Herbert Leuninger

ARCHIV ASYL
2006

 

KEIN ORT. NIRGENDS?
Ökumenischer Gottesdienst anlässlich
der PRO ASYL-Tagung am Sonntag, 10. September 2006
in der Evangelischen Akademie Tutzing.

INHALT

 

Begrüßung

Liebe Gemeinde!

Ich feiere erstmals einen ökumenischen Gottesdienst ohne evangelische Amtsschwester oder Amtsbruder. Dafür wirken aber zwei ökumenische Geschwister mit (Merhawit Desta und Dankwart von Loeper). Nun bin ich in meiner Zeit bei PRO ASYL immer wieder als evangelischer Pfarrer angesehen worden. Bis heute weiß ich ohnehin nicht, ob ich ein katholischer Protestant oder ein protestantischer Katholik bin.

Beginnen wir den Gottesdienst
im Namen des Vaters, der Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Lied

„Sonne der Gerechtigkeit"

1. Sonne der Gerechtigkeit,
Gehe auf zu unsrer Zeit;
Brich in deiner Kirche an,
Daß die Welt es sehen kann.
Erbarm dich, Herr.

2. Weck die tote Christenheit
Aus dem Schlaf der Sicherheit;
Mache Deinen Ruhm bekannt
Überall im ganzen Land.
Erbarm dich, Herr.

3. Schaue die Zertrennung an,
Der kein Mensch sonst wehren kann;
Sammle, großer Menschenhirt,
Alles, was sich hat verirrt.
Erbarm dich, Herr.

Gebet

„Kein Ort. Nirgendwo?"ist das Motto unserer Asyltagung. „Kein Ort. Nirgendwo " ohne Fragezeichen ist der Titel einer Novelle von Christa Wolf. Sie lässt in einer fiktiven Begegnung zwei Literaten aufeinander treffen: Karoline von Günderrode und Heinrich von Kleist kommen bei einer Teegesellschaft bei Brentanos in dem Rheinort Winkel ins Gespräch: Verzweifelte, Außenseiter, die sich beide das Leben nehmen. (Mein Bruder, der Jugendpfarrer im Rheingau war, weiß von der Gedenkplatte für die Günderrode an der Friedhofsmauer hinter der Pfarrkirche. In diesem Jahr wird ihres 200. Todestages gedacht). Eines ihrer romantischen Gedichte sei unser Eröffnungsgebet:

Verschiedene Offenbarungen des Göttlichen

Zum Menschen schwebte sonst der Geist des Herrn hernieder,
Mit Menschen wandelt' er nach Menschensitte
Und er erhörte frommer Beter Bitte.
Zu Mose sprach der Geist, errette deine Brüder.
Propheten schauten ihn in seiner Himmel Pracht.
Zu Samuel sprach er in heil'ger Träume Nacht.
So hat im Alterthum sich Gott geoffenbahret,
Doch allen nicht, und wenig Auserwählten nur.
Denn fremd war Göttliches der menschlichen Natur,
Mit Christus stieg das Reich des Göttlichen hernieder,
Das Unsichtbare offenbahrt dem Menschen sich,
Dem Pilger öffnen nun des Himmels Thore sich.
Das unsichtbare Reich schließt sich uns nimmer wieder,
Denn durch der frommen Liebe heiliges Band
Knüpft Christus uns an jenes bessere Land.

Lied

„Jeder Teil dieser Erde" (Kanon)

Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig.

Lesung

Einführung
Ich trage heute eine Stola, meine Exodus-Stola. Sie wurde gearbeitet von Frauen aus einem Elendsviertel von Santiago de Chile. Geschenkt hat sie mir eine Ordensschwester, die dort tätig war. Gedacht war die Stola für die ökumenischen Gottesdienste, die über viele Jahre im Hessischen Aufnahmelager für Flüchtlinge in Schwalbach bei Frankfurt stattfanden. Sie zählten für mich zu den wichtigen Erfahrungen gemeinsamer Verantwortung von Christen und Gemeinden.

