Herbert Leuninger

ARCHIV ASYL
1992

9. November 1992
(Gedenktag der Reichspogromnacht)
Einführung
zur Autorenlesung in der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge
in Schwalbach bei Frankfurt

zum Hintergrund


Die schweigende Mehrheit hat ihre beredten Sprecher. Sie werfen keine Brandsätze, sie sprechen Brandsätze (Ulrich Beck).

"Jedes Wort ist belastet", sagt Chaim Noll in seinen "Nachtgedanken über Deutschland". "Jedes Wort ist belastet, von irgendwem verdorben, längst zum Brandsatz gemacht, zum Politikum erniedrigt, jedes Wort ist ein Knüppel."

Ich beziehe es auf die derzeitige Asyldebatte.

Und die schweigende Mehrheit der Flüchtlinge?

Wer sind ihre Sprecher? Wer spricht ihre Sprache? Ihr Schicksal, die Schicksale der Barbarei in der Heimat und im Zufluchtsland Deutschland, wer hebt sie in die Sprache?

Ich sehe eine Chance mit den Autorenlesungen in Flüchtlingsheimen. Sie sollen solange fortgesetzt werden, wie Anschläge auf sie zu befürchten sind. Die Zeit wird reichen, daß die Autoren und viele andere, die von außen kommen und ihnen zuhören, zu Gesprächen mit den Flüchtlingen finden. Der Literat wird aufhören "Schamane" oder "nationaler Präzeptor" zu sein, er wird zum "Aufzeichner" werden, zum "Chronisten", vielleicht auch zum "Heldensänger".


 

 

 

 

Presseerklärung von PRO ASYL am 24. August. 1992

Rostock - Metastase des Nationalismus

"Rostock ist eine Eskalation der Fremdenfeindlichkeit, eine Metastase des Nationalismus, wie er sich derzeit in brutalster Weise auf dem Balkan austobt", erklärte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL. "Dabei sind alle Ausschreitungen vom vergangenen Wochenende die gräßliche Begleitmusik zur Bereitschaft der SPD-Spitze, das Grundrecht auf Asyl zu kippen,"

PRO ASYL fordert in dieser Situation eine große Koalition für und nicht gegen Flüchtlinge. Diese müsse sich mit aller Kraft dem gefährlicher werdenden Rechtsextremismus entgegenstemmen. Dabei sollten sich die Parteien aber bewußt bleiben, daß nicht die Flüchtlinge das Problem Nr.1 dieser Republik sind, sondern die wachsende Arbeitslosigkeit und Armut in Ostdeutschland. "Unmittelbar erforderlich sind", so Leuninger, "ausreichender Polizeischutz für gefährdete Wohnheime, die menschenwürdige Unterbringung von Asylbewerbern, die Auflösung von Großlagern und der Stopp der nutz- und hilflosen Asyldiskussion".