Herbert Leuninger ARCHIV KIRCHE
1981

EIN SPITZNAME AUS DER EISZEIT
URMENSCHLICHES ZU PFINGSTEN
Artikel (26. Mai 1981) für die Pfingstausgabe
des Höchster Kreisblatts

INHALT
In Hofheim am Taunus steht die Brunnenfigur einer mildtätigen Frau, die als Ambet bezeichnet wird. Vielleicht ist sie die Erinnerung an die Verehrung einer der drei keltischen Göttinnen.

Die Kreisstadt Hofheim a. Ts. hat den Spitznamen "Ambet". Geschickterweise haben die Hofheimer ihren Spitznamen zum Wahrzeichen gemacht. In Bahnhofsnähe steht die Brunnenfigur einer mildtätigen Frau. Dem Künstler Hans Klarmann hat wohl vorgeschwebt, daß dies die Witwe des letzten von der Pest hinweggerafften Hofheimer Ritters sein soll. Müßte dort aber nicht eigentlich das Bild einer Göttin stehen, einer gütigen Muttergottheit?

Vielleicht ist die Hofheimer Ambet ein Beweis dafür, daß es eine gemeinsame Ursprache der Menschheit gibt, und daß die Stadt eine vorgeschichtliche Beziehung zum Babel der Bibel hat. Die Erzählung des Alten Testamentes vom Turmbau zu Babel geht davon aus, daß die Menschen ursprünglich eine einzige Sprache gesprochen hätten. Diese Überzeugung teilt die Bibel mit den verschiedensten Mythologien. Die klassische Sprachwissenschaft hält dies für unmöglich, zumal sie Sprachen kennt, die keinerlei Verwandtschaft miteinander zu haben scheinen.

Eine völlig andere Meinung hat der Autor des Buches "Sprache der Eiszeit", das im vergangenen Jahr in zweiter Auflage erschienen ist. Darin vertritt der Verfasser, Richard Fester, die Auffassung, daß die verschiedenen Sprachen auf der Welt eine gemeinsame Wurzel hätten. So hätte die gesamte Menschheit einen eigenen Urwortschatz, der auch heute noch das Fundament jeder Sprache sei und das Bindeglied zwischen allen Sprachen darstelle. Fester geht von 6 einsilbigen Urwörtern aus, die in den verschiedensten Variationen in allen Sprachen wiederzufinden seien.

Und "Ambeth" ist danach eines der Wörter, das in die Altsteinzeit, also wenigstens über 10.000 Jahre, zurückreicht. In Ambeth steckt das Urwort "ba", das auch in den Variationen "ma" oder "am" vorkommt und das wir in "Mama" und "Amme" wiederfinden. "Ambeth" ist eine Verdoppelung von "ba" in der ursprünglichen Bedeutung von Mutter, der sich die Vorstellung Erde zugesellt. Fester hält, ohne die Hofheimer Ambeth zu nennen oder auch zu kennen, Ambeth für eine altsteinzeitliche Muttergottheit. Diese Ambeth steht ebenbürtig neben den vielen Großen Müttern der Menschheit. Fester stellt Sprachvergleiche an, die ihn zu Göttinnen babylonischer Zeiten, ja des alten Indien, führen. Sogar das Wort "beten" hänge mit der Religion des Urmenschen zusammen, der Ambeth verehrt hat.

Es ist bekannt, daß 1969 auf dem Hofheimer Hochfeld Werkzeuge aus der Altsteinzeit gefunden wurden. Somit ist nicht auszuschließen, daß längst vor der keltischen Zeit in unserem Raum eine Erdmutter Ambeth verehrt wurde.

Sollte diese These stimmen, bewahrte die "Schleecht Ambett" im Sinne der allzu gütigen Frau über viele Jahrtausende hinweg die Erinnerung an die Frömmigkeit des Urmenschen und an eine gemeinsame Sprache aller Menschen.

Gemeinsame Religion und gemeinsame Sprache wäre ein urgeschichtliches Erbgut, das im Pfingstfest seine Entsprechung und Erfüllung findet. Pfingsten ist das Fest der vor dem einen Gott geeinten Menschheit. In ihm ist das feindliche Nebeneinander und die gegenseitige Verständnislosigkeit der Menschen im Prinzip überwunden. Der Geist Gottes führt die Menschheit - denken wir hier ruhig an die Menschen aus unzähligen Nationen in unserem Raum - zu neuer, uralter Einheit. Eigentlich sollten die Hofheimer auf ihren Spitznamen stolz sein.