Die Stola stellt in schlichten Motiven den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten dar; mithin ist sie eine Metapher für Flucht und Rettung. Wir hören nun Verse aus dem 2. Buch Mose abwechselnd mit Bezügen auf den Film „The March" .

EXODUS 1

8 In Ägypten kam ein neuer König an die Macht, der Josef nicht gekannt hatte.
9 Er sagte zu seinem Volk: Seht nur, das Volk der Israeliten ist größer und stärker als wir.
10 Gebt Acht! Wir müssen überlegen, was wir gegen sie tun können, damit sie sich nicht weiter vermehren. ...
11 Da setzte man Fronvögte über sie ein, um sie durch schwere Arbeit unter Druck zu setzen. Sie mussten für den Pharao die Städte Pitom und Ramses als Vorratslager bauen.
12 Je mehr man sie aber unter Druck hielt, umso stärker vermehrten sie sich und breiteten sie sich aus, sodass die Ägypter vor ihnen das Grauen packte.

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DER MARSCH

Der Film DER MARSCH war 1990 von der BBC für die europaweite Kampagne „Eine Welt für alle" gedreht worden. PRO ASYL hatte sich gegen die Ausstrahlung des Films ausgesprochen in der Sorge, er könnte das Asylklima in Deutschland noch weiter verschlechtern. Der Film wurde zu einer Zeit gesendet, als die italienische Regierung Heer und Marine einzusetzen gedachte, um die sogenannte illegale Einwanderung, gerade aus Afrika, zu verhindern. Die Bundesregierung bemühte sich seinerzeit darum, europaweit die Abschottung gegen Flüchtlinge aus der südlichen Hemisphäre zu erreichen.

Exodus 3

1 Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb.
2 Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. ...
7 Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid.
8 Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen...
10 Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!

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DER MARSCH

Die Filmstory: Wegen der seit 7 Jahren anhaltenden Dürre haben
ca. 1 Million Menschen im Sudan ihre Dörfer verlassen und Zuflucht in den UN-Flüchtlingscamps gesucht. Steigende Getreidepreise und der Massenzustrom der letzten Monate führten dazu. dass eine Familie mit der wöchentlichen Getreideration mittlerweile einen Monat auskommen musste. Verzweifelt hat schließlich eine Gruppe von knapp 100 Menschen, darunter Frauen, Kinder und Alte, das Lager verlassen, um anderswo eine Überlebenschance zu finden. Immer mehr Menschen schließen sich dem Hungermarsch an.

Exodus 5

1 Danach gingen Mose und Aaron zum Pharao und sagten: So spricht Jahwe, der Gott Israels: Lass mein Volk ziehen, damit sie mir in der Wüste ein Fest feiern können.
2 Der Pharao erwiderte: Wer ist Jahwe, dass ich auf ihn hören und Israel ziehen lassen sollte? Ich kenne Jahwe nicht und denke auch nicht daran, Israel ziehen zu lassen.

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DER MARSCH

Ihr begnadeter Führer, Issa (ähnlich dem Namen Jesus) el Mahdi (arabisch: geistlicher Führer), gibt das Ziel an: Europa! „Wir haben keine Macht außer der, zu entscheiden, wo wir sterben wollen. Alles, was wir verlangen, ist: Seht uns sterben!" Seitdem die libysche Regierung unter Ghadafi el Mahdi ihre volle Unterstützung zugesagt hat, wächst täglich die Zahl der Hungerflüchtlinge.

Exodus 12

21 Da rief Mose alle Ältesten Israels zusammen und sagte zu ihnen: Holt Schafe oder Ziegen für eure Sippenverbände herbei und schlachtet das Paschalamm...

