HERBERT LEUNINGER

EINE NEBENKIRCHE ODER DIE EINHEIT IN DER VIELFALT?

DIE GEMEINDEN VON KATHOLIKEN ANDERER MUTTERSPRACHE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

INHALT

A.  DER ANSATZ EINER EIGENEN PASTORAL

B   DIE ENTWICKLUNG EINER NEBENKIRCHE

C. VON DER NEBENKIRCHE ZUR MULTIKULTURELLEN KIRCHE

D. EINWANDERUNG ALS PASTORALE STRUKTURKONSTANTE

A.  DER ANSATZ EINER EIGENEN PASTORAL

1.  Aufgabenstellung

Etwa 40% der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer sind katholischen Glaubens (Stand 1986: ca. 1,8 Millionen). Die größten Gruppen stellen die Arbeitsmigranten, und zwar die Italiener, Spanier, die kroatischen und slowenischen Katholiken aus Jugoslawien und die Portugiesen. Hinzu kommen Gläubige aus weiteren osteuropäischen Ländern, aus der Europäischen Gemeinschaft und aus allen anderen Erdteilen, die als Flüchtlinge, Studenten, Wissenschaftler, Arbeitnehmer, Mitarbeiter verschiedenster internationaler oder ausländischer Unternehmen und als Selbständige in der Bundesrepublik leben. ( vgl. Herbert Leuninger, Ausländerseelsorge, in: Georg Auernheimer (Hrsg.), Handwörterbuch Ausländerarbeit, Weinheim und Basel 1984, 77f)

Die Bevölkerungsgruppen aus den verschiedenen Ländern und Erdteilen mit ihren Sprachen und Kulturen befinden sich aus der Sicht der Kirche durch die Emigration in einer Lebenssituation, die sich sehr stark von der in ihrer Heimat unterscheidet, nicht zuletzt auch in kirchlicher Hinsicht. Trotz der Zugehörigkeit zur Kirche des Aufnahmelandes ist der Zugang zu ihr über die Ortsgemeinde bzw. Wohnpfarrei aus den verschiedensten, vor allem natürlich sprachlichen Gründen erheblich erschwert. Erfahrungsgemäß treten besondere religiöse Umstellungsschwierigkeiten und Identitätsbelastungen auf, die den Glauben selbst gefährden können und eine eigene Form der Pastoral erforderlich machen und rechtfertigen.

2. Konzeption

Jeder Gläubige ist Mitglied der Universalkirche und gehört überall, wo er sich zeitweise oder auf Dauer aufhält, der jeweiligen Ortskirche oder Wohnpfarrei an. Diese Mitgliedschaft wird durch eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit weder eingeschränkt noch modifiziert oder aufgehoben. Er ist Mitglied der Pfarrei seines Wohnortes mit allen Rechten und Pflichten. Der Pfarrer ist in voller Weise für ihn zuständig.

Über diese Mitgliedschaft in der Lokalkirche hinaus geht die Kirche von einem Recht auf muttersprachliche Verkündigung und Seelsorge aus. Es basiert nicht nur auf der Erfahrung, daß die Vermittlung des Glaubens, die Verwendung von Gebeten und die Feier der Gottesdienste, zumindest für eine Anfangsphase der Einwanderung bzw. Anwesenheit in einem Aufnahmeland, nur über die Muttersprache erfolgen kann, sondern aus der umfassenderen Einschätzung, daß die Wahrung und Förderung der Muttersprache und der kulturellen wie kirchlichen Herkunftstradition im Aufnahmeland einen hohen menschlichen, christlichen und kirchlichen Wert darstellt. In der katholischen Kirche wird diesem Wert menschenrechtlicher Rang eingeräumt. Das Recht auf muttersprachliche Pastoral wird durch die Einrichtung von Gemeinden oder Seelsorgestellen der verschiedenen Sprachen gewährleistet, die nicht nur den großen, sondern auch kleineren Einwanderungsgruppen zugestanden werden.                   

3. Struktur und Organisation

Je nach zahlenmäßiger Größe und räumlicher Verteilung der zugehörigen Gemeindemitglieder ergibt sich die geographische Umschreibung der Sprachengemeinde. Nahezu immer umfaßt sie den Bereich mehrerer Pfarreien, bei kleineren Minderheiten sogar mehrerer Bistümer. Die Mitglieder der Sprachengemeinde gehören aber nach wie vor zu ihrer Wohnpfarrei und können jeweils selbst entscheiden, welcher Gemeinde sie sich im Einzelfall oder überhaupt zuwenden und welche Pfarrer sie für Amtshandlungen (z.B. Taufe und Trauung) in Anspruch nehmen. Sie besitzen folgerichtig auch in beiden Gemeinden das dort jeweils geltende aktive und passive Wahlrecht für kirchliche Gremien.

Die Sprachengemeinden werden fast ausschließlich von Pfarrern geleitet, die aus den Herkunftsländern der Migranten stammen. Prinzipiell kann eine solche Aufgabe auch einem einheimischen Priester (also nicht Ortspfarrer) übertragen werden, wenn er die betreffende Sprache beherrscht und mit der Mentalität seiner Gemeindemitglieder vertraut ist. Die Priester aus der Heimat der Migranten werden von der Herkunftskirche entsandt und bleiben für die Dauer ihres Dienstes im Ausland dieser zugehörig und verbunden. Darüber hinaus werden auch weitere pastorale Mitarbeiter (vor allem auch Ordensschwestern aus der Heimat) von dem jeweiligen Bistum angestellt. Die Finanzierung der Gemeinden, ihres Personals und der Räumlichkeiten erfolgt über die Haushaltsmittel der Aufnahmebistümer, zu der die Migranten durch die Zahlung von Kirchensteuer beitragen.

In den Bistümern der Bundesrepublik sind ca. 530 Priester in ca. 500 Sprachengemeinden tätig.

B DIE ENTWICKLUNG EINER NEBENKIRCHE

1. Der Begriff und seine Verwendung

Der Begriff »Nebenkirche« wird im Folgenden in einer sicher &xnbsp;ergänzungsbedürftigen, deskriptiven Definition verwendet. Danach handelt es sich bei einer Nebenkirche um ein Gefüge pfarreiähnlicher Einrichtungen mit eigener Kompetenz, die neben der Territorialstruktur der Pfarreien bestehen und mit diesen keine oder nur eine sporadische Kommunikation (Kommunion!) haben.

Nun kann eine solche Definition natürlich auch auf Studentengemeinden, auf klösterliche Gemeinschaften, auf die Militär‑ und Gefangenenpastoral zutreffen. Daher sind weitere Differenzierungen nötig, die sich etwa auf die Frage der Gleichrangigkeit beziehen. Nebenkirche im inferioren Sinne würde eine derartige kirchliche Sondereinrichtung nämlich dann, wenn die durch sie erfaßten Menschen eine soziale und kirchliche Minderbewertung erfahren, die sich u.a. dadurch ausdrücken kann, daß keine Mitentscheidung ermöglicht wird und keine mit der Hauptkirche vergleichbare finanzielle, räumliche und personelle Ausstattung zur Selbstverwirklichung vorhanden ist. Diese Definition trifft nun auf die für die verschiedenen nationalen Gruppen, vor allem der eingewanderten nichtdeutschen Arbeiterbevölkerung eingerichteten Missionen zu, auch wenn in den letzten Jahren vielerorts Verbesserungen eingetreten sind. So gibt es inzwischen Missionen, die in ihrer Gesamtausstattung vergleichbaren Pfarreien entsprechen. Dies ändert aber kaum etwas an der Bewertung, die sie gemeinhin in der Ortskirche erfahren.                                     

