Der katholische Pfarrer Herbert Leuninger ist Sprecher der bundesweiten
Flüchtlingsorganisation PRO ASYL. Das Gespräch mit ihm führte unser Mitarbeiter
Klaus-Jürgen Schröder.
Frage:
Nach der Berlin-Wahl hat die CDU angekündigt, Mißbräuche im Asylrecht zu stoppen.
90 Prozent aller Asylsuchenden seien gar keine politisch Verfolgten...
Antwort:
...das Problem liegt ganz woanders: Asylbewerber sind früher in einer sehr viel höheren
Quote anerkannt worden: Politische Flüchtlinge aus Eritrea beispielsweise wurden 1984 zu
86 Prozent anerkannt, 1987 nur noch zu zehn Prozent.
Frage:
Vielleicht hat sich die Situation dort gebessert?
Antwort:
Geändert hat sich an der politischen Situation dort gar nichts, höchstens vielleicht
die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. Es ist u. a. so: In der Rechtsprechung ist der Status
des politischen Flüchtlings umdefiniert, immer enger ausgelegt worden. Die Folge: Da wird
einer mißhandelt und gefoltert und er wird jetzt - im Gegensatz zu früher - nicht mehr
als Flüchtling bei uns anerkannt, Jetzt wird er abgelehnt und als Wirtschafts-Asylant diskriminiert.
Und das gilt auch für Verfolgte aus anderen Ländern.
Frage:
Für etliche Bundesbürger leben schon jetzt zu viele Asylanten, hier...
Antwort:
...und zwar deswegen, weil den Bürgern ständig erzählt wird, daß die übergroße
Mehrheit nur aus wirtschaftlichen. Gründen hierher kommt. Da kann ich jede Bevölkerung
verstehen, die dann sagt: dafür wollen wir unsere humanitären und finanziellen Verpflichtungen
nicht eingehen. Es gehört zu unseren Aufgaben, wenigstens dem aufgeschlossenen Teil der Bevölkerung
zu vermitteln, daß das mit den Wirtschafts-Asylanten einfach nicht stimmt.
Frage:
Wie machen Sie das einem um seinen Job fürchtenden Arbeiter im Berliner Wedding klar, der
die Republikaner gewählt hat?
Antwort:
Dem Mann würde ich sagen: In Krisenzeiten müssen immer diejenigen - nämlich die
Fremden - herhalten für etwas, für das sie nicht verantwortlich sind, nämlich für
die vorhandene arbeitsmarktpolitische, wohnungspolitische und gesundheitspolitische Misere. Immer
mußten die Schwachen für die Fehler anderer herhalten. Und wer es zuläßt,
daß eine bestimmte Gruppe - ganz allgemein - schlechter behandelt wird als andere, sägt
sich den Ast ab, auf dem er sitzt. Denn er selbst kann dann als nächster dran sein.
Frage:
In überregionalen Zeitungsanzeigen, die heute erscheinen, werfen Sie der Union vor, ihr seien
die moralischen Sicherungen durchgebrannt...
Antwort:
...allerdings. Denn nach der Berlin-Wahl ist dort die Debatte aufgebrochen, wie man wieder die
rechten Wähler zurückgewinnen kann. Man glaubt, das über das Ausländer- und
Asyl-Thema machen zu müssen. Das aber heißt, eine Minderheit, die sich auch durch Stimmen
nicht wehren kann, für politische Zwecke zu mißbrauchen. Und das ist unmenschlich.
Asylsuchende sind ein Zeichen dafür, wie krisenhaft die Weltsituation ist. Wir müssen
mehr - auch weltwirtschaftspolitische - Verantwortung übernehmen, um Krisen zu verhindern.
Was not tut, Ist Hilfe vor Ort und zwar Krisen vorbeugende Hilfe.
Frage:
Die CDU fordert eine Verkürzung der Asylverfahren.
Antwort:
Dem stimmen auch wir zu. Allerdings nicht auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit, also einer Verkürzung
des Rechtsweges. Besser wäre es, die Büro- und Personalkapazitäten bei den Behörden
und Gerichten zu verstärken, um Asylfälle schneller bearbeiten zu können.
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