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Exodus 12

37 Die Israeliten brachen von Ramses nach Sukkot auf. Es waren an die sechshunderttausend Mann zu Fuß, nicht gerechnet die Kinder.
38 Auch ein großer Haufen anderer Leute zog mit, dazu Schafe, Ziegen und Rinder, eine sehr große Menge Vieh.

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DER MARSCH

Der Marsch erreicht schließlich die Meerenge von Gibraltar. Lokale Schiffseigner stellen in Tanger Boote zur Verfügung, mit der 30.000 Menschen übersetzen können. Die am Ufer wartende Menge ist auf zwei Millionen angewachsen.

Exodus 14

15 Der Herr sprach zu Mose: ...

16 Und du heb deinen Stab hoch, streck deine Hand über das Meer und spalte es, damit die Israeliten auf trockenem Boden in das Meer hineinziehen können.

17 Ich aber will das Herz der Ägypter verhärten, damit sie hinter ihnen hineinziehen. So will ich am Pharao und an seiner ganzen Streitmacht, an seinen Streitwagen und Reitern meine Herrlichkeit erweisen.

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DER MARSCH

Die Ersten erreichen das europäische Festland und jubeln über ihren Erfolg.

Exodus 15

20 Die Prophetin Mirjam, die Schwester Aarons, nahm die Pauke in die Hand und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her.
21 Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, / denn er ist hoch und erhaben! Ross und Reiter warf er ins Meer.

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DER MARSCH

Europa ist gespalten Die Entwicklungskommissarin der EG votiert für humanitäre Lösungen. Für die EU-Kommission aber ist der Marsch ein berechneter Versuch, die Einwanderungsgesetze zu durchbrechen. Sie setzt Militär ein. Das Szenario gipfelt in einem politisch-militärischen High Noon.

Predigt

Das Motto dieser Tagung: „Kein Ort. Nirgendwo?" ist für mich die beste Übertragung des Wortes „Utopie". „Kein Ort. Nirgendwo" ist der Titel einer Novelle von Christa Wolf. Sie lässt in einer fiktiven Begegnung zwei Literaten aufeinander treffen: Karoline von Günderrode und Heinrich von Kleist kommen bei einer Teegesellschaft bei Brentanos in dem Rheinort Winkel ins Gespräch: Verzweifelte, Außenseiter, die sich beide das Leben nehmen. (Mein Bruder, der Jugendpfarrer im Rheingau war, weiß von der Gedenkplatte für die Günderrode an der Friedhofsmauer hinter der Pfarrkirche. In diesem Jahr wird ihres 200. Todestages gedacht). Christa Wolf versteht den Titel ihrer Novelle pessimistisch. Es zeigt sich gleich am Anfang, wo es heißt: „Wo ich nicht bin, da ist das Glück."

„Wo ich nicht bin, da ist das Glück." Utopie als Illusion. Es gibt aber auch das völlig andere Verständnis des Griechischen „Ou-Topos", „Nicht-Ort" „Kein-Ort". Es findet sich in dem berühmten Roman „Utopia" des englischen Humanisten und Freundes von Erasmus von Rotterdam Thomas Morus. Thomas Morus lebte von 1478 bis 1535, was Lordkanzler Heinrich des VIII. Er wurde des Hochverrates angeklagt und im Tower hingerichtet, weil er sich geweigert hatte, Heinrich VIII, dessen Annullierung der Ehe mit Katharina von Aragón vom Papst verweigert worden war, als Oberhaupt der Kirche von England anzuerkennen.

Das philosophische Hauptwerk von Morus ist der 1516 veröffentlichte Roman „Über die beste Staatsverfassung und die neue Insel Utopia". Morus stellt darin eine Gesellschaft vor, die auf der Philosophie von Epikur beruht. In dem Stadtstaat der Insel herrscht eine Art Kommunismus: die Interessen des Einzelnen sind denen der Gemeinschaft untergeordnet. Wie in einem Kloster hat jeder zu arbeiten; jedermann bekommt Bildung und genießt religiöse Toleranz. Utopia ist das Gegenbild des damaligen Europa.