2. Die Rahmenbedingungen

a. Die Anstellung nichtdeutscher Priester

Die pastorale Betreuung der anderssprachigen Katholiken wurde nahezu ausschließlich auf die nichtdeutschen Seelsorger verlagert. Bernd Gottlob hält hierfür in seiner Untersuchung »Die Missionare der ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland« drei Faktoren für bestimmend: »1. Die Forderung Pius XII., die Seelsorge an den Auswanderern möglichst Priestern derselben Nation zu übertragen; 2. die Tatsache, daß innerhalb kürzester Zeit sehr viele nichtdeutsche Katholiken aus fünf Nationen nach Deutschland kamen; 3. die Kirchensteuer, die es den Diözesen finanziell ermöglichte, eine beliebige Anzahl von Missionaren zu besolden.« (Bernd Gottlob, Die Missionare der ausländischen Arbeiter in Deutschland, München‑Paderborn‑Wien 1978, 58f. Das Werk enthält einen guten Überblick über die Situation der Missionen in den 70er Jahren. Das Literaturverzeichnis führt die einschlägigen kirchlichen Dokumente auf).

Diese Entwicklung, die von zuständiger Seite bis heute nicht grundsätzlich auf ihre pastorale Legitimation überprüft wurde, ist sicher durch den rapiden Rückgang der Priesterberufe in der Bundesrepublik und die dadurch mitbedingte Unfähigkeit, neue Aufgaben in der Kirche aufzugreifen, verfestigt worden.

(Dabei hätte die Entscheidung sicher auch anders fallen können. Ein Beispiel ist die Seelsorge für die Polen, die im ersten Viertel dieses Jahrhunderts jeweils vom Frühjahr bis zum Herbst nach Deutschland zur Arbeit in der Landwirtschaft kamen. Deren Seelsorge wurde von deutschen Priestern wahrgenommen. Priesteramtskandidaten aus dem Ermland und Danzig sowie aus dem Bistum Osnabrück, aus Gebieten also, in denen polnische Arbeiterinnen und Arbeiter in stärkerem Maße eingesetzt wurden, nahmen in der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Unterricht zur Erlernung der polnischen Sprache teil.)

Die personalpolitische Entscheidung, nur nichtdeutsche Priester für die Pastoral der Arbeitsmigranten einzusetzen, hat sicher maßgeblich zur Entwicklung einer Nebenkirche beigetragen. Dennoch ist der exklusive Einsatz anderssprachiger Pfarrer nicht die alleinige Ursache für diese Entwicklung. Gerade durch ihn aber konnten sich die übrigen Rahmenbedingungen, die zu einer Neben-Kirche drängten, voll auswirken.

b. Die Politik des Provisoriums

Die Ausländerbeschäftigung als solche geschah auf Grund einer wirtschaftspolitischen Entscheidung, die die hereingeholten Arbeiter als Ersatzgröße für nicht mehr durch Deutsche besetzbare, vor allem ungünstige, Arbeitsplätze betrachtete. Die damit einsetzende Unterschichtung der deutschen Arbeiterschaft hat den nichtdeutschen Arbeitern die gesellschaftliche Einschätzung einer unteren sozialen Schicht eingetragen, die je nach Konjunkturlage nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich manipulierbar war. Wirtschaftspolitisch und politisch wurde der Vorteil einer solchen Beschäftigung darin gesehen, daß austauschbare und flexible Arbeitskräfte ohne größere Anforderungen an die Infrastruktur und die soziale Absicherung zur Verfügung standen. Daß die Ausländerbeschäftigung als Provisorium betrachtet wurde, wird bis in die jüngste Zeit durch die Fiktion betont, die Bundesrepublik Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein Aufenthaltsland für Ausländer, die in der Regel nach einem mehr oder weniger langen Aufenthalt aus eigenem Entschluß in ihre Heimat zurückkehrten.

Die deutsche Öffentlichkeit und Bevölkerung haben bis in unsere Pfarreien hinein diese Sicht als völlig selbstverständlich übernommen und auch akzeptiert. Gleichfalls übernommen und zum Teil internalisiert hat diese Auffassung die nichtdeutsche Wohnbevölkerung selbst, die in der ersten Generation hierher gekommen ist, um in einem befristeten Aufenthalt genügend Geld für eine existenzgesicherte Rückkehr in die Heimat zu verdienen. Es ist einsichtig, daß die in der Gesellschaft vorhandene und von den Betroffenen aufgenommene Vorstellung eine sinnvolle Integration erheblich behindert und das Entstehen von abgesonderten Gruppierungen ‑ gerade auch in der Kirche ‑ begünstigt. Eine Nebenkirche für einen nicht‑integrierten Bevölkerungsteil hat natürlich die wesentliche Funktion, diesem Bevölkerungsteil Kirchesein und Heilwerden zu ermöglichen. Es spricht sehr viel dafür, daß eine solche Kirche authentisch Kirche sein kann, u.U. viel authentischer als die Großkirche. Unbeschadet der größeren oder geringeren Authentizität dieser Art Kirche stellt sie auf jeden Fall durch ihre Existenz die Hauptkirche in Frage, weil die Einheit als Wesensmerkmal der Kirche nicht genügend zum Ausdruck kommt, zumal eine solche Kirche, übergreifend betrachtet, als Klassenkirche für Einheimische und Ausländer, für Besser‑ und Schlechtergestellte, erscheinen muß.

c. Die Immobilität der Pfarreien

Entscheidend für das Entstehen der Nebenkirche sind die Pfarreien. Nach den römischen Richtlinien haben die speziellen pastoralen Einrichtungen für die Zuwanderer aus anderen Ländern einen kompensatorischen Charakter, der die eigentliche Zuständigkeit der Ortskirche nicht aufhebt, ja nicht einmal tangiert. So wird eine doppelte, eine kumulative oder konkurrierende Zuständigkeit für Mission und Pfarrei geschaffen. Dabei verbleibt die Hauptzuständigkeit bei der Ortspfarrei.

Dennoch hat die Doppelzuständigkeit dazu geführt, daß sich die Pfarreien von der Verantwortung gegenüber ihren anderssprachigen Gemeindegliedern entlastet fühlten und die Missionen als Alibi verstanden. Diese Alibifunktion hat die Missionen in ihrer Existenz stabilisiert, ohne ihnen allerdings Partnerschaft und Gleichberechtigung einzubringen.

