischen Gegebenheiten
in den Kindertagesstätten zu
fordern, und zwar im Interesse aller
Kinder in den Einrichtungen.
Die pädagogische
Situation wird gekennzeichnet durch
- vermehrte Sprachschwierigkeiten
im Umgang mit den Kindern, aus
den verschiedenen Nationen, insbesondere
aber in den Gesprächen mit
den Eltern;
- die unterschiedliche Prägung
der Kinder aufgrund voneinander
abweichenden Erziehungsvorstellungen
und Richtungen im Elternhaus. Diese
sind bedingt durch den sozio-kulturellen
und religiösen Hintergrund
der Eltern der jeweiligen Nationen;
- die Ungewissheit über die
weitere schulische Zukunft der
Kinder:
- ob volle Einbeziehung in
die deutsche Schule im Rahmen
der gesetzlichen Schulpflicht
oder Vorbereitung auf die Rückkehr
in das entsprechende Heimatland;
- unterschiedliche Erwartungen
und Anforderungen der Eltern gegenüber
den Kindertagesstätten im
Bezug auf soziale Dienste und pädagogische
Konzeptionen.
z.B. Erziehungsstil, Aufnahmealter,
Betreuungszeit, Mittagsverpflegung
u.a.
|
3. |
Vorschläge
zur Realisierung |
3.1 |
Organisatorische
und pädagogische Verbesserungen
in den Kindertagesstätten mit
einem hohen Anteil von Ausländerkindern |
3.1.1 |
Gruppenstärke
in Kindertagesstätten (wünschenswert)
Bei einem Anteil über: |
|
20 % Ausländerkinder:
|
20 Kinder pro Gruppe:
|
|
30 % Ausländerkinder:
|
18 Kinder pro Gruppe
|
|
50 % Ausländerkinder:
|
15 Kinder pro Gruppe
|
3.1.2 |
Vermehrtes Angebot
an Tagesplätzen
|
3.1.3 |
Angemessener
Personalschlüssel, Berücksichtigung
der verlängerten Öffnungszeiten |
3.1.4 |
Fortbildungsangebote für pädagogische
Mitarbeiter
- Berufsbegleitendes Seminar an
10 Nachmittagen
Thema:
"Ausländerkinder in den Kindertagesstätten
- welche Hilfen können angeboten
werden ?"
Veranstalter:
Fachreferat des Caritasverbandes
für die Stadt Frankfurt in
Verbindung mit den Referenten für
Ausländerarbeit.
- Sprachkurse zur Vermittlung eines
fachbezogenen Basiswortschatzes
für die Arbeit mit den ausländischen
Kindern und ihren Eltern
Dauer:
Grundkurs: 15 Doppelstunden
Aufbaukurs: 15 Doppelstunden
Sprachen:
italienisch, spanisch, jugoslawisch
Veranstalter:
Es muß geklärt werden,
ob eine solche Veranstaltung
in Zusammenarbeit mit anderen
Verbänden bzw. mit der Volkshochschule
erfolgen kann.
Finanzierung:
Eine Finanzierung der Sprachkurse
müßte über das
Bischöfliche Ordinariat erfolgen.
|
3.2 |
Versuche
in ausgewählten Kindertagesstätten
in den drei hessischen Diözesen
- Förderung der Zweisprachigkeit |
3.2.1 |
Freistellung einer
zusätzlichen Kraft in einer
Einrichtung
Voraussetzung:
Beherrschung einer relevanten Fremdsprache
bzw. ausländische Erzieherin
mit ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen
Aufgabenstellung und
Zielsetzung:
-
Zweisprachigkeit in der Erziehung
als Angebot für ausländische
und deutsche Kinder
-
Vermittlung der nationalen Kultur
und Tradition
-
Intensivierung der Zusammenarbeit
mit den Eltern der Ausländerkinder
Zusätzlicher
Finanzbedarf:
ca. DM 35.000,-- pro Jahr
Kostenträger:
Bischöfliches Ordinariat
Anstellungsträger:
Kirchengemeinde
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3.2.2 |
Freistellung einer
sozialpädagogischen Fachkraft
für die Arbeit in einer Einrichtung
und die Beratung von Kindertagestätten
im Einzugsbereich mit einem hohen
Anteil von Ausländerkindern.
Voraussetzung:
Beherrschung einer relevanten Fremdsprache
bzw. ausländische Erzieherin
mit ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen
Aufgabenstellung und
Zielsetzung:
Arbeit in der Standorteinrichtung
(anteilige Arbeitszeit 50%)
- Vermittlung der Muttersprache,
Kultur und Tradition durch Förderangebote
- Intensivierung der Zusammenarbeit
mit den Eltern der ausländischen
Kinder
Mitarbeit in den Kindertagesstätten
im Einzugsbereich (anteilige Arbeitszeit
50%)
Beratung bei:
- Verständigungsschwierigkeiten
bei Eltern und Kindern,
- Aufnahmegesprächen,
- Eingliederung der Kinder
- besonderen pädagogischen
Problemen und
- der Elternarbeit
Zusätzlicher Finanzierungsbedarf:
ca. DM 35.000,-- pro Jahr
Kostenträger:
Bischöfliches Ordinariat
Anstellungsträger:
Stadtcaritasverband
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4. |
Konsequenzen |
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Die organisatorischen
und pädagogischen Verbesserungen
in den Kindertagesstätten, mit
einem hohen Anteil an Ausländerkindern,
sind umgehend in die Wege zu leiten.
Entsprechende Verhandlungen mit den
Bischöflichen Ordinariaten durch
die Caritasverbände sind erforderlich.
Die Erprobung der Versuche
in besonderen Einrichtungen kann
zunächst auf zwei Jahre beschränkt
werden. Eine Begleitung der Versuche
durch ein Fachteam (Fachreferentin
am Stadtcaritasverband, ausländische
Sozialarbeiter, Beauftragte der Ausländerarbeit)
muß gewährleistet sein.
Die zusätzliche Finanzierung
muß bei den Bischöflichen
Ordinariaten beantragt werden.
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