Dieses Utopia erinnert in vielem der Kibbuzbewegung in Israel. Dort werden Entscheidungen in der Mitgliederversammlung basisdemokratisch getroffen. Die einzelnen Chawerim besitzen kein Eigentum, sondern sie bringen ihre Arbeitsleistung unentgeltlich für das Kollektiv ein. Im Gegenzug stellt der Kibbuz Wohnung, Kleidung, Verpflegung und medizinische Versorgung zur Verfügung.

Wir tauchen in die biblische Tradition ein, wenn wir „Utopia" als das „Gelobte Land" nehmen, das „von Milch und Honig fließt". Diese Vorstellung ist verbunden mit dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, dem Durchzug durch das Rote Meer, der Wüstenwanderung mit der wunderbaren Speisung durch Wachteln und Manna und schließlich mit dem Einzug in das Land der Verheißung.

Dieser Exodus gehört zu den großen Erzählungen sowohl von Juden wie von Christen. Pessach (hebräisch) oder Pascha (aramäisch) zählt zu den höchsten Festen des Judentums. Das Pessach ist, mehr noch als andere jüdische Feste, ein Familienfest, mit dem die Angehörigen sich in die Ursprungstraditionen ihres Volkes stellen, diese erinnern und neu für sich bekräftigen. Jeder soll sich fühlen, als wäre er selbst aus Ägypten ausgezogen und seinen Kindern davon erzählen. Diese Erinnerung soll die Identität und den Zusammenhalt des Judentums, auch in aller Zerstreuung und Verfolgung, bewahren.

Das christliche Osterfest hat seinen Vorläufer im jüdischen Pessach und dem Pessach-Lamm, das wie seinerzeit in der Nacht vor dem Auszug aus Ägypten im Familienkreis gegessen wird: Der Exodusbericht ist in der katholischen Liturgie der Osternacht eine der zentralen Lesungen. In dieser Tradition lebte auch Jesus von Nazareth, als er im Rahmen der Pessach-Feier ("Letztes Abendmahl") vor seinem Tod dieses zum Anlass nahm, um sich als Pascha-Lamm anzubieten.

Die Glaubens- und Lebenserfahrung von Emigranten, von unterdrückten und befreiten Sklaven, von Flüchtlingen ist also zentraler Gehalt jüdischer und christlicher Frömmigkeit. So haben die Propheten das Volk Israel immer wieder ermahnt, sich seiner Vergangenheit in Ägypten zu erinnern und die Fremden im eigenen Land nicht zu unterdrücken, sondern wie seinesgleichen zu behandeln.

Die Exodus-Spiritualität schließt die Haltung ein, sich nicht mit den Strukturen der Unterdrückung abzufinden, und auf ein anderes Land, eines, das von Milch und Honig fließt, zu hoffen und sich darauf einzurichten. Mit diesem Grundgefühl ist dann auch die Disposition verbunden, Menschen, die flüchten und ein Asylland suchen, nicht nur zu verstehen, sondern sich an ihre Seite zu stellen.

Was wir im Augenblick an den Küsten Europas erleben, ist der afrikanische Exodus, der Auszug aus Diktatur, Unterentwicklung, aus Hunger, Armut und Epidemien, gepaart mit der Hoffnung auf ein Gelobtes Land, nämlich Europa. Dass Europa von Millionen gerade in Afrika als das Utopia von heute angesehen wird, ist mehr als verständlich. Wir mögen dies aus unserer Erfahrung heraus nicht bestätigen. Wir hätten sogar Grund genug vor Illusionen zu warnen. Wir müssten, wenn wir es denn vermöchten, zu vermitteln suchen, dass die Europäische Union keine Insel der Seligen, vor allem kein Utopia für Flüchtlinge ist, eher ein Absurdistan. Dennoch: Europa ist im Vergleich zur Situation in Afrika sicher ein paradiesischer Kontinent, in den einwandern zu wollen mehr rationales als irrationales Kalkül verrät.