Hätte es die Missionen in der bekannten Form nicht gegeben, wäre das entstehende pastorale Problem sicher kaum besser, sondern eher noch schlechter gelöst worden. Nur wäre es schneller und krasser bewußt geworden, vor allem wäre die mangelnde Fähigkeit der Gemeinden zur Integration zutage getreten. Dabei ist diese nicht nur bezogen auf anderssprachige Gemeindemitglieder, sondern auf Neuzuziehende gleich welcher Sprache. Der Schweizer Pastoraltheologe Alois Müller hat dieses Phänomen gerade im Hinblick auf die Ausländerpastoral nüchtern analysiert (Alois Müller, Wie könnte die Zusammenarbeit in der Arbeiterpastoral zwischen in-und ausländischen Seelsorgern stattfinden und verstärkt werden?, hektogr. Text eines Referates ohne nähere Angaben i. Archiv des Verfassers ):

Die Ortsgemeinde werde von ihren  Mitgliedern als lokale Traditionsgemeinschaft aufgefaßt, als eine Gruppe der Eingesessenen. »Kommen in eine Pfarrei dann Nachzügler«, so Müller, »ist es natürlich, daß man sie zunächst wie Fremde, wie Gäste, jedenfalls nicht wie Ebenbürtige behandelt«. Dies sei, wenn auch nicht christlich, so aber natürlich. Diese Haltung verstärke sich, wenn die Nachzügler gar eine fremde Sprache sprächen und anderer Nationalität wären, was auch die Verschiedenheit des Benehmens und der Mentalität einschließe.

Auf eine noch härtere Probe wird die Pfarrei aber gestellt, wenn die zu integrierenden nicht derselben sozialen Schicht angehören wie die Kerngemeinde. In dem Synodenbeschluß »Jugendarbeit« wird diesbezüglich festgestellt, daß die Kirche ihren Haupteinfluß derzeit vor allem in der Mittelschicht und in Teilen der oberen Unterschicht ausübe, während sie in den übrigen Schichten und Gruppen nur wenig präsent sei (vgl. Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit, in: Beschlüsse der Vollversammlung, Freiburg-Basel‑Wien 1976, 291).
) Zwangsläufig stellt sie damit auch stärker nur auf die Interessenlage der ihr nahestehenden Schichten ab. Spricht nicht der Synodentext »Kirche und Arbeiterschaft« von dem noch immer fortwährenden Skandal, daß die Kirche die Arbeiterschaft verloren hat? Wo wäre da der Zugang der Pfarreien zu fremdsprachigen Arbeitern und ihren Angehörigen, die auf die unteren Sprossen der sozialen Leiter gestellt sind (vgl. Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Kirche und Arbeiterschaft, a.a.0., 327)? Bei diesen Rahmenbedingungen war das Abgleiten der Missionen in eine Nebenkirche kaum zu verhindern, vor allem nicht durch den ausschließlichen Einsatz von Priestern anderer Muttersprache. Dabei haben diese in der Verantwortung und Stellvertretung der Kirche der Bundesrepublik unter schwierigen Bedingungen einen pastoralen Dienst geleistet, der als Ruhmesblatt priesterlichen Engagements im Nachkriegsdeutschland gewertet werden sollte

3. Zur gegenwärtigen Situation

Über die gegenwärtige Situation der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache in der Bundesrepublik liegen keine gesicherten Kenntnisse vor. Vielleicht ermöglichen aber die Ergebnisse der Visitation der diesbezüglichen Gemeinden im Bistum Limburg einen gewissen Einblick. Die Visitationen der 19 Gemeinden, die den Status einer missio cum cura animarum haben, fanden nach 10 Jahren zum zweiten Mal in der Zeit vom September 1985 bis Februar 1986 statt. Sie wurden im Auftrag des Bischofs von dem zuständigen Delegaten, dem Bezirksdekan und dem Referenten für die Katholiken anderer Muttersprache im Bischöflichen Ordinariat durchgeführt. Der eigentlichen Verwaltungsvisitation mit Gesprächen mit dem Leiter der Gemeinde, den weiteren Priestern und Pastoralreferenten, dem Gemeinderat und den hauptamtlichen Mitarbeitern waren mehrstündige, protokollierte Besprechungen zwischen dem Dezernat Grundseelsorge (Gemeindeseelsorge) und dem Leiter der einzelnen Gemeinden vorausgegangen (vgl. Bericht über die Visitationen der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache, Limburg 1986, hektogr. Text im Archiv des Bischöfl. Ordinariates Limburg). Im Bistum gibt es 19 Missionen, die nach der Ursache für die Migration in drei Kategorien eingeteilt werden:

Gemeinden der Wirtschaftsmigration:

1 englischsprachige, 1 französischsprachige;

Gemeinden der Arbeitsmigration:

6 italienische, 3 kroatische, 2 portugiesische, 1 slowenische, 3 spanische;

Gemeinden der Exilmigration:

1 polnische, 1 tschechische, 1 ungarische.

Hinzu kommt die Seelsorge für Eritreer, Koreaner, Slowaken, Ukrainer, Vietnamesen, die von Priestern ausgeübt wird, die in anderen Bistümern angestellt sind.

Die Gemeinde der Wirtschaftsmigration haben wegen der guten Konjunktur zugenommen. Die Gemeinden der Arbeitsmigration haben wegen der Arbeitslosigkeit‑ zum Teil stark ‑ abgenommen.

Die Gemeinden der Exilmigration sind wegen des Zugangs stets neuer Flüchtlinge angewachsen.

Die wichtigsten Ergebnisse der Visitation lassen sich thesenartig folgendermaßen zusammenfassen:

‑ Die Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache werden sich immer mehr auf den wirtschaftlichen Ballungsraum Rhein‑Main konzentrieren und dort eine dauerhafte Einrichtung sein. Gemeinden an der Peripherie verlieren fortlaufend Gemeindemitglieder durch Wegzug oder durch Assimilierung infolge der Zerstreuung. Nationen der EG und der Wirtschaftsmigration werden auf Dauer Immigrationsgemeinden bilden, die es immer wieder auch mit Einwanderern der ersten Generation zu tun haben. Auch Gemeinden, die keinen nennenswerten Zugang mehr haben, behalten die Aufgabe einer kirchlich kulturellen Identitätssicherung für vermutlich mehrere Generationen, selbst dann, wenn es zu einer weitgehenden Integration der Gemeindemitglieder kommt. Die kirchlichen Anliegen kleiner Minderheiten verlangen nach wie vor eine angemessene Berücksichtigung. Neue Gemeinden werden oder müssen im Rahmen der Flüchtlingsbewegungen oder anderer Migrationsformen entstehen.

‑ Die Gemeindearbeit hat sich allenthalben gefestigt und ist aus dem Stadium des Provisorischen herausgetreten. Dennoch besteht bei den Pfarrern eine große Unsicherheit über die Zukunft ihrer Gemeinden. Dies hängt mit der Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung und der davon mitbedingten Migrationsprozesse zusammen, sicher aber auch mit der letztlich noch geltenden bloßen Ersatzfunktion der Gemeinden gegenüber den Pfarreien. Den Priestern fehlt eine weiterreichende Perspektive über eine spezifische Rolle in der Ortskirche.

