Herbert Leuninger ARCHIV ASYL
1988

31. März 1988 / Nr.13
KNA - Katholische Nachrichtenagentur

NEUES AUSLÄNDERGESETZ:
"KREUZZUG GEGEN KINDER"

Bisher war er eine strenge Verschlußsache - der erste Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts aus dem Bundesinnenministerium (ID Nr. 87 v. 14.1.88). Doch wesentliche Inhalte dieses Entwurfs wurden am 30. März durch die "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ) bekannt. Tenor des bislang vertraulichen Papiers, das sich in ein Ausländerintegrationsgesetz (AIG) und ein Ausländeraufenthaltsgesetz (AAG) untergliedern soll: Schon länger in der Bundesrepublik lebende und arbeitende Ausländer erfahren Verbesserungen, mit zum Teil gravierenden Verschlechterungen müssen neu einreisende Ausländer rechnen. Kirchliche Ausländerexperten machten unmittelbar nach Bekanntwerden des Entwurfs deutlich, daß für sie mehrere Punkte des Gesetzesvorhabens unannehmbar sind.

Der Unmut kirchlicher Kreise richtet sich vor allem gegen Verschärfungen des künftigen Familiennachzugs (ID Nr. 482 v. 10.3.88). So sollen laut dem Bericht der "Neuen Osnabrücker Zeitung" bereits Kinder unter 16 Jahren der Paß- und Visumspflicht unterliegen. Der Nachzug von Kindern werde deutlich eingeschränkt. Einen Rechtsanspruch gebe es nur bis zum sechsten Lebensjahr. Bei sechs- bis 15jährigen kannten die Behörden den Nachzug "nach Ermessen erlauben oder verbieten', heißt es in der NOZ-Veröffentlichung. Das Blatt über den Entwurf weiter: Grundsätzlich sei Kindernachzug nicht mehr möglich, wenn er später als ein Jahr nach Erteilung der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung für die Eltern beantragt werde.

Zu diesen Nachzugs-Hürden für Ausländerkinder bemerkte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft "Pro Asyl", Pfarrer Herbert Leuninger: Bundesinnenminister Zimmermann sei offenbar zu einem "Kreuzzug gegen Kinder angetreten". Besonders der Paß- und Visumszwang für Kinder von sechs bis 15 Jahren würde - sollte er gesetzliche Wirklichkeit werden - vor allem die Einreise von Kindern verhindern, die ohne ihre Eltern aus Krisengebieten wie dem Libanon, dem Iran und Äthiopien flüchteten. Bereits jetzt gäbe es eine Anweisung des Bundesinnenministers an den Bundesgrenzschutz, solche Kinder möglichst bereits am Flughafen wieder in ihre Heimat zurückzuschicken.

Der Erstentwurf zum Ausländerrecht sieht laut NOZ auch deutliche Erschwernisse beim Nachzug von Ehegatten bei Ausländern der zweiten Generation vor, der bisher in dar Regel nach acht Jahren Aufenthalt gewährt wird. Das Ausländerrecht sei kein Einwanderungsrecht. Der Staat habe "das Recht und die Pflicht, zuerst für das Wohl des eigenen Staatsvolkes zu sorgen", heißt es zur Begründung. Ausländern sollten deshalb künftig "grundsätzlich nur noch befristete Aufenthalte gewährt werden". So dürften neu einreisende Ausländer nur noch eine Aufenthaltserlaubnis von höchstens acht Jahren erhalten. Laut NOZ will das Bundesinnenministerium auch die Funktion des oder der Ausländerbeauftragten neu fassen. Der/die Ausländerbeauftragte soll höchstens zehn Jahre im Amt sein dürfen, muß einen Amtseid ablegen und ist der Politik der Bundesregierung verpflichtet, die ihn/sie jederzeit entlassen kann. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Burkhard Hirsch gegenüber der NOZ: "Man muß doch in einer christlich-liberalen Koalition, wenn man schon keine liberale Ausländerpolitik durchsetzen kann, wenigstens eine christliche Ausländerpolitik betreiben können." Er kündigte energischen Widerstand der FDP gegen die Pläne Zimmermanns an.