Das Schicksal der Bootsflüchtlinge ist mit dem unseren verknüpft. Es besteht eine Art innerer Verwandtschaft. Wir sind wie sie auf einen anderen Kontinent hin unterwegs, der sich nicht rigoros und mit militärischen Strategien der Zuflucht von Menschen verschließt und dabei den Tod Tausender Menschen in Kauf nimmt. Auch wir träumen mit ihnen die Vision vom Gelobten Land, von einem Asylland, in dem Freiheit, die Achtung der Menschenwürde und das Recht auf angemessenen Lebensunterhalt herrschen.

Wer mit Flüchtlingen, gleich aus welcher Motivation solidarisch zu sein versucht , macht eine doppelte Erfahrung, die, wie es Titel des Werkes von Christa Wolf nahe legt: Kein Ort. Nirgendwo. Im Sinne nirgends angenommen und beheimatet zu sein, in dieser Welt keinen Bleibeort zu haben, nicht dazuzugehören, ein Gefühl, das die suizidale Gefahr einschließt. Ich selbst habe das Gefühl nicht hierher zu gehören am stärksten 1993 im Kontext der Änderung des Grundrechts auf Asyl gehabt. Damals spielte ich mit dem Gedanken auszuwandern, bei näherer Überlegung fiel mir allerdings kein Land ein, in das ich hätte emigrieren wollen.

Hic Rhodus, hic salta! D.h. gerade mit Flüchtlingen zusammen, aber nicht nur mit ihnen, geht es darum, eine Atmosphäre der Akzeptanz untereinander zu schaffen, so weitgehend wie möglich das Schicksal miteinander zu teilen, für ihre Rechte zu kämpfen, sich als Teil einer neuen Gesellschaft zu begreifen, die den Traum von U-Topia, vom Gelobten Land nicht aufgibt, vor allem auch nicht davon lässt, sich gegen das Pharaonische in unserem Land zu wehren.

Ich erwarte in diesen Tagen den zweiten Besuch einer Armenierin aus Australien, die als Christin mit ihrem Mann und ihren drei Kindern aus dem Iran geflüchtet war. Die Familie lebte dann in Hofheim am Taunus für längere Zeit in einem Wohnheim für Asylbewerber und wanderte vor 17 Jahren nach Australien weiter. Ihr jüngster Sohn, ein mittlerweile erfolgreicher Finanzmakler, war damals ein kleiner Junge. Kürzlich hat er sich in einer e-mail für die Opfer bedankt, die ich gebracht hätte, um ihnen und den anderen Familien zu helfen. In meiner Antwort habe ich geschrieben, das, worauf wir uns eingelassen hätten, sei weder für mich noch die anderen der Hofheimer Friedensgruppe ein Opfer gewesen. Die Kontakte und Begegnungen mit den Flüchtlingen seien für uns geradezu eine Hoch-Zeit der Freundschaft und Geschwisterlichkeit gewesen. Wir hätten damals die Lektion gelernt, die uns Christus über die Menschheit und die Tatsache, dass wir die eine Familie Gottes seien, beigebracht hätte. Es sei ein wunderbares Gnadengeschenk gewesen. Ich fühlte mich jetzt überreich beschenkt und glücklich, wenn er die damalige Gemeinschaft mit uns als prägend für sein heutiges Leben als überzeugter Christ bezeichne. Das ist Utopia, ein Türspalt weit!