‑ Sehr unterschiedlich ist die Entwicklung der Kirchlichkeit, soweit sie am Gottesdienstbesuch und an den Initiationssakramenten abgelesen wird. Ein starker Rückgang dieser pastoralen Grundkontakte ist für die Taufen wegen des Geburtenrückgangs allgemein feststellbar. Hinsichtlich des Besuchs der Sonntagsgottesdienste ist dieser Rückgang besonders gravierend bei italienischen Gemeinden. Dabei war und ist der Sonntagsgottesdienst in diesen Gemeinden ohnehin kein Schwerpunkt der pastoralen Kontakte. Die pastorale Arbeit sucht durch die Qualifizierung und Intensivierung der verbleibenden Kontakte das Fehlen von Wirkungsmöglichkeiten auszugleichen. Dies ist nur begrenzt möglich, vor allem dann, wenn die Gemeinden immer noch als Service‑Einrichtungen mit sozialbetreuerischem Charakter angesehen werden. Die Erwartungen der Gläubigen an die Gemeinde speisen sich immer noch mehr aus den Erfahrungen, wie sie aus der Heimatkirche in Erinnerung sind, als aus denen, die die Priester ihnen im Rahmen einer an der Ortskirche orientierten Pastoral ansinnen. Dabei haben die Erinnerungen natürlich nicht den Wandel mitvollzogen, den auch die Heimatkirche in der Zwischenzeit gemacht hat. Die größten Schwierigkeiten ergeben sich für die Angehörigen der zweiten Generation. Sie sehen weder die Sprachengemeinde noch die Pfarrei als wichtige Instanz für ihr Leben an. Die Versuche, sie an die Gemeinde heranzuführen, sind wenig erfolgreich. Unbeantwortet bleibt daher die Frage, wie dem Rückgang der klassischen Kirchlichkeit und der Distanz der Jugend zur Kirche begegnet werden kann.

Die pastorale Arbeit von Pfarrei und Sprachengemeinde sind bis auf Ausnahmen nicht aufeinander abgestimmt oder miteinander verbunden. Es empfiehlt sich, sie strukturell und personell aufeinander zu beziehen: z. B. durch die gleichzeitige Übernahme einer Pfarrei und Sprachengemeinde von einem Priester, durch den Einsatz deutscher pastoraler Mitarbeiter in Sprachengemeinden und Mitarbeiter anderer Muttersprachen in Pfarreien, durch Partnerschaften mit gemeinsamem pastoralem Konzept. Wo, wie in wenigen Fällen, eine Kooperation stattfindet, erfordert sie einen übermäßigen Einsatz engagierter Partner auf beiden Seiten.

- Auch wenn sicher im Rahmen von Integration und Assimilierung Pfarreien stärker in Kontakt mit Katholiken anderer Muttersprache kommen, bleiben die Sprachengemeinden nach wie vor die entscheidende kirchliche Einrichtung für diese. Es dürfte das wichtigste Ergebnis der Visitation sein, daß die Sprachengemeinden trotz ihrer Schwierigkeiten und Defizite und trotz des Stigmas der Nebenkirchlichkeit unersetzlicher Teil der Ortskirche sind. Ihre spezifischen Funktionen können von den Pfarreien nicht übernommen werden.

C. VON DER NEBENKIRCHE ZUR MULTIKULTURELLEN KIRCHE

1. Vorstellungen der Ortskirche

Nach diesem Versuch einer Zustandsbeschreibung erhebt sich nun die Frage, was zur Veränderung getan werden kann. Alois Müller weiß schon vor Jahren von Forderungen in der Schweiz zu berichten, »eine eigene Ausländerpastoral abzubauen, die finanzielle Unterstützung zu reduzieren, die Ausländer einfach in die heimische Pastoral zu integrieren« ( Alois Müller, a.a.0.). Abgesehen davon, daß dies bei dem jetzigen Entwicklungsstand überhaupt nicht mehr möglich ist, wäre es ein menschliches Unrecht gegenüber jenen, die seit Jahr und Tag eine intensive pastorale Arbeit für ihre Landsleute leisten und dabei den allerdings wenig erfolgreichen Versuch machen, eigenständige Gemeinden zu ermöglichen. Schließlich wäre es aber überhaupt nicht statthaft, da es einen Anspruch auf eine besondere, muttersprachliche Pastoral gibt, über deren Dauer eine begründete Diskussion erforderlich wäre. Ähnliche Tendenzen gab und gibt es auch in der Bundesrepublik. Es besteht aber keine andere Möglichkeit, als einen Weg zu suchen zwischen der Skylla totaler Assimilierung und Vereinnahmung von der Ortskirche und der Charybdis einer Nebenkirche. Letzteres stellt die größere Gefahr dar, zumal vermutlich bereits irreversible Prozesse der Abdrängung und Absonderung in Kirche und Gesellschaft abgelaufen sind. Das Gefährliche dieser Prozesse ist darin zu sehen, daß die vorhandenen kirchlichen Strukturen für die zweite und dritte Generation der Einwanderer noch unangemessener sind, als sie es für die erste vielleicht schon waren.

a. Die Gemeinsame Synode

Erklärtes Ziel der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik war seinerzeit, einerseits die bisherige Ausländerseelsorge auszubauen, indem organisatorische Voraussetzungen und eine finanzielle Ausstattung der Missionen angeordnet wurden, die unter vergleichbaren Verhältnissen den deutschen Gemeinden zugestanden werden; andererseits ist aber auch von der Eingliederung der Ausländer in die örtliche Gemeinde und ihrer Repräsentanz in den kirchlichen Gremien die Rede (vgl. Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Die ausländischen Arbeitnehmer ‑ eine Frage an die Kirche und die Gesellschaft, a.a.0.,375ff). Wie dies miteinander verbunden werden soll, ist im Grunde nicht näher erläutert. Der Wille, solche Verbindungen zu finden, läßt sich aber daraus erschließen, daß die Synode es als Aufgabe der Kirche betrachtet, im eigenen Bereich Modelle der Kooperation, Partnerschaft und Eingliederung zu entwickeln. Damit will die Kirche einen besonderen Beitrag für das, harmonische und partnerschaftliche Zusammenleben verschiedener Nationalitäten in unserem Land leisten.

Die Gemeinsame Synode hat auch versucht, Integration zu definieren, und zwar allgemein. So bedeute Integration nicht eine Absorption der Minderheit und Verzicht auf die eigene kulturelle Substanz, sondern ‑ und hier wird im Grunde ein theologischer Begriff verwendet einen gegenseitigen Kommunikationsprozeß, der für beide Seiten ein Geben und eine gegenseitige Bereicherung bedeutet.

Wie die Minderheitskirche mit der Mehrheitskirche verbunden werden kann, hängt von dem maßgeblichen kirchenorganisatorischen Grundmuster ab. Kirchlich hat nach wie vor das Territorialprinzip vor dem Personalprinzip, das universale Prinzip vor dem nationalen, das pfingstliche Prinzip vor dem sprachhomogenen Vorrang.

b. Ein Kooperationsmodell

Einen Versuch der Kooperation und Partnerschaft hat das Bistum Limburg im Rahmen seiner synodalen Struktur mit der Synode von 1977 gemacht. Damals wurde eine endgültige Verfassung für alle synodalen Gremien vom Diözesansynodalrat bis zum Pfarrgemeinderat erarbeitet und vom Bischof in Kraft gesetzt (vgl. Bistum Limburg, Synodalordnung, Limburg 1978). Auf Grund von Anträgen, die von italienischen und kroatischen Mitgliedern der Synode kamen und eine heftige Diskussion auslösten, wurde beschlossen, das Wort »Ausländer« für den kirchlichen Sprachgebrauch im Bistum zu eliminieren und durch die Bezeichnung »Katholiken bzw. Mitbürger anderer Muttersprache« zu ersetzen. Die an sich umständliche Sprachregelung entspricht dem kirchenamtlichen Ausdruck »fideles diversi sermonis« und unterstreicht die theologische Vorstellung, daß Nationalität und Paß in der Kirche keine unterscheidenden Merkmale sind, geschweige denn unterschiedliche Rechte begründen. Mit einer weiteren Sprachregelung wurde der Ausdruck »Missionen« durch die Bezeichnung »Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache« ersetzt. Mit veränderter Sprache sollte auch Bewußtsein verändert werden.

In den Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache sind in Analogie zu den Pfarreien Gemeinderäte zu bilden. Der Katholik anderer Muttersprache besitzt demnach ein aktives und passives Doppelwahlrecht.

Auf Bistumsebene bilden diese Gemeinderäte den Rat von Katholiken anderer Muttersprache. Ihm gehören je zwei Vertreter jeder anderssprachigen Gemeinde an. Der Rat vertritt die im Bistum lebenden Katholiken anderer ethnischer Herkunft. Vor allem entsendet er zwei Vertreter in das oberste synodale Gremium des Bistums, in den Diözesansynodalrat. Eine ähnliche Regelung ist auch für die Synodalräte auf der regionalen Ebene vorgesehen. Hierbei hat der Rat der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache ein Vorschlagsrecht.

In den Pfarreien mit großem Anteil anderssprachiger Gemeindemitglieder ist einer von ihnen, falls ein solcher nicht bereits gewählt wurde, zu den Sitzungen des Pfarrgemeinderates einzuladen. Außerdem ist der von der Gemeinsamen Synode angeordnete Ausschuß für Ausländerfragen zu bilden, in dem die Betroffenen angemessen vertreten sein sollen.

Die Anwesenheit ethnischer Minderheiten erfordert einen besonderen Minderheitenschutz, der ihnen genuine Rechte gegenüber gesellschaftlicher Übermacht, die ja auch immer durch Mehrheiten legitimiert wird, garantiert.

Die Regelungen sind eine Art Minderheitenrecht. Sie schaffen oder respektieren Nebenstrukturen. Diese sollen aber so angelegt sein, daß ein völliges Nebeneinander oder auch eine Deklassierung gegenüber den Hauptstrukturen verhindert wird, und zwar vor allem dadurch, daß die Nebenstrukturen mit den Hauptstrukturen verknüpft sind. Damit ist Minderheiten nicht nur das Recht auf die eigenständige Gestaltung und Ausformung der Gruppenidentität ermöglicht, sondern auch eine wirksame Form kollektiver Selbstvertretung. Wenn die Kirche sich im Unterschied etwa zu den Gewerkschaften entschieden hat, Para‑Strukturen zuzulassen und sogar zu fördern, kommt sie an spezifischen Formen der Interaktion und Kommunikation zwischen Mehrheit und Minderheiten nicht vorbei.

Nach mehr als zehn Jahren läßt sich sagen, daß über die strukturelle »Vernetzung« ein bestimmtes Maß an Gemeinsamkeit erreicht wurde und die Anwesenheit der Gemeinde von Katholiken anderer Muttersprache auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen stärker bewußt geworden ist. Deutlich wurde aber auch die unterschiedliche Interessenlage in gesellschaftspolitischen Fragen, die die Rechtslage der Ausländer in der Bundesrepublik betrafen. Den Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache fiel es ihrerseits schwer, für all die vorgesehenen Gremien geeignete Vertreter zu stellen.

c. Die Deutsche Bischofskonferenz

Mit einer gewissen Spannung durfte man die lange vorbereiteten pastoralen Weisungen der Deutschen Bischofskonferenz für die Ausländerseelsorge erwarten, die dann 1986 herauskamen (vgl. Deutsche Bischofskonferenz, Pastorale und rechtliche Richtlinien für die Ausländerseelsorge, Bonn 1986). Denn hier war die Möglichkeit gegeben, den neuen Entwicklungen in der Pastoral für die Katholiken anderer Muttersprache auch vor dem Hintergrund der theologischen und konzeptionellen Entwicklung in der Weltkirche Rechnung zu tragen. Der Grundsatzteil der entsprechenden Richtlinien ist allerdings zu kurz geraten, um diesem dringenden Erfordernis genügend Rechnung zu tragen. Ein zentraler Satz der Präambel ist der Hinweis, daß es eine nationale Kirche nicht gibt, da die Katholiken aller Völker und Nationen in jeder Teilkirche Heimatrecht haben. Die Aufgabe der Ausländerseelsorge ist es nach den Richtlinien, »sowohl die Eigenart und Eigenständigkeit der Katholiken anderer Muttersprache zu achten, als auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit zu pflegen«. Betont wird, daß der Ortspfarrer für alle Katholiken seiner Pfarrgemeinde verantwortlich ist. Die Missionen werden als in Vergangenheit und Gegenwart notwendig bezeichnet, »weil die >Migration< eine >Verpflanzung< aus einem Lebensbereich in einen anderen ist und der ausländische Katholik in einem neuen Umfeld zurechtkommen muß.«

Dann werden, und dies macht den Hauptteil des Dokumentes aus, die bisher schon geltenden Richtlinien leicht modifiziert, »erneut in Erinnerung gerufen«. Im Grunde muß man feststellen, daß die Bischofskonferenz den status quo festschreibt, ohne allerdings weiterführende Entwicklungen zu blockieren. Sie allerdings dürften zu sporadisch und zu schwach sein, um einen pastoraltheologischen Sprung nach vorn zu rechtfertigen. Die Pastoraltheologie selbst weiß mit dem Thema einer multikulturellen Kirche bis auf den heutigen Tag wenig anzufangen und schied als Artikulationshilfe für die Bischofskonferenz aus. Ein Kairos konnte nicht genutzt werden.

d. Ein pastoraltheologischer Vorschlag

Einen umfassenden Lösungsvorschlag, der theologisch korrekt ist, der geltenden Verfassung der Kirche entspricht und dem Minderheitenrecht in der Kirche angemessen ist, machte bereits vor Jahren der oben zitierte Schweizer Pastoraltheologe Alois Müller (ebd). Er verweist auf die Ambivalenz des Territorialprinzips. Dieses entspreche nicht nur dem universalistischen Charakter der Kirche, sondern sei auch Ausdruck einer Seßhaftigkeitskultur. Von Anfang an habe es aber etwa in den Klostergemeinschaften bereits Gemeinden freier Wahl als Personalgemeinden gegeben. Heute nun wäre nicht nur ein wachsendes Unbehagen gegenüber der reinen Territorialgemeinde, sondern auch eine starke Veränderung unserer Gesellschaft von einer Seßhaftigkeitskultur weg zu einer größeren Mobilität festzustellen. Beides fördere den Drang zur Wahlgemeinde, die nicht auf dem Wohnprinzip beruhe. Dies bedeute natürlich auch die Gefahr der Partikularisierung der Kirche in Wahlchristentümer. Dennoch sieht Müller in dem Trend zur Wahlgemeinde einen guten Ansatz, um eine besondere Ausländerpastoral zu rechtfertigen, und zwar dann, wenn Ortsgemeinde und Wahlgemeinde zusammen das christliche Gemeinschaftsleben ausmachen. Die Wahlgemeinde müßte in dem Spektrum der Ortsgemeinde ihren Platz haben, aber nicht als Randerscheinung und Abkapselung, sondern als legitime Konkretisierung.

Mit Recht verwies bereits daher die Jahreskonferenz der italienischen Missionen von 1978 auf das II. Vatikanum, daß nämlich die Gesamtkirche aus Teilkirchen bestehe und daß diese Teilkirchen nach dem Bild der Gesamtkirche gebildet seien (vgl. Dokumentation der Jahrestagung 1978, Informations- und Dokumentationsstelle (UDEP), Frankfurt 1978). Die Kirche insgesamt sei nicht eine große Gemeinschaft von einzelnen, sondern eine Gemeinschaft von Gemeinden, eine »communio ecclesiarum«. In ihrem Pressekommunique sagt die Konferenz daher auch: »Die Missionen wollen keine Parallelkirche sein, sondern sie betrachten sich als vollwertigen Bestandteil der Ortskirche«. Mit ihr wollen sie die Kontakte vertiefen, um die gegenwärtige Randstellung zu überwinden. Integration auf der strukturellen Ebene dürfe aber die ethnische Gemeinde nicht daran hindern, ihr autonomes Glaubensleben zu entfalten, indem sie ihre eigene Kultur und ihre eigenen Gepflogenheiten auspräge. Daher werden u.a. geeignete Kommunikationsmöglichkeiten und Strukturen für den Dialog mit der Ortskirche gefordert. Die italienische Mission will eine Gemeinde von Einwanderern sein mit vollem Ausbau des liturgischen Lebens und der Organisation innerhalb der Ortskirche und unter der Leitung des Ortsbischofs (ebd.).

Mit diesen legitimen Vorstellungen ist die Spannung zwischen den Pfarreien und der Einwanderergemeinde ins Programm gehoben, selbst wenn es gelingen sollte, die Inferiorität der Missionen und der Einwanderer zu überwinden. Hier wird auf eine andere Weise ökumenischer Geist erforderlich, um aus dem Nebeneinander verschiedenster Gemeinden ein geistliches Miteinander zu machen. Vor allem ist die Frage völlig ungelöst, was solche Strukturen für die zweite und dritte Einwanderergeneration bedeuten, die weder voll in die Nationalitätengemeinde noch in die Ortspfarreien einbezogen werden können, weil sie weder hier noch dort Heimat finden. Die Missioen in ihrer bisherigen Ausprägung sind Einrichtungen für die erste Generation.

e. Eine spanische Perspektive

Die Zukunft der spanischen Gemeinden sieht der zuständige Delegat der spanischen Gemeinden in der Bundesrepublik, Felix Rodriguez, daher sehr stark in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der verschiedenen Generationen (Felix Rodriguez, Die Zukunft von Gemeinden der Katholiken anderer Muttersprache, hektogr. Text im Archiv des spanischen Oberseelsorgeamtes, Bonn 1986)

»Solange noch Tausende von Katholiken der ersten Generation hier leben, sollten die Gemeinden der Ort sein, wo diese Menschen Aufnahme, Geborgenheit, Begegnung, Heimat und Verwurzelung finden.« Das Leben dieser Gemeinden werde sich hauptsächlich in der eigenen Sprache und Kultur ausdrücken. Aber auch diese Gemeinden sollen immer wieder die Begegnung und die Zusammenarbeit mit den Ortsgemeinden deutscher und anderer Sprachen suchen und weiterentwickeln.

Für die zweite Generation empfiehlt Rodriguez eine »zweigleisige« Pastoral:

»D. h. sowohl die Ortsgemeinden als auch die Katholiken anderer Muttersprachen sollten Möglichkeiten finden, wodurch die volle Eingliederung der jungen Menschen in eine der beiden Gemeinden realisierbar wird. Allerdings könnte es dabei auch zu einer doppelten Eingliederung kommen. Die Jugendlichen könnten sich in der Ortsgemeinde ebenso wohl fühlen wie in der Gemeinde der Katholiken anderer Muttersprache.«

Eine besondere Aufgabe wird für die dritte und die nachfolgenden Generationen gesehen. Hier sollten die Gemeinden der Katholiken anderer Muttersprache die Möglichkeit bieten, daß die Kinder die religiöse Tradition der eigenen Familie kennen, verstehen und schätzen lernen.

Der Delegat empfiehlt der Kirche in Deutschland als oberstes Gebot, »eine breite Palette von Möglichkeiten anzubieten, die allen Katholiken deutscher und anderer Muttersprache einen Ort der Aufnahme garantiert und die Eingliederung in einer Gemeinde ermöglicht«.

1. Ein Brief an die deutschen Pfarrgemeinden

1985 haben sich die 150 Teilnehmer der 30. Nationaltagung der italienischen Katholischen Missionen in Deutschland und Skandinavien an die deutschen Pfarrgemeinden gewandt.(15) Sie betonen am Anfang, daß vielleicht niemals wie auf dieser Tagung der Wunsch und die Notwendigkeit empfunden worden sei, sich in immer konkreterer Weise der Kirche, die in Deutschland ist, zu verbinden.

»Das große Ziel, das nach unserer Meinung die Ortskirche in Deutschland verfolgen kann und muß, ist die Einheit eines neuen Volkes, das, indem es den Reichtum der Migration annimmt, das eigene besondere Bewußtsein verändert, um mit den Migranten selbst eine Erfahrung von Einheit auf einer viel umfassenderen und universelleren Ebene zu erleben.«

Dabei wird erwartet, daß die Ortskirche alle anderen religiösen und kulturellen Erfahrungen anerkennt und bewertet: »Wenn sie die Identität der Einwanderer nicht achtet, kann die Ortskirche in Deutschland auch die eigene wahrhafte Einheit nicht schaffen.«

Durch die Einwanderung von Menschen aus vielen Nationen wird nach Ansicht der italienischen Seelsorger die deutsche Gesellschaft immer plurikultureller und pluriethnischer. Daher sei die deutsche Kirche von den zahlreichen ethnischen Gruppen dringend zu einer Öffnung ihrer Strukturen für Christen aller Nationalitäten eingeladen.

In diesem Zusammenhang wird ein Unterschied gesehen »zwischen den offiziellen Positionen, die oft erleuchtet und mutig sind und dazu neigen, den Pluralismus anzunehmen und zu schätzen und der praktischen Realisierung, vor allem auf der Ebene territorialer Strukturen, die häufig Gefahr läuft, lediglich Einförmigkeit (Uniformität) zu bewirken« (vgl. Brief an die deutschen Pfarrgemeinden, in: Informations‑ und Dokumentationsstelle (UDEP), Frankfurt 1985).

Selbstkritisch wird eingeräumt, »daß wir Italiener in Deutschland, als Teil des Gottesvolkes, uns nicht immer bemüht haben, unseren Glauben und die >Memoria< unserer christlichen Tradition in der neuen sozialen, kulturellen und religiösen Situation, in der wir uns hier befinden, zu leben; zuweilen haben wir uns auf unserem Weg isoliert und damit riskiert, eine Nebenkirche neben der Ortskirche zu schaffen«.

Man könnte sagen, daß bei den Vertretern der muttersprachlichen Pastoral die erforderlichen theologischen Gedanken für eine Veränderung bedacht und artikuliert werden. Es fehlen allerdings die Konzepte, in denen von der Erfahrung gespeiste nächste Schritte vorgeschlagen und gefordert werden. Die Ortskirche ist durch gute Gedanken allein nicht in Bewegung zu setzen.

2. Vorstellungen der Weltkirche

a. Die Dauer einer eigenen Migrantenpastoral

Die Antwort auf die Frage, wie lange es denn eigene Missionen für die Migranten geben müsse oder dürfe, ist von Rom unterschiedlich gegeben worden und zeigt eine Entwicklung auf. Das entscheidende Dokument ist das Motuproprio Paul VI. »Pastoralis migratorum cura« von 1969 (im folgenden PMC abgekürzt) (Paul VI., Motuproprio »Pastoralis migratorum cura« vom 15. August 1969, AAS 61 [1969], 601‑603). Es enthält die Bestimmung, »daß es zweckmäßig ist, die Auswandererseelsorge Priestern derselben Sprache zu übertragen, und zwar für die gesamte Zeit, für welche die muttersprachliche Seelsorge erforderlich und nützlich ist« (»per totum tempus, quod utilitas requirat«).

Diese Formulierung legt keinen zeitlichen Rahmen fest und unterscheidet sich damit in einem wichtigen Punkt von der Apostolischen Konstitution »Exsul Familia« aus 1952, die von PMC abgelöst wurde. Hier gilt die Seelsorge für die »auswärts Geborenen« (»alienigenae«), die sich in einem fremden Land aufhalten und ihre Nachkommen ersten Grades gerader Linie allerdings auch dann, wenn diese die Rechte der Einbürgerung erworben haben (vgl. Pius XII., Apostolische Konstitution »Exsul Familia« vom 1. August 1952, AAS 44 (1952), 649‑704).

Dagegen wollte und konnte PMC die zeitliche Begrenzung der Migrantenpastoral auf die erste und zweite Generation nicht aufrecht erhalten. Die Erfahrungen in den klassischen Einwanderungsländern, die wachsende internationale Mobilität, das Traditions‑ und Kulturbewußtsein der verschiedenen Einwanderergruppen und die Beharrungstendenz der einmal eingerichtete Sprachen‑ und Nationalpfarreien ließen dies offensichtlich nicht mehr zu. So entschied sich PMC für eine zeitliche und übrigens auch strukturelle Offenheit.

Damit ist aber die Frage nicht beantwortet, was es denn bedeutet, die besonderen Einrichtungen der Migrantenpastoral so lange aufrecht zu erhalten, wie es die Nützlichkeit erfordert. PMC sucht dies dadurch zu erläutern, daß es entsprechende pastorale Kriterien für eine Beurteilung anbietet. Danach müssen neben der Art und Weise und den rechtlichen Formen des religiösen Beistands für die Migranten die angemessene Dauer in jedem einzelnen Fall genauestens überlegt und den verschiedenen Verhältnissen angepaßt werden. (ebd.) Im Einzelnen sollten dabei bedacht werden: Die Dauer der Einwanderung; der Prozeß der »Akkomodation« (in der deutschen Übersetzung: »Integration«) nicht nur in der ersten, sondern in den folgenden Generationen (Plural!); die kulturellen Unterschiede, die von der Sprache und auch vom Ritus herkommen; der Charakter der Migration als entweder periodische oder zeitlich begrenzte oder auch als dauernde; eine Migration von kleinen Gruppen oder großen Massen; eine, die geographisch konzentriert oder gestreut erfolgt. Die genannten Kriterien beziehen sich ausschließlich auf die Migrantenpastoral selbst. Kriterien, die die Ortskirche und eine sinnvolle Gemeinsamkeit im Blick hätten, sind hier nicht aufgeführt. Sie spielen aber eine immer größere Rolle, wie sich etwa den Äußerungen Johannes Paul Il. entnehmen läßt, die gleichermaßen freie und aktive »Mitwirkung in Parität mit den in den Ortskirchen geborenen Gläubigen«, »ohne zeitliche und milieubedingte Einschränkungen« bilden den Weg für die kirchliche Integration der zugewanderten Gläubigen. (Johannes Paul II., Botschaft des Papstes zum Welttag der Emigranten vom 16. Juli 1985, in: L‘Osservatore Romano (deutsch) Nr. 36 v. 6.9.1985) Dies ist gleichermaßen ein Votum für Zusammenarbeit wie zeitliche Offenheit.

Überlegungen mit dem Katalog dieser Kriterien, aber auch weiterer, die sich weltkirchlich abzeichnen, sind für die Bundesrepublik angezeigt, werden aber in der kirchlichen Öffentlichkeit kaum angestellt. Im Grunde überläßt man die Entwicklung einer pragmatischen Eigengesetzlichkeit.

b. Kultur und Identität

aa.       Kirche und Kultur

Die theologische und pastorale Aufgabe der Kirche hinsichtlich der Migranten wird vor dem Hintergrund der weltweiten Migrationserfahrungen und eines sich immer mehr differenzierenden Begriffs der Bedeutung von kultureller Identität der einzelnen Person, der ethnischen Minderheiten und der Völker verstanden. Damit bekommt diese Aufgabe Dimensionen, die sie sehr bald loslösen könnte von dem Verständnis einer provisorischen Pastoral für Einwanderer.

Kultur wird vom II. Vatikanischen Konzil verstanden als alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; sich diese ganze Welt durch Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen trachtet; das gesellschaftliche Leben, das familiäre und politische durch den sittlichen Fortschritt und den Ausbau von Institutionen menschlicher gestaltet; wodurch er schließlich seine großen geistigen Erfahrungen und Bestrebungen im Laufe der Zeit in seinen Werken ausdrückt, mitteilt und bewahrt‑ zum Segen vieler, ja, des ganzen menschlichen Geschlechts. (vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Nr. 53, in: Vaticanum II, vollst. Ausgabe der Konzilsbeschlüsse, Osnabrück 1966.) Wir haben es hier mit einem umfassenden Verständnis von Kultur zu tun, bei dem Kultur im landläufigen, nämlich im künstlerischen Sinn, nur ein Element ist.

Das Konzil stellt das Verhältnis der Kirche zur jeweiligen Kultur in den Zusammenhang der Inkarnation. Die Kirche müsse sich mit der gleichen Motivation, wie sich Christus selbst in der Menschwerdung von der konkreten sozialen und kulturellen Welt der Menschen einschließen ließ, unter denen er lebte, ganz und gar in die jeweilige Umwelt inkarnieren. Durch die Ausstattung mit den kulturellen Reichtümern der eigenen Heimat solle die Gemeinschaft der Gläubigen tief im Volk verwurzelt sein. Dabei darf die Kirche allerdings niemals unter die »Vormundschaft des Ethnos« geraten, durch die völkische oder ideologische Interessen der Sendung und dem Wesen der Kirche übergeordnet werden.

In seiner Enzyklika »Slavorum apostoli« hat Johannes Paul II. den Aspekt spezieller Kulturausprägungen als heilsgeschichtlich bedeutsam herausgestellt. Danach hat jedes Volk, jede Kultur eine eigene Aufgabe für »die volle Katholizität« zu erfüllen. Allerdings muß jede besondere Tradition, jede Ortskirche offen und empfänglich bleiben für die anderen Kirchen und Traditionen gleichwie für die universale und katholische Gemeinschaft; »wenn sie in sich verschlossen bliebe, würde sie sich der Gefahr aussetzen, auch selber zu verarmen«. (Johannes Paul II., Enzyklika »Slavorum apostoli« Nr. 27, zit. nach: ders., Botschaft des Papstes zum Welttag der Emigranten, a.a.0.)

Von einer in Aufwertung begriffenen Kulturtheologie her erhält also der für das II. Vatikanum wichtige Gedanke der Eigenständigket der Teilkirchen neue Nahrung. Die Ortskirchen »sind die Kirche mit verschiedenen Riten, mit unterschiedlichen liturgischen, kulturellen und religiösen Traditionen«. Genauer genommen gibt es neben dem inkarnatorischen Aspekt von Kultur auch den ekklesiologischen, der aus der Verschiedenheit einen höheren und reicheren Begriff der Einheit ableitet.

bb.       Kultur und Migration

Der gesellschaftliche und kirchliche Wert einer eigenen Kultur, die sich von anderen unterscheidet, wird aber nicht nur einem Volk, einer Ethnie oder einer Ortskirche zuerkannt, sondern auch dem einzelnen Menschen, der seine Identität in einer bestimmten Kultur findet und sichert. Gerade bei den Fragen der Integration von Migranten wird dieser Aspekt so sehr betont, daß der Anspruch auf die Respektierung und Förderung der eigenen Herkunftskultur zu einem Menschenrecht hochstilisiert werden kann. (vgl. PMC, Zweiter Teil, I. 5., a.a.0.

Einfügung in die neue Kultur bei Wahrung der ererbten ist die Antwort der Kirche auf die Problematik von Isolation und Aufgesogenwerden. Die neueren Dokumente der Kirche über die Migration können sich gar nicht oft genug zu diesem Komplex äußern. So müssen sich nach Johannes Paul Il. die zugewanderten Gläubigen in der Ausübung ihres Rechtes und ihrer Pflichten ganz der Ortskirche und der kirchlichen Gemeinschaft zugehörig fühlen. Diese selbst muß ihnen die freie und aktive Mitwirkung in voller Gleichberechtigung gewähren, und zwar so weitgehend, daß die Einwanderer sich fühlen, »so als wären sie in ihrem Heimatland«. D.h. aber andererseits, daß sie sich »trotzdem« der eigenen Sprache, der Kultur, der Liturgie, der Spiritualität und besonders auch ihren Traditionen treu bleiben. Nur das wird als »kirchliche Integration« verstanden, die die Kirche bereichert und »Frucht der dynamischen Realität der Menschwerdung des Sohnes Gottes ist«; hier also wieder der Zusammenhang zwischen Kultur und Inkarnation. Natürlich benennt das Schreiben des Papstes ein Spannungs‑ und Konfliktfeld, das eher gesellschaftlich als kirchlich schwer lösbare Aufgaben mit sich bringt. Fast sieht es so aus, als könne die Spannung zwischen kultureller Eigenständigkeit und Anpassung nicht durchgehalten werden. Daher warnt die Kirche im Bereich der Migration vor dem naheliegenden Versuch, die Integration, die Eingliederung und Angleichung zu beschleunigen oder zu hemmen, besonders wenn dieser »von nationalistischen, politischen oder sozialen Gedanken an Vorherrschaft getragen ist«. Das könne jene »wünschenswerte Pluralität« nur ersticken und beeinträchtigen. Das »Recht auf Freiheit zur Integration« in der

 

Ortskirche bedeutet, daß die einzelnen Gruppen, aus denen sich diese zusammensetzt, sich gegenseitig akzeptieren, weil sie die Kultur des einzelnen achten und respektieren. Der ängstliche Gedanke der Einheimischen, solcherart Pluralität, die ja die eigene Identität tangiert, könne zur Zerrüttung der Glaubenseinheit führen, läßt Rom nicht gelten. Im Gegenteil: Die »Katholizität der Kirche sieht man ja ganz konkret in der Verschiedenheit der Volksgruppen und Kulturen, und diese Katholizität verlangt eine totale Öffnung anderen gegenüber«.

Alles in allem wird aus den wenigen Zitaten deutlich, daß die Migration die Einwanderungskirchen alten (z. B. USA) und neuen (z. B. Bundesrepublik Deutschland, Schweiz, Osterreich und Frankreichs) Typs vor eine Herausforderung stellt, die weniger damit zu tun hat, wie ärmeren Einwanderern, sondern eher wie »ärmeren« Aufnahmekirchen geholfen werden könnte, Kirche zu werden.

 EINWANDERUNG ALS PASTORALE STRUKTURKONSTANTE

Die Revision bisheriger pastoraler Entscheidungen über künftige Strukturen innerhalb der Kirche ist von der Entwicklung nicht nur der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache, sondern auch des Einwanderungsprozesses und der Tendenzen der innereuropäischen und transeuropäischen Wanderungen abhängig. Die europäische Binnenwanderung im Rahmen der sich ausweitenden und wachsenden Freizügigkeit in der Europäischen Gemeinschaft wird zu einer gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Strukturkonstante. Das Kommen der Flüchtlinge ist darüber hinaus ein deutliches Zeichen dafür, daß die Weltgesellschaft in einer großen Bewegung ist, die immer mehr vom Nord‑Süd‑Konflikt bestimmt wird. Bereits Paul VI. hat die erzwungene und freiwillige Mobilität als ein Charakteristikum unserer Zeit bezeichnet und festgestellt, daß die Kirche, »Zeichen und Instrument der Einheit der ganzen Menschheit«, sich hineingezogen fühle in die Entwicklung einer Welt, deren bedeutender Bestandteil die Mobilität se. ( Vgl. PMC, Erster Teil, 1. 8., a.a.0.) Er hat daraus die Konsequenz gezogen, daß die Mobilität der Welt eine pastorale Mobilität der Kirche verlange.