Utopia waren auch die Urlaubstage, die wir viermal mit Flüchtlingsfamilien in Feriendörfern des Schwarzwalds bzw. Hessens verlebt haben. Wir mussten sie wegen der Beschränkung der Freizügigkeit gegen die CDU-Landräte des Main-Taunus-Kreises durchsetzen, einmal durch direkte Einschaltung des Hessischen Innenministeriums, ein anderes Mal durch den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden. Das war eine Art Exodus aus ägyptischen Strukturen. Die kurzen Freizeiten gehörten für die Flüchtlinge und für uns zu den glücklichen Tagen unseres Lebens. In gegenseitiger Gastfreundschaft flossen Milch und Honig.

Ich denke, ähnlich ergeht es allen Gruppen, Gemeinden und Initiativen, die sich solidarisch auf das Schicksal von Flüchtlingen einlassen. Vielleicht sind es in aller Trostlosigkeit nur gelegentliche Glücksmomente, die damit verbunden sind. Hier wäre aber im Unterschied zu Christa Wolf das Glück da, wo wir sind, wenigstens in der Ahnung, als Angeld und Vorgeschmack nicht als „Kein Ort. Nirgends" sondern als „Ein Ort. Irgendwo".

 

Lied

"We shall overcome"

1. We shall overcome
We shall overcome
We shall overcome some day

Oh deep in my heart
I do believe
We shall overcome some day

2. We'll walk hand in hand
We'll walk hand in hand
We'll walk hand in hand some day

3. We shall all be free
We shall all be free
We shall all be free some day

4. We are not afraid
We are not afraid
We are not afraid today

5. We are not alone
We are not alone
We are not alone today

Gebet

Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs!

Wir bitten für unsere Mitmenschen im Nahen Osten:

Muslime und Christen im Libanon, jüdische und palästinensische Bürger Israels, Muslime und Christen in Palästina:

die durch ihre Ängste und durch immer neue furchtbare Erfahrungen mehr und mehr zu Gefangenen des Hasses werden:

nur du kannst ihnen die Fähigkeit zurück geben die Leiden und das Lebensrecht der Menschen auf der anderen Seite mit zu fühlen

und dadurch die Umkehr zum Frieden möglich zu machen.

Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs!

Wir bitten für alle, die der Waffenstillstand im Libanon-Krieg vor schwere Aufgaben stellt:

für die humanitären Helferinnen und Helfer, die Hilfe in ein zerstörtes Land bringen müssen;

für die Menschen auf beiden Seiten der Front, die die Trümmer ihrer Häuser beseitigen und die Verletzungen ihrer Seelen bewältigen müssen;

besonders für alle, die traumatisierten Kindern mit Liebe und Geduld neues Vertrauen zum Leben einflößen müssen;

für die Verantwortlichen in Regierungen und Internationalen Organisationen, die den Einsatz der internationalen Friedenstruppe vorbereiten

Schenke ihnen allen die Kraft, in Angriff zu nehmen, was ihr Auftrag ist.

Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs!

Seit du zu deinem Volk sprichst, hast du uns angehalten, den Flüchtlingen beizustehen.

Deshalb bitten wir für die politisch Verantwortlichen und für uns selbst, die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union:

Stärke in uns Vernunft und Gewissen, damit wir unseren Teil der Erde nicht zu verschließen versuchen hinter Gesetzen und Grenzbefestigungen,

Gott aller Völker und Kontinente,

Du willst nicht, dass wir Afrika als den verlorenen Kontinent betrachten:

lass uns verstehen, was Menschlichkeit und Vernunft gebieten angesichts der großen Nöte, die Afrikas Menschen und Nationen überwinden müssen;

lass die Saat der Gerechtigkeit und des Friedens aufgehen in den Projekten und Programmen, die Kirchen; Wohlfahrtsorganisationen und Entwicklungsagenturen begonnen haben.

Vaterunser

Segen

Der Herr segne euch und behüte euch; der Herr lasse sein Angesicht über euch leuchten und sei euch gnädig; er wende euch sein Antlitz zu und schenke euch seinen Frieden! : Amen.

Das gewähre euch der dreieinige Gott, der Vater und der Sohn + und der Heilige Geist.

Gehet hin in